Dienstag, 30. August 2022

Aus der Praxis: Gesunde Grenzen setzen

 

 

Wenn wir im Prozess der Genesung sind, ist es wichtig, dass wir lernen Grenzen zu setzen.

Zu lange haben wir zu viel gegeben, unsere Energie und unsere Kraft in andere gegossen und uns selbst vernachlässigt.
Zu lange sind wir über unsere Belastbarkeitsgrenze gegangen.
Zu lange haben wir keine gesunden Grenzen gesetzt, um anderen zu gefallen, ihre Zuneigung zu bekommen oder um andere nicht zu enttäuschen oder zurückzuweisen.
Wir haben uns selbst ausgebeutet, wir waren immer für andere da und jederzeit für sie verfügbar.
Wir sind ausgebrannt.
Wir sind erschöpft und müde.
Wir haben unsere Seele und unseren Körper vernachlässigt.
Wir haben funktioniert wie ein Automat.
Es ist Zeit Grenzen zu setzen!
 
Wenn wir beginnen Grenzen zu setzen, kann es sein, dass die anderen das nicht verstehen und nicht akzeptieren wollen. Es kann sogar sein, dass sich manche von uns abwenden, weil man uns so nicht mehr gebrauchen kann. Es kann sogar sein, das mache Beziehungen, die wir für tragend gehalten haben, dann enden.
 
Grenzen setzen braucht Mut.
Es braucht den Mut für uns selbst einzustehen.
Grenzen setzen geht nicht so einfach, weil wir Angst haben, wenn wir nicht mehr gebraucht werden, fehlt uns der Sinn.
Es ist aber nicht der Sinn unseres Lebens „gebraucht“ zu werden, auch wenn wir das irgendwann verinnerlicht haben und in diesem Modus unterwegs waren.
Um zu genesen müssen wir diesen Modus verlassen und erkennen, dass wir uns zuerst selbst brauchen. 
 
Es ist an der Zeit, dass wir mit dem Unsinn aufhören.
Unser Wert als Mensch bemisst sich nicht daran, wie viel wir für andere tun.
Wir haben eine Existenzberechtigung, auch wenn wir nicht „gebraucht“ werden.
Wir leben und unser Leben hat einen Sinn.
Wir müssen uns unsere Existenz nicht erarbeiten. Sie gehört uns.
Wir haben bereits zu viel Zeit damit verbracht etwas anderes zu glauben.
Wir befreien uns von diesem Glauben.
Wir müssen uns Zuneigung nicht erarbeiten und Liebe schon gar nicht.
Wir sind nicht schlechter und nicht besser als andere.
Wir sind gleichwertig und wir müssen uns das nicht beweisen.
Wir sind gut genug und wir sind wertvoll
Wir dürfen Nein sagen, ohne uns schlecht oder schuldig zu fühlen.
Nein sagen ist ein Ja zu uns selbst.
Weil wir das erkennen, setzen wir ab jetzt gesunde Grenzen.

Montag, 29. August 2022

Aus der Praxis: Der innere Beobachter

 



In jedem sinnvoll angegangenen Veränderungsprozess geht es immer darum Unbewusstes bewusst zu machen. Eine mühsame Arbeit, wenn wir wissen, dass das Bewusste nur zehn Prozent der Spitze des Eisberges ausmacht und neunzig Prozent dieses Berges unter dem Wasser, im Meer des Unbewussten liegen. Auch wenn wir uns bewusst vornehmen unsere destruktiven Denkmuster und die wenig hilfreichen Überzeugungen über uns selbst in hilfreiche und unterstützende zu wandeln, schießt automatisch die alte verinnerlichte Überzeugung dazwischen. Die im Meer des Unbewussten gespeicherten Überzeugungen über uns selbst und insbesondere die entsprechend negativen Gefühle zum Gespeicherten überschreiben sofort das bewusste Denken mit den verinnerlichten Erfahrungen und strafen sie der Lüge. 
 
Jedes seit Kindesbeinen an verinnerlichte negative Denkmuster führt zu einer Dämpfung positiver Emotionen. Damit ist auch zwangsläufig die Motivation gedämpft, die notwendig ist um persönliche Ziele, die im Veränderungsprozess formuliert werden, zu erreichen. 
Entsprechend zielgerichtete neue Denkmuster und hilfreiche Verhaltensweisen werden daher mit einer nur geringen Wahrscheinlichkeit gleich oder mühelos in die Tat umgesetzt. Mit anderen Worten: Nur weil uns etwas bewusst ist, heißt das nicht, dass wir es verändern können.
Während sich das explizite Gedächtnis, auch Wissensgedächtnis oder deklaratives Gedächtnis genannt, Tatsachen und Ereignisse merkt, die dann bewusst wiedergegeben werden können, erreicht man das implizite Gedächtnis auf diese Weise nicht. Es hat die negativen Denkmuster automatisiert und diese Automatisierung ist äußerst resistent gegenüber einer Motivierung in eine andere, als die ihm vertraute Denkweise. Der wahre Herrscher unseres Gehirns ist, ob wir das nun wahrhaben wollen oder nicht, ein riesiges gegen uns arbeitendes Erfahrungsnetzwerk.
Nun möchte ich nicht behaupten, dass Veränderung zum Positiven hin nicht möglich ist, sonst könnte ich meinen Job aufgeben. Es ist möglich, aber ich weiß um die Grenzen, die uns Menschen gesetzt sind. Und ich weiß auch, wo ein Wille ist, ist nicht immer ein Weg. Unser Wille geht nicht so weit, dass wir alles verändern oder wandeln können, was uns als Mensch geprägt hat. Das ist auch nicht Sinn der Sache. Es geht darum uns unserer selbst und unserer Automatismen im Denken und Verhalten bewusst zu werden, unsere Erfahrungen zu integrieren und nicht mehr gegen uns selbst zu kämpfen. Es geht darum zu lernen mit dem was ist, angemessen umzugehen auf das es uns im Leben nicht mehr behindert. 
 
Bewusstwerdung ist ein Prozess. Ein paar Affirmationen und positive Gedanken denken helfen nicht um unseren Denkapparat zu verändern. Wer das glaubt ist auf dem Holzweg und vor allem: Er hat sich mit dem, was in unserem Hirn so alles passiert, nicht auseinandergesetzt.
Alles was wir von Außen aufsetzen ohne tief genug ins eigene Innere geblickt zu haben, bleibt wirkungslos.
Was wirkt?
Wir können das implizite Gedächtnis nicht löschen. Das ist Fakt. Aber wir können es so gut kennen lernen wie es uns möglich ist. Dazu dürfen wir wachsam werden, wir dürfen beobachten lernen, uns selbst und was wir denken. Hier kommt der innere Beobachter ins Spiel. Mit Hilfe des Beobachters lernen wir zwischen uns und den Produkten unseres Denkapparates zu unterscheiden. Der innere Beobachter hat die Funktion inneren Abstand von belastenden Gefühlen und Gedanken zu finden.
Wenn wir mit unliebsamen Emotionen zu kämpfen haben, wenn wir emotional verwickelt oder verstrickt sind, können wir uns auf die Position des Beobachters zurückziehen und von außen auf uns schauen, mit dem Ziel innere Distanz zu bekommen. Der Innere Beobachter ist der Teil in uns, der beobachten kann, was wir fühlen und denken, in dem Moment wo Gefühle und Gedanken in uns auftauchen. Er ist der wahrnehmende Teil unseres Bewusstseins. Er wertet nicht und greift nicht ein. Er hat keine Meinung, sondern nimmt ohne zu urteilen einfach wahr, was jetzt ist.
 
Diesen Teil in uns, der beobachtet, dass wir beobachten, können wir auch den neutralen inneren Zeugen nennen. Wir können uns jederzeit mit dieser Instanz in uns selbst verbinden, die immer da ist: Unser Höheres Bewusstsein, dieser ruhige, kraftvolle und stabile Kern in uns, der sich vom Affengeschnatter in unserem Kopf nicht beeinflussen lässt. Sobald wir uns bewusst darüber sind, dass Geist und Bewusstsein zwei unterschiedliche Teile unseres Seins ausmachen, können wir innerlich Distanz zu unseren Gedanken und Gefühlen einnehmen. Und das ändert vieles. 
 
 
Wenn Du Dir Begleitung in diesem Prozess wünschst, schreib mir unter: aw@wende-praxis.de

Freitag, 26. August 2022

Abstellkammer

 

                                                           Malerei: Angelika Wende


Wir hängen wir an einem Menschen, den wir lieben, der uns aber nicht die gleichen Gefühle entgegenbringt. Er behält uns vielleicht in seinem Leben, weil er gerade nichts Besseres findet oder noch nichts Besseres gefunden hat, weil er nicht alleine sein will oder weil die Beziehung mit uns ihm einen Benefit verschafft.
Und wir spüren es. Wir merken es daran, dass dieser Mensch immer vage bleibt, dass er sich nicht commited, dass er, wenn wir gemeinsame Pläne ansprechen, nicht darauf eingeht, dass er keine Vision mit uns teilt und nicht in die gleiche Richtung blickt.
Wir merken es daran, dass er unberechenbar und unzuverlässig ist, keine Absprachen einhält und immer wieder Ausreden erfindet, warum das so ist. Wir merken es daran, dass er sich uns nicht wirklich zuwendet, sondern immer sich selbst in den Mittelpunkt stellt und wir mit unseren Bedürfnissen und Wünschen nach Zuneigung und Bindung auf der Strecke bleiben. Wir erkennen es daran, dass er sich zurückzieht, wenn wir ihm zu viel werden oder wir uns nicht so verhalten, wie er es von uns erwartet, uns dann eine Zeitlang ignoriert oder sich nach einem Streit nicht meldet. Wir merken es daran, dass wir unsicher sind, uns nicht wirklich angenommen und geborgen fühlen und unser Bauch permanent das Signal sendet: Vertrau ihm nicht. Wir merken es daran, dass allein er über Nähe und Distanz entscheidet, seine Entscheidungen trifft, ohne uns einzubeziehen, und sein Ding durchzieht.
Wir spüren im Lebenshaus dieses Menschen haben wir nur eine kleine Abstellkammer. Für uns gibt es nur diesen kleinen Raum, dessen Tür sich nach seinem Belieben öffnet und wieder schließt. Ein Lost Place in dem wir da ziemlich verlassen hocken und warten. 
 
Wenn wir einen solchen Menschen lieben, sind wir verlassen und zwar von diesem Menschen. Er hat uns längst verlassen noch bevor wir bereit und fähig sind ihn zu verlassen, weil wir ihn ja lieben. Aber genau das müssen wir tun für unser Seelenheil, ihn verlassen.
Und wir schaffen es nicht.
 
Wir spüren längst diese innere Einsamkeit, die uns einkesselt und uns von Tag zu Tag trauriger, mürber und müder macht und wir bleiben, weil wir uns vor der Einsamkeit fürchten, die unser Verlassen dann bedeutet. Dabei fürchten wir uns vor etwas, was längst da ist: Wir sind zu zweit einsam und das ist die schlimmste Form der Einsamkeit.
In dieser Einsamkeit leben wir von Brosamen und einen vergeblichen Hoffnung, die uns langsam ausblutet. Wir leben mit einem giftigen Cocktail negativer Gefühle, der uns jeden Tag neuen Schmerz zufügt. Wir trinken ihn wieder und wieder bis uns schlecht wird und wir uns nur noch schlecht fühlen. Und wir können nicht aufhören zu trinken, obwohl wir genau wissen, das Zeug ist verdammt ungesund.
Wir schaffen es nicht diese Verbindung zu durchtrennen, die längst keine mehr ist, sondern in Wahrheit nur unsere Bindung an einen Wunsch der sich niemals erfüllen wird, weil er sich bis heute nicht erfüllt hat. Das Band, das einmal gab ist längst gerissen, aber wir halten es an unserem Ende fest, während der andere es längst zu Boden hat fallen lassen. Wir halten diesen armseligen Fetzen in der Hand und trauen uns nicht ihn loszulassen. "Lieber den Fetzen festhalten als eine leere Hand", sagt die Verlustangst.
Ein trauriges Bild.
 
Ein Bild, das Mitgefühl braucht für uns selbst und dann den Mut und die Kraft unsere Hand zu öffnen, den armseligen Fetzen loszulassen und ihn dahin flattern zu lassen.
Und dann?
Dann stehen wir da mit leeren Händen. Und wieder ist da Schmerz.
Aber es ist ein anderer Schmerz. Dieser Schmerz vergeht zu seiner Zeit. Der Schmerz in unserer Abstellkammer, hört erst mal nicht auf. Er kann noch sehr lange dauern.
Er hört erst dann auf, wenn der andere entscheidet, dass er endgültig genug von uns hat. Wollen wir darauf warten?

Mittwoch, 24. August 2022

Es gibt keinen Grund

 



Wenn du dich abmühst jemanden aus seinem Loch zu ziehen, kann es passieren, dass du mit ihm ins Loch fällst. 

Bevor du jemandem retten willst, finde heraus, warum er im Loch sitzt.

Es ist einfach, nichts zu tun, sich nicht zu kümmern, keine Verantwortung zu übernehmen, sich durchzumogeln, sich mit Drogen oder Alkohol zu betäuben, seine Probleme nicht zu lösen, sich selbst zu bemitleiden, sich als Opfer der Umstände zu sehen und unheilsame Gewohnheiten zu pflegen. Um im Loch zu landen muss man nur all das tun. 

 

Bevor du dich also abmühst jemanden zu retten, verschaffe dir Klarheit.

Ist der Mensch, dem ich helfen will wirklich ein Opfer, oder hat er beschlossen den unheilsamen Weg zu gehen?

 

Du bist nicht verantwortlich für jemanden, der sich dazu entschieden hat den unheilsamen Weg zu gehen. Du bist nicht moralisch verpflichtet jemanden zu retten, der sein Leben und sein Umfeld zu einem unheilsamen Ort macht. Dieser Mensch wird deine Rettungsversuche sabotieren.

Er wird dich aus selbstsüchtigen Gründen mit ins Loch ziehen.

 

Es gibt keinen Grund, diesen Menschen zu retten.

Es gibt keinen Grund für diesen Menschen Verantwortung zu übernehmen.

Es gibt keinen Grund  für ihn das zu tun, was er für sich selbst tun muss.  

 

Aber es gibt einen Grund für dich selbst Verantwortung zu tragen – dein Seelenheil.

Samstag, 20. August 2022

Heilung braucht Ehrlichkeit

 


Was sich nicht audrückt, drückt sich ein.
Raus damit, deine Gefühle da sein lassen, dich lebendig fühlen. 
Dich selbst endlich ernst nehmen.
Radikal ehrlich sein mit dir selbst.
Ehrlichkeit ist ein krasser Wert.
Ehrlichkeit beinhaltet Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit, Offenheit, Geradlinigkeit.
Ehrlichkeit uns selbst gegenüber macht Schluss mit all den Selbstlügen, die unser Leben vergiften und all die anderen Lügen nach sich ziehen. 
 
Ehrlichkeit entgiftet.
Ich, du er, sie es, erlauben uns ehrlich zu sein.
Und ja, Ehrlichkeit hat einen Preis - wir funktionieren nicht mehr so wie man es von uns gewohnt ist, so wie wir es von uns gewöhnt sind. Wir setzen uns für uns selbst ein. Und wir stehen für uns selbst ein. Wir setzen Grenzen, wir machen nicht mehr den Affen für ein bisschen Sympathie, Anerkennung, Zuneigung, Belohnung, ein paar Brosamen an Zuwendung. Wir halten Umstände, die uns traurig und wütend machen nicht mehr aus. Wir sprechen ehrlich mit uns selbst und mit anderen. Wir schlucken nicht mehr runter, was wir nicht verdauen können, sondern sprechen es aus, ehrlich. Das ist krass heilsam.
Heilung braucht Ehrlichkeit.
Heilung braucht Vertrauen.
Und wem kann ich vertrauen?
Doch nur dem, der ehrlich zu mir ist.
Also bin ich erst mal zu mir selbst ehrlich, auch wenn es vielleicht weh tut, wenn die Schutzmauer der Verleugnung zerbröselt, wenn ich erkenne: Aha, das ist also meine Wahrheit. Autsch! Ja, kann weh tun. Erst mal, aber dann: Was für eine Befreiung!
 
Mal ehrlich?
Wem nützt es, wenn wir uns selbst etwas vormachen?
Wenn nützt es, wenn wir anderen etwas vormachen.
Wem nützt es, wenn wir unsere lebendigen Gefühle unterdrücken, verdrängen,verleugnen, kompensieren, betäuben, einsperren, abspalten?
Niemand.
Erlauben wir uns endlich ehrlich zu sein. Auch in unseren Beziehungen.
Wir dürfen so viel mehr als wir uns bisher erlaubt haben.
Wir können so viel mehr, wenn wir uns mehr erlauben.
Wir erlauben uns, uns auf uns selbst einzulassen.
Uns radikal ehrlich auf uns selbst einlassen.
Und dann sind wir bereit uns ehrlich auf den anderen einzulassen.
So geht heilen.

Donnerstag, 18. August 2022

Ich muss! Ist das wirklich wahr?

 

                                                                         Foto: www

Ich muss! Ist das wirklich wahr?
 
Viele von uns fühlen sich gefangen. Gefangen in Beziehungen, im Beruf, in Lebensumständen, in uns selbst, in unseren Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen.
Das Gefühl sich gefangen zu fühlen ist ein Symptom emotionaler Abhängigkeit.
Wer emotional gefangen ist hat immer dieses: "Ich muss!"
Ich muss stark sein, ich muss durchhalten, ich muss mein Bestes geben, ich muss funktionieren, ich erfolgreich sein, ich muss schnell gesund sein sein, ich muss mich um andere kümmern, ich muss alles unter Kontrolle haben, ich muss mein Leben ändern, ich muss fitter sein, ich muss schöner, klüger, besser als andere sein, ich muss so oder so sein, ich muss so denken, so fühlen, handeln und und und ...
 
In all diesem „Müssen“ sind wir blind für Möglichkeiten, die da auch sind. Bessere. Heilsamere. Erfüllendere.
Wir sitzen in der „Muss“ Falle.
Und dabei vergessen wir eins: Wir haben immer die Wahl - ob wir müssen oder wollen. Wir haben die Möglichkeit zu wählen, was wir wirklich müssen und was wir wirklich wollen.
Das eine vom anderen zu unterscheiden, ist der Weg aus der „Muss“ Falle.

Dienstag, 16. August 2022

Aus der Praxis: Die Angst überflüssig zu sein

 

                                                                    Foto: A.Wende

Sätze aus der Kindheit wie „Du taugst nichts“ oder „Du wärst besser nicht geboren“, haben eine zersetzende Wirkung auf unser Selbstwertgefühl und unsere Selbstwahrnehmung. Beides entwickelt sich dann nur schwach. Ein schwaches Selbstwertgefühl kann zu vielen Kompensationstrategien führen, unter anderem auch dazu, dass wir, getrieben vom Bedürfnis uns wertvoll zu fühlen, ständig auf der Suche nach Anerkennung und Bestätigung sind. Um diese Bestätigung zu erhalten, gehen manche Menschen so weit, dass sie sich jahrelang für andere aufopfern, die wenig oder nichts zurückgeben, sondern schamlos ausnutzen was ihnen da so bequem auf dem Silbertablett gereicht wird.

 

Die innere Überzeugung: „Wenn ich gebraucht werde, wenn ich mich unersetzlich mache, wenn ich für den Anderen nur genug sorge, dann wird der Andere mich lieb haben und ich bin wertvoll, ist für Betroffene ein Käfig, dessen Schlüssel Angst ist. Hinter dem Gefühl „Ich bin wertlos“, verbirgt sich nicht selten die Angst überflüssig zu sein.

Diese Angst kann sich im Extremfall auch darin äußern, dass Menschen sich emotional misshandeln lassen und/oder in einer unheilsamen Beziehung verharren, in der kaum eines ihrer Bedürfnisse erfüllt wird, außer eben dem Bedürfnis gebraucht zu werden.

 

Gebraucht werden ist aber nicht geliebt werden.

Wer sich brauchen lässt, missbraucht sie selbst.

Auch das wird bei vielen Betroffenen, selbst wenn es erkannt wird, in Kauf genommen, denn irgendwie ist es besser gebraucht zu werden, als überflüssig zu sein.

Das emotionale Bedürfnis nach Liebe und Wertschätzung wird auf diese Weise ersetzt, führt aber letztlich dazu, dass es verkümmert und im Gegenzug das unnormale Unheilsame als normal empfunden wird. Das erklärt u.a., dass sich Menschen aus selbstschädigenden Beziehungen nur sehr schwer lösen können. Sie sind so angepasst an das Unnormale, dass sie sich kaum mehr oder gar nicht mehr vorstellen können, nach neuen Lebensinhalten zu suchen.

 

Wer ständig meint, er muss von anderen gebraucht werden, darf lernen, für sich selbst zu tun, was er braucht.

Wenn die Angst, nicht gebraucht zu werden oder überflüssig zu sein, uns schon unser ganzes Leben lang begleitet, ist es im ersten Schritt sinnvoll mit therapeutischer Unterstützung, nach den Ursachen für die Angst zu suchen. Im zweiten Schritt dürfen wir unsere Überzeugungen als auch unsere bisherigen Beziehungserfahrungen reflektieren. Im dritten Schritt kann es gelingen neue Überzeugungen anzunehmen um ein selbstbewusstes Leben zu führen. Neue Überzeugungen können z.B. sein: „Ich bin wertvoll, ich bin liebenswert und wichtig, und das muss ich nicht beweisen, indem ich gebraucht werde."

Es ist ein langer Weg bis das Gefühl begriffen hat, was der Verstand erkannt hat, aber dieser Weg lohnt sich, denn am Ende wartet ein stabiles Selbstwertgefühl und damit emotionale Freiheit. 

 

Wenn Du auf diesem Weg professionelle Unterstützung möchtest, bin ich gerne für Dich da.

Schreib mir eine Mail unter:  aw@wende-praxis.de

Freitag, 12. August 2022

Aktiv Verantwortung übernehmen

                                                            Foto: A.Wende
 
 
Wenn wir den liebevollen Blick auf uns selbst entwickeln, gehen wir unseren Bedürfnissen aktiv nach.
Wir praktizieren dazu Achtsamkeit mit uns selbst.
Wir schulen unsere Selbstwahrnehmung.
Wir spüren nach, wie wir uns fühlen. Immer mal wieder im Laufe des Tages.
Besonders dann, wenn wir eine unangenehme Begegnung hatten, wir mit einer schwierigen Situation konfrontiert sind und wenn sich unliebsame Gefühle einstellen.
Wir fragen uns, was diese Gefühle verursacht hat und was wir jetzt brauchen.
Welches Bedürfnis ist jetzt nicht befriedigt?
An welche Erfahrung aus der Kindheit oder Jugend erinnert mich das?
Und dann überlegen wir, wie wir das Bedürfnis jetzt besser erfüllen können, als es uns damals möglich war.
Mit der Zeit wissen wir immer genauer, was unser verletztes Kind braucht.
Wir erwarten nicht mehr von anderen, dass sie erahnen, was wir brauchen und wir erwarten nicht mehr, dass sie uns das geben.
Wir übernehmen aktiv die Verantwortung für unser Wohlbefinden.
Wir achten auf unsere Gefühle, nehmen sie bewusst wahr und sprechen unsere Gefühle und unsere Wünsche aus.
Das bedeutet: Selbstbeobachtung.
Das ist eine Weile anstrengend.
Das braucht Bereitschaft und Mut und es gelingt auch nicht immer.
Aber die Chancen, dass es uns mit der Zeit besser gelingt hinreichend gut für uns zu sorgen, steigen.

Mittwoch, 10. August 2022

Aus der Praxis: Innere Kind Arbeit: „Hinter der Mauer" Beziehungsentzug / Gefühlsabspaltung

 



Dialog in der Praxis:
 
„Ich lasse niemanden mehr an mich heran. Ich lebe allein, isoliert. Ich gehe selten raus. Ich fühle mich schrecklich einsam, aber ich schaffe es nicht mehr in Kontakt zu gehen. Ist nie was Gutes bei rausgekommen. Für mich interessiert sich sowieso keiner."
 
Mich bedrückt es, wenn ich sehe, wie Sie hinter Ihrer ‚Mauer’ emotional verhungern. Ich finde, das hat das Kind nicht verdient. Ich kann verstehen, dass die inneren Beschützer ihm weitere Verletzungen ersparen wollen.
„Für mich interessiert sich sowieso keiner?“
Sind Sie mit diesem Gefühl auf die Welt gekommen?
Nein! Spüren Sie in sich hinein, was da hochkommt, wenn die inneren Beschützer so mit Ihnen sprechen!
Was fühlen Sie denn, wenn sie dieses Kind in dieser Situation sehen?
Wonach sehnt sich das Kind hinter der Mauer eigentlich?
Was wünschen Sie sich?
Was brauchen Sie wirklich?
Finden Sie das hinter der Mauer?
Niemand würde sein eigenes Kind einsperren. Das nimmt Ihnen Ihr ganzes Leben weg. 
Da gibt es andere Möglichkeiten.
Was würde eine hinreichend gute Mutter tun?