Mittwoch, 27. September 2023

Innere Leere

                                                                      Foto: www


Immer wieder kommen Menschen zu mir in die Praxis und sprechen von innerer Leere. Wenn ich sie dann bitte mir zu sagen, wie sie sich anfühlt, kommt meistens: "Leer eben, ein großes schwarzes Loch."
Innere Leere ist gar nicht so leer.
Das Loch ist gar nicht so schwarz.
Innere Leere ist voll mit Gedanken und Gefühlen.
Diese Gedanken und Gefühle sind Signalgeber.

Innere Leere ist ...

Das Gegenteil von Erfüllung
Unerfülltsein sein, egal was man macht
Das Gefühl der Sinnlosigkeit des eigenen Lebens
Das Gefühl allein zu sein in der Welt
Das Gefühl keinen Platz im Leben zu haben
Das Gefühl abgetrennt von der Welt zu sein
Das Gefühl nicht in diese Welt zu passen
Das Gefühl bedeutungslos und wertlos zu sein

Sich einsam fühlen (auch unter Menschen)
Im eigenen Leben nicht präsent sein
Abgeschnitten sein von Gefühlen
Abgeschnitten sein von den eigenen Bedürfnissen
Nicht leben, sondern gelebt werden

Kein Ich-Gefühl
Selbstzweifel
Nicht wissen, was die eigene Identität ausmacht
Nicht wissen, wer man ist
Nicht wissen, was man will
Nicht wissen, welche Werte und Ziele man hat

Richtungslosigkeit
Orientierungslosigkeit
Emotionale Taubheit oder Dumpfheit
Motivations- und Antriebslosigkeit
Interesselosigkeit
Freudlosigkeit
Langeweile
Erstarrung
Ruhelosigkeit
Innere Anspannung
Diffuse Angst
Traurigkeit
Hoffnungslosigkeit
Resignation
Selbstisolation
Depression

Innere Leere ist das Symptom.
Dahinter verbirgt sich immer die Sehnsucht nach Lebendigkeit und einem sinnerfüllten Leben. Dahinter verbirgt sich ein Mangel an emotionalen Beziehungen und Liebe. Innere Leere ist auch ein Schutzmechanismus, eine typische Traumafolgeerscheinung, Abspaltung: Sich nicht spüren, nicht fühlen, nur noch denken, nicht in Kontakt mit sich selbst und der Welt sein.

Innere Leere ist das Tor zum eigenen Fühlen, zur eigenen Wahrheit, zu uns selbst, wenn wir bereit sind, bewusst in die Leere zu gehen. Der Schlüssel, um das Tor zu öffnen und die innere Leere füllen, liegt darin, herauszufinden, woran es uns mangelt.

Wenn Du Unterstützung brauchst, bin ich für Dich da, auch im Online-Coaching.
Schreib mir eine Mail unter: aw@wende-praxis.de und wir vereinbaren ein unverbindliches Erstgespräch.

Freitag, 22. September 2023

Aus der Praxis: Beobachten

 



Wenn wir auf dem Weg unserer Genesung beginnen uns selbst zu beobachten ist das eine große Herausforderung und sie ist am Anfang zugegebenermaßen anstrengend, denn wir üben inneren Abstand von Gefühlen und Gedanken zu gewinnen.Wir schauen uns achtsam und aufmerksam selbst zu, bei dem, was wir denken und bei dem, was wir tun.
Das kann nerven, ich weiß. Wer hat schon die Disziplin oder die Lust sich den ganzen Tag selbst zu beobachten? Stimmt, aber ohne Selbstbeobachtung wird es nicht gelingen uns aus alten Denkmustern und Programmierungen zu lösen, die unsere Identität bestimmen.
Indem wir uns selbst beobachten aktivieren wir den Teil in uns, der geistige Inhalte beobachten kann, ohne sich mit ihnen zu identifizieren. Wir verhalten uns als eigener Beobachter, der nur zuschaut und nichts bewertet. Dieser Teil, der beobachtet, dass wir beobachten, nennt man auch den inneren Zeugen.
Es ist der Teil in uns, der neutral wahrnimmt, was ist. 
 
Die Fähigkeit des reinen Beobachtens ist eine hohe Kunst.
Und sie ist wirklich schwer zu erlernen. Aber wie gesagt, sie ist sehr hilfreich auf dem Weg der Genesung. Wir bekommen so mehr und mehr innere Distanz zu all dem Mist, den uns unser Denkapparat immer wieder einsagt und lösen uns aus Verstrickungen in uns selbst und mit anderen.
Unser Denkapparat, mitsamt den inneren Stimmen, wird sich mit allen Mitteln dagegen wehren, die Klappe halten zu sollen und nur zu beobachten. Das Gehirn wird immer wieder versuchen die neuronalen Schaltkreise, die programmiert wurden und verdrahtet sind, zu aktivieren. Es erfordert Anstrengung und ein hohes Bewusstsein, sich von diesen Programmierungen nicht überwältigen zu lassen. Wir sollten nicht unterschätzen wie tief diese, von Kindheit an, eingebrannt sind. Sie zu entmachten ist keine bequeme Sache. Es ist schwer das Gehirn umzuerziehen, aus diesen alten emotionalen Programmen auszubrechen und uns achtsam in die Gegenwart zu versetzen.
 
Gewahrsein erfordert Aufmerksamkeit.
Das ist das Entscheidende.
Aufmerksames Beobachten bedeutet nicht gegen unsere Gedanken anzukämpfen oder sie auslöschen zu wollen, denn das funktioniert nicht. Damit würden sie sich nur noch mehr aufbäumen. Es bedeutet ihrem Willen nicht mehr zu folgen und ihnen keinen Glauben mehr zu schenken. Es bedeutet ihnen nicht weiter zu erlauben die Kontrolle zu übernehmen. Das haben wir getan, in dem Moment, als die Programmierung begonnen hat, weil wir nicht anders konnten. Jetzt können wir anders.
Gewahrsein und Aufmerksamkeit mittels des inneren Beobachters zu üben, um Distanz zu uns selbst zu erlangen, bedeutet Freiheit vom falschen Selbst zu erlangen. Es bedeutet zu unserem wahren Selbst zurückzufinden. Es bedeutet, die Freiheit neu zu entscheiden, uns neu auszurichten, darauf, wer wir sein wollen, wie wir im Jetzt denken, fühlen, handeln und leben wollen.

Donnerstag, 21. September 2023

Ach, wenn doch ...





 

Wünsche, Träume, Vorstellungen, Beziehungen, alles kann zerbröseln. 
All das sind Enttäuschungen.
In der Psychologie sprechen wir bei enttäuschenden Lebensumständen von Nicht-Ereignissen.
Es blieb etwas unerfüllt. Es bleibt etwas unerfüllt.
Es ist einfach nicht passiert. Es passiert einfach nicht.
Aber einfach ist es eben nicht.
Es schwer anzuerkennen, das manches für uns einfach nicht vorkommt. Und weil das so schwer ist, verlegen wir uns auf das Hoffen, aber das gewünschte Ereignis ereignet sich partout nicht.
Vielleicht geschieht es ja doch noch. Vielleicht nicht.
„Vielleichtchen“, wie ich es nenne, sind anstrengende Schwebezustände, die uns verdammt viel Energie kosten. Verschwendete Energie. Lebensenergie, die sich selbst auffrisst.
 
Nicht-Ereignisse sind frustrierend.
Und weil sie so frustrierend sind, wählen wir die Hoffnung, mit dem Resultat immer wieder enttäuscht zu sein. Ein Auf und Ab, in dem wir niemals inneren Frieden finden.
Der Focus ist irgendwo in der Zukunft, aber nicht im Jetzt. Wir leben drüber, ins Blaue hinein, voller brennendender Sehnsucht im Herzen, präsent im Jetzt sind wir nicht.
Wenn wir uns weigern anzuerkennen, dass dies oder jenes für uns einfach nicht (mehr) erreichbar ist, ist das ein sehr ungutes Lebensgefühl, das bitter und traurig machen kann.
„Ach, wenn doch ..."
Ein Ach, ein Weh im Herzen, das immer wieder aufflackert, damit lebt es sich „ach“ so schwer.
Was wenn wir demütig akzeptieren könnten, dass eben nicht alles ist oder kommt, wie wir es gerne hätten und aus dem, was wir haben, und dem was ist, das Beste machen?
Dann hat der Kreislauf aus Hoffen und Enttäuschung ein Ende. Wir kommen zur Ruhe.
Ach, wie erholsam.

Mittwoch, 20. September 2023

Aus der Praxis: Selbstverlorenheit




„Ich fühle mich nicht. Ich habe das Gefühl, ich bin fragmentiert, in Stücke zerbrochen. Immer ist da ein unerträglicher Schmerz, gleichzeitig eine bedrohliche innere Leere. Ich kann mich selbst nicht spüren. Ich spüre das Leben nicht. Es ist als blicke ich durch eine Glasscheibe in die Welt – ich habe nichts mit dem zu tun, was sich darin abspielt.“

Das ist das Selbsterleben eines Menschen, den irgendwann in einem Moment in der Zeit, etwas widerfahren ist, das ihn innerlich tief erschüttert, zerbröselt und sich selbst entfremdet hat. Dieser Mensch hat eine tiefe Angst seine Lebendigkeit zu leben. Er ist unfähig eine Beziehung zu sich selbst zu entwickeln. Er spürt sich nicht, er hat sich verloren.

„Es gibt kein richtiges Leben im falschen“, schrieb der Philosoph Theodor Adorno.
Diese Worte treffen es – das Gefühl der Selbstverlorenheit und der damit verbundenen Verlorenheit im Leben.

Alles fühlt sich falsch an. Man selbst, das Umfeld, was man tut, weil man es tun muss um zu existieren, ohne zu wissen, warum man es tut, geschweige denn, dass man Freude daran hat oder das Gefühl von Sinn - man funktioniert.
Man ist mit nichts verbunden, man ist bindungslos auf sich selbst zurückgeworfen und dieses Selbst ist nicht fassbar.
Es ist fremd, eigenartig, hat keine Identität, ist unfähig Nähe herzustellen und zugleich getrieben von der schmerzhaften Sehnsucht Nähe erleben zu wollen. Aber es geht nicht. Etwas blockiert von Innen – die Hände berühren die Glasscheibe – sie ist undurchdringbar. Die Hände gleiten daran ab.

Was sind die Folgen eines solche Selbsterlebens?

Der Mensch zieht zurück.
Er isoliert sich.
Er lässt niemanden mehr an sich heran.
Seine Kontakte sind oberflächlich.
Er versucht es immer wieder, aber sobald Nähe entsteht, geht er in Distanz, zieht sich zurück. Nähe ist affektgeladen, gleichzeitig hat sie etwas Bedrohliches, Verschlingendes – da ist die Angst des Entäuschtwerdens, des Verratenwerdens, des Verlassenwerdens und mit dem Verlassenwerden wird wieder das Selbst verloren.
Er muss sich schützen.
Er zieht sich immer mehr zurück. Nach all den untauglichen Versuchen sich zu verbinden, begreift er – es geht nicht. Da ist Nichts und Niemand, der seine Seele berührt. Die Beziehungsebene, egal mit wem, bleibt kalt.
Er gibt auf, bleibt allein, einsam, vereinsamt, getrennt von anderen, vom Leben.
Er wartet, hofft auf Rettung, auf ein Wunder. Es kommt nicht.

Menschen die in diesem inneren Drama leben sind derart massiv verletzt, dass sie wie ausgelöscht sind. Ihr Selbstempfinden, ihr Selbstwert ist zutiefst unsicher, weil es keinen Selbstbezug (mehr) gibt. Die eigene Bedeutung existiert nicht. Bedeutung im Außen zu finden, gelingt nicht, weil Nähe nicht gelingt.
Ich kenne solche Menschen. Ich begegne ihnen in meiner Arbeit. Und ich weiß, was diese Menschen brauchen: Sie brauchen Trost, Halt, jemand, der sie annimmt, ihnen das Gefühl gibt: Du bist da, du existierst, du bist lebendig, auch wenn du es (noch) nicht spüren kannst. Sie brauchen eine Seele, die die ihre erreichen kann. Ein tiefe Seele, die keine Angst hat, die Tiefe ihrer verletzten Seele zu berühren. Denn sie sind tief, diese verlorenen Seelen, so tief wie ihre Verletzung. Eine Verletzung, die in unheilsamer Beziehung entstanden ist und nur in heilsamer Beziehung heilen kann.
Möge sie all diesen tiefen Seelen widerfahren: Heilung.

Montag, 18. September 2023

Sinnverlust

 

                                                              Foto: A. Wende

 
Sinnverlust stellt sich ein, wenn wir nichts haben, was uns von Innen hält, wenn alles Äußere was uns wertvoll und wichtig war, wegfällt. Je stärker wir den Sinn an Dinge, Geld, Status, Besitz, Erfolg und andere Menschen binden, desto tiefer ist der Fall ins Sinnlose, wenn diese Dinge oder diese Menschen aus unserem Leben verschwinden. Eine solche Erfahrung kann uns in Angst und Depression katapultieren und sogar verzweifeln lassen.
Wer diesen Zustand erlebt hat oder gerade erlebt, weiß wie schnell er Opfer seiner Gefühle wird. Er weiß um die dunklen Schatten seiner Seele, um die Frustration, das Elend, die Verlassenheit, die Hoffnungslosigkeit, die innere Einsamkeit, die Trauer, die Mutlosigkeit und die Resignation, vielleicht sogar um die Lebensmüdigkeit und die Todessehnsucht, die ihn erlösen soll, weil er keine Lösung mehr findet. Weil da nichts mehr ist, wofür sich das Dasein lohnt.
 
Den Sinn verlieren heißt sich selbst verlieren.
Niemand von uns sucht diese existentiell bedrohliche Erfahrung freiwillig auf. Und dennoch gibt es einen Sinn, den man auch hierin noch finden kann, wenn es gelingt, sich diesem Zustand auszusetzen und sich mit den dazugehörigen Gedanken und Gefühlen auseinanderzusetzen. Das Dunkel ist der natürliche Gegenpol zum Licht. Das eine kann ohne das andere nicht existieren und ein Mensch, der sein Dunkel nicht kennt, hat niemals Tiefe. 
 
Den Sinn verlieren und ihn wiederfinden, aber wie?
Wie neu gestalten, was abhanden gekommen ist? Wie der Leere, die die Sinnlosigkeit kennzeichnet, einen Inhalt geben? Wie sich selbst wiederfinden, überhaupt finden oder neu (er)finden?
Es braucht eine klare Vorstellung von dem Menschen, der wir sind und der wir sein wollen, das Gewahrsein der eigenen Identität, verbunden mit dem Wirken selbstständigen, zielgerichteten, sinnhaften Handelns. Das vermittelt uns ein Gefühl von Sinnhaftigkeit. Nichts was von Außen kommt, nur unsere eigene erlebte Gestaltungsmacht gibt uns das Gefühl von Selbstwirksamkeit, die wir brauchen um uns selbst wirksam zu spüren. Dann erfahren wir die Welt als sinnvoll, als verstehbar, gestaltbar und lebenswert.
Jede Phase von Sinnverlust und Sinn neu finden ist ein kämpferischer Reifungsakt, ein Übergang in eine neue Erfahrungswelt, die ebenso zeitlich begrenzt und vergänglich ist, ist wie die Welt, die wir verlassen mussten. Ist der Schritt bewältigt, stellt sich wieder Lebensbejahung ein.
So macht jeder Reifungsschritt Sinn an sich, denn bewältigen wir ihn, erlangen wir ein erhöhtes Bewusstsein für uns selbst und das Leben.
Ist der Sinnverlust nicht zu bewältigen, kommt das Aufgeben. Auch das kann für den, der es wählt, einen Sinn haben.
 
 
"Become your source of entertainment.
"Find something that keeps you alive and get lost in it.
Try not to let that thing be a person, because getting lost in a person only strays you further away from the person you will allways need the most: yourself."
 
Chidera Eggerne

Sonntag, 17. September 2023

Nicht mehr

 




Für vieles bin ich für nicht mehr offen
der oberflächliche Einheitsbrei
das unreflektiert dahin Gesagte
das Ich, Ich, Ich monologisieren
die Inkompetenz des Zuhörens
das bla, bla, bla
der Unsinn
die destruktiven Nachrichten
das Angst schüren
das Manipulieren
das Aggressive
das Laute
die Lügen
die Selbstlügen
die Gier
der Zorn
der Hass
der Hochmut
die Selbstgerechtigkeit
die Egohaftigkeit
die Achtlosigkeit
die Gleichgültigkeit
die Besinnungslosigkeit
die Einfältigkeit
die Unzufriedenheit
das Verdrängen
die Ignoranz
die Wertelosigkeit
die Unmoral
das Tumbe
die Dummheit
die Herzlosigkeit
die Lieblosigkeit
die Mitgefühlslosigkeit
die Kälte
das Konsumieren
den Materialismus
das besser, schneller, weiter, höher
Für all das bin ich nicht mehr offen.

Freitag, 15. September 2023

Was man so sagt





Man sagt, verletzte Menschen verletzen Menschen.
Man sagt, wer nie geliebt wurde, kann nicht lieben.
Es ist so und es ist nicht so.
Es ist wahr und es ist nicht wahr.

Nicht alle Menschen, die Verletzungen haben, verletzen andere.
Verletzt zu sein, ist auch keine Entschuldigung dafür, dass Menschen Menschen verletzen.
Manche verletzten Menschen, heilen verletzte Menschen.
Manche Menschen, die nie geliebt wurden, können nicht lieben. Andere, die nie geliebt wurden, sind voller Liebe und verschenken sie.


Wir müssen raus aus dem Schwarz-Weiß Denken. Wir brauchen neues Denken, frei von Absolutismen.



Donnerstag, 14. September 2023

Kontrolle

 
                                                                  Foto: A.Wende
 
 
Das Bedürfnis zu Kontrollieren ist menschlich. Es erwächst aus dem Wunsch nach Sicherheit, Stabilität und Selbstbestimmung. Kontrolle soll uns vor der Bodenlosigkeit des Lebens bewahren, sie soll uns schützen vor dem Unerwartbaren. Haben wir die Dinge unter Kontrolle, fühlen wir uns sicher, geborgen und stabil. Aber wehe das äußere Gerüst, das unserem Leben Halt gibt, wackelt. Wehe es bricht zusammen. Dann kommen wir aus dem Gleichgewicht.
Wir bekommen es mit der Angst zu tun.
Also versuchen wir weiter die Kontrolle zu behalten, um mit unserer eigenen Furcht irgendwie umzugehen. Wir versuchen krampfhaft festzuhalten, was wir nicht loslassen wollen, auch wenn wir spüren, dass das, was wir festhalten, uns längst verlassen hat, uns nicht mehr dient, uns vielleicht sogar schmerzt.
 
Je größer die Angst, desto mehr kontrollieren wir.
Je mehr wir kontrollieren, desto mehr Angst bekommen wir. 
 
Wer alles und jeden kontrollieren will, wer alles im Griff haben will, hat Angst vor der Unberechenbarkeit des Lebens und Angst vor sich selbst. Je größer das Bedürfnis nach Kontrolle, desto größer die Angst vor dem, was sein könnte, wenn losgelassen wird. Je größer die Kontrolle, desto größer die Angst, dass das sorgfältig arrangierte Lebenskonstrukt zerstört werden könnte.
Wenn wir bereit sind die Kontrolle aufzugeben und die damit verbundene Angst anzuschauen, wenn wir bereit sind uns selbst ehrlich zu begegnen, wenn wir das Risiko eingehen all unsere Gefühle auszuhalten, wenn wir bereit sind die Illusionen, Selbstlügen und Täuschungen, denen wir anhaften, zu ent-täuschen, begegnen wir der Wahrheit und damit der Erkenntnis: Die einzige Person, die wir jemals im Griff haben können, sind wir selbst, und auch das nur bedingt. 
 
Nichts im Leben ist von Dauer. Was gehen will geht.
Wir können nichts festhalten.
Je mehr wir festhalten, je mehr wir kontrollieren, desto mehr leiden wir.
Alles ist in stetiger Veränderung.
Alles ist vergänglich. Alles geht vorüber.
Können wir das akzeptieren, wachsen wir.

Mittwoch, 13. September 2023

Selbstverliebtheit versus Selbstliebe

 
 
                                                   Zeichnung: A.Wende
 
 
Selbstverliebtheit
ist Ichbezogenheit, Selbstzentrierung, Egozentrik, Egoismus, Egomanie, in ausgeprägter Form Narzissmus, der anderen schadet.
Der selbstverliebte Mensch hält sich für besser als andere und stellt sich und seine Bedürfnisse über andere.
Er nimmt keine Rücksicht und braucht und benutzt andere für seine Zwecke.
Er besitzt kaum oder keine Empathie und kein Mitgefühl.
Im Zentrum der Selbstverliebtheit stehen das Begehren, die Anhaftung, das Haben-Wollen, die Gier, der Neid.
Der Selbstverliebte braucht ständig andere, die ihm seinen Wert spiegeln. Er giert nach Bewunderung und Bestätigung.
Er kann, trotz der Abhängigkeit von anderen, nur schwer emotionale Verbundenheit mit anderen aufbauen, keine echte Nähe herstellen und sie nicht halten.
Er hat keine Verbindung zu seinem Inneren Kind.
Selbstverliebtheit ist im Mangelbewusstsein. Das Herz ist verschlossen für sich selbst und andere. Sie richtet sich ins außen und bezieht ihre Energie von außen.
Selbstverliebtheit sagt: „Ich, ich, ich.“
 
Selbstliebe
bedeutet sich selbst anzunehmen wie man in seiner Ganzheit ist, den eigenen Wert zu kennen, sich seiner selbst bewusst sein und sich selbst zu vertrauen.
Wer sich selbst liebt, ist nicht abhängig von der Wertschätzung, Anerkennung und Zuneigung anderer um sich als liebenswert zu empfinden.
Er benutzt andere nicht um sich besser zu fühlen.
Er vergleicht sich nicht mit anderen.
Er kann gut für sich selbst sorgen und ist sein bester Freund.
Er achtet und respektiert sich selbst.
Er ist sich selbst und seinen Werten treu.
Er kennt seine Grenzen und kann sich auf angemesse Weise abgrenzen, wenn es nötig ist.
Er ist authentisch, was heißt, dass seine Gedanken, Gefühle und Handlungen übereinstimmen.
Er hat Selbstmitgefühl und fühlt sich geborgen in sich selbst.
Er besitzt emotionale Stabilität und weiß, was ihn von Innen hält.
Er hat eine liebevolle Verbundenheit mit seinem Inneren Kind.
Selbstliebe bedeutet nicht, wie viele meinen, dass wir niemand brauchen, sondern, dass wir auch allein gut zurechtkommen, wenn da niemand ist, der unsere Bedürfnisse erfüllt.
Wir sind nicht im ungesunden Mangelbewusstsein.
Selbstliebe kommt von Innen und richtet sich nach Innen. Sie schadet keinem. Sie hat ein offenes Herz für sich selbst und für andere.
Wer sich selbst Empathie, Mitgefühl und liebende Güte entgegenbringt wird dies auch anderen gegenüber empfinden.
Wie Innen so außen.
Selbstliebe sagt: "Ich, du, wir."

Sonntag, 10. September 2023

Klare Sicht

 

                                                                  Foto: A.Wende


Seit ich meine Umwelt verschwommen sehe, sehe ich Einiges klarer. Klingt pardox, ist es aber nicht. Ich achte viel bewusster auf meine Schritte, wenn ich mich bewege, um nicht zu stolpern und zu fallen. Ich mache vieles langsamer und schaue genauer hin um etwas zu erkennen, Innen wie Außen. Ich erkenne Blender noch schneller als zuvor, weil ihr grelles Licht in meinen Augen schmerzt. Ich erkenne klar, wer es gut mit mir meint, wer mich wertschätzt, wer sich wirklich für mich als Mensch interessiert, mich fragt wie es mir geht und mir nicht nur seins überkippt, weil ich so gut zuhören kann.
Ich sehe Einiges, was ich bisher übersehen habe.
Menschen, die nah sind, mir gewogen sind und denen ich nicht die Aufmerksamkeit geschenkt habe, die ich hätte schenken können. Dinge, die ich mir nicht erlaubt habe oder dachte, dazu fehlt mir die Zeit, wie tanzen, gestern im Staatstheater im Balettworkshop. Ich bin dankbar für jeden Moment in dem ich Schönheit sehen darf und Gutes erfahre. Ich erkenne klar, wann ich Ruhe brauche und gönne sie mir und meinen gestressten Augen. Mir wird klarer, was ich will und was ich nicht mehr will.
Ich sehe zwar noch verschwommen, aber ich bin um vieles achtsamer und klarer. Klare Sicht kommt auch und besonders von Innen. Das wusste ich die ganze Zeit, aber jetzt erlebe und fühle ich es. Und das macht den Unterschied.

Freitag, 8. September 2023

AugenTrost

 



Seit einigen Tagen sah ich plötzlich alles verschwommen. Die verschwommene Sicht nahm täglich zu. Kein Gegenstand, kein Wort, das ich schrieb oder las, kein Gesicht in das sich sah, kein Baum in der Ferne war klar und umrissen. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Ich begann zu katastrophieren. Keine Gelassenheit, kein Wegatmen, kein mich selbst Beruhigen, half.
Das Verschwommensehen war bedrohlich.
Werde ich blind? Kündigt sich vielleicht ein Schlaganfall an?
Ich bin nicht mehr die Jüngste. Warum sollte mich keine Krankheit treffen, plötzlich, aus heiterem Himmel, wie es in letzter Zeit so viele trifft, die ich kenne.
Ich fuhr also in die Notaufnahme um meinen Zustand untersuchen zu lassen. An der Rezeption der Augenklinik angekommen, sagte ich, aufgelöst: "Ich glaube ich werde blind." Ich hatte mich in meine Angst hineingesteigert. Von Ruhe und Gelassenheit, keine Spur mehr. "Sie werden nicht blind", lachte die freundliche junge Frau, die meine Personalien aufnahm. "Woher wollen Sie das wissen?", fragte ich. "Ich weiß es einfach", lächelte sie.
Es dauerte nicht lange bis die Untersuchungen begannen.
Plötzlich brach es aus mir heraus. Ich weinte. Da stand dieser Mensch, der meine Augen untersuchte, auf, öffnete seine Arme und sagte: "Kommen sie mal her." Er nahm er mich sanft in seine Arme und hielt mich eine Weile. Ohne Worte standen wir da. Eine lange Weile. Und ich wurde ganz ruhig.
Dieser Mensch hat mich berührt. Tief berührt. Er gab mir etwas, was man selten findet: Trost.
Danke dafür, lieber Mensch!
Und nein, ich werde nicht blind. Gott sei gedankt. Ich sehe zu viel, zu viel Unheilsames. Meine Augen sind sehr müde.
 
"The highest revelation is that God is in every man."
Ralph Waldo Emerson

Dienstag, 5. September 2023

Schatten

 

                                                                                    Foto: A.Wende

 
Wir holen die Erinnerungen hervor
polieren sie wie Silber
bis sie hell glänzen
Leben in der Vergangenheit
deren Glanz
unser Jetzt überschattet.

Montag, 4. September 2023

Schönheit


 

Die Schönheit der Dinge, die Schönheit einer Begegnung, eines Lächelns, einer Blume, die Schönheit eines Musikstückes, eines Kunstwerkes, die Schönheit der Seele eines Menschen, berührt mich. 

Schönheit sehen und sie empfinden schenkt mir Trost, Kraft und Zuversicht, auch und besonders in Zeiten wie diesen. 

Schönheit tröstet mich, sie lässt mich das Unschöne in einem weniger dunklen Licht sehen. 

Schönheit bringt Licht in die Dunkelheit. 

Sie erhellt mein Herz und meine Seele und sie nährt meinen Glauben an das Gute und das Wahre. 

Im Guten und Wahren liegt der Schönheit Urgrund. 

Aus dem Guten und dem Wahren wird Schönheit geboren. 

Nichts, was gut und wahr ist, ist jemals unschön.

Freitag, 1. September 2023

Die innere Quelle

 



Ohne sauberes Wasser können wir nicht überleben.
Sauberes Wasser kommt aus einer sauberen Quelle und aus einem sauberen Brunnen. So wie das Wasser eine Quelle hat, besitzen auch wir eine innere Quelle aus der wir schöpfen. Ist unsere innere Quelle verschmutzt, ist unser Brunnen verschmutzt. Das manifestiert sich auch in der äußeren Welt. Sind unsere Gedanken unklar, dysfunktional und ständig negativ, manifestiert sich das in unserem Leben, in unseren Beziehungen, in unserer emotionalen Gestimmtheit, in unserem Körpergefühl, in unseren Verhalten und in unseren Handlungen.
Daher ist es wichtig, sich immer wieder zu reflektieren.
Wir könnten uns fragen:
Klares Wasser oder eine schmutzige Brühe? Wie sieht meine innere Quelle aus?
Worauf richtet sich meine Aufmerksamkeit? Auf Klarheit oder Schmutz?
 
Unsere Gedanken und unsere Gefühle formen unseren Charakter.  
Unser Handeln entscheidet darüber, was wir aus unserem Leben machen. Daher sollten wir gewahr sein, worauf wir uns konzentrieren. Wenn wir uns auf den Schmutz konzentrieren, verlieren wir den Sinn für das Gute, das Wahre und das Schöne. Damit verlieren wir den Sinn unserer Existenz und lassen Unheilsames in unser Leben.
 
Die Kultivierung unserer inneren Quelle ist daher von großer Bedeutung für unser Leben.
Nach dem Prinzip von Ursache und Wirkung, gehen wir in der äußeren Welt mit dem in Resonanz, was unserer inneren Quelle entspricht. Beim Betrachten der anderen werden wir das sehen, was unserer inneren Wahrheit entspricht. Sie wird sich in unserer äußeren Welt zeigen, in dem, was wir erleben und erfahren und in den Menschen, denen wir begegnen und mit denen wir zu tun haben. Wir sollten uns also auf reine, klare Gedanken konzentrieren um Heilsames in unsere Welt einzuladen und zu erschaffen und um das das Unheilsame zu vermeiden. 
 
Nur gesunde Werte führen zu einem gesunden Leben.
Dazu gehört auch, dass wir Dankbarkeit praktizieren, unnötiges Vergleichen, Neid und Missgunst vermeiden und aufhören Verhalten bei anderen als negativ wahrzunehmen und zu verurteilen, bevor wir nicht unser eigenes Verhalten und unsere eigene Fehlbarkeit erforscht und erkannt haben. Zu einem gesunden Leben gehören Selbstdisziplin und Selbstbeherrschung um uns von unheilsamen und zerstörerischen Trieben zu befreien. Wer machtlos seinen Trieben, Süchten und Lüsten folgt ist nicht frei. Er ist in der Gier verstrickt und Sklave seiner Triebe. Wir sollten uns darauf konzentrieren, gesunde Werte in unserem Innern zu stärken und nach ihnen leben. Gesundes Leben bedeutet, dass wir uns um die drei Bereiche Körper, Geist und Seele gleichermaßen kümmern.
Tun wir das nicht, wird unsere innere Quelle zu Schlamm. Zufriedenheit, innerer Frieden, Freude und Glück werden so nicht folgen.