Donnerstag, 30. September 2021

Entfremdung


                                                                  Foto: A.Wende

Schon immer wurden Beziehungen zu Menschen, die unseren Erwartungen nicht gerecht werden und deren Ansichten und Lebensweise nicht in unser Weltbild passen, stillschweigend beendet oder auf Eis gelegt, ohne dass ein echter Abschied stattfindet. Der Rückzug ins Eigene wird angetreten und der andere weiß gar nicht, warum wir uns zurückziehen und meistens fragt er auch nicht. Eine stille Übereinkunft zwischen Menschen, die sich nicht trauen zu sagen und sich nicht trauen zu fragen.
Mir scheint die Pandemie hat diese Art von Rückzug verstärkt.
 
Viele Menschen ziehen sich zurück. 
In die kleine Zelle der Beziehung, in das kleine Feld der Familie oder in sich selbst, wenn sie allein sind. Offen bleiben, zugewandt bleiben, neugierig bleiben, empathisch sein, hilfsbereit sein, auch wenn es nicht der direkte Nächste ist, Interesse zeigen am anderen, gelingt vielen nicht mehr in diesem neuen Normal, das so unnormal ist, das ein normaler Mensch damit nicht klar kommt. In einer abnormalen Situation ist eine abnormale Reaktion das normale Verhalten. Ein Mensch, je normaler er ist, desto abnormaler wird er auf die Tatsache reagieren, dass er in die abnorme Situation geraten ist. 
 
Wir alle sind in eine abnorme Situation geraten und wir alle sind auf gewisse Weise traumatisiert. Die wenigsten aber sind sich dessen bewusst. Sie entwickeln unbewusst Überlebensstrategien, die alles, was das eigene Wohlbefinden gefühlt bedroht, vermeiden. Sie haben aufgehört sich für andere, die nicht zum engsten Kreis gehören, zu interessieren. 
 
Ausschluss statt Einschluss.
Menschen verpuppen sich in das, was ihnen noch sicher und kontrollierbar erscheint, halten es fest und verschließen sich dem Außen. Sie öffnen sich nichts und niemanden, was diese scheinbare Sicherheit ins Wanken bringen könnte. Da war zu viel Bedrohung, da ist zu viel Bedrohung. Immer noch ist die Welt da draußen unsicheres Gebiet. Und alles was die kleinste Unsicherheit bedeuten könnte, wird abgewehrt. 
 
Viele haben verlernt den anderen zu sehen.
Sie sehen nicht mehr über den eigenen Tellerrand hinaus. Das Sichtfeld ist eingeschränkt vom Ego, dass sich ängstlich nur noch um sich selbst dreht.
Mitmenschlichkeit hat eine neue Bedeutung bekommen.
Mitmensch ist nur der, der direkt neben uns ist, den wir brauchen, um emotional zu überleben. Die anderen sind uns gleichgültig. In dieser neuen Gleichgültigkeit zählen nur noch die eigenen Interessen und dass es uns gut geht, so gut es uns gehen kann in diesen unguten Zeiten. 
 
Trennung wohin man sieht.
Trennung nicht nur vom für uns unbedeutenden Nächsten, Trennung von allem und jedem, was dem egozentrischen Motiv „Ich bin mir selbst der Nächste“ im Wege steht.
Wir alle sind auf uns allein gestellt. Das ist nichts Neues. Aber nie war es so fühlbar wie heute. Nie war die Fiktion eines menschlichen Miteinanders so zerbröselt wie heute. Nie haben Menschen andere Menschen so radikal ausgeschlossen wie heute. Nie wurde Narzissmus so offen und unverdeckt gelebt wie heute.
 
Die Pandemie wird diesen Narzissmus weiter füttern.
Aus der Anfangs gebotenen Distanz zum Selbstschutz ist ein Dauerzustand geworden. Eine Distanz, die unweigerlich, gelingt es uns nicht sie aufzuweichen, in die totale Entfremdung des Menschen vom Menschen und damit - und das ist der springende Punkt: zur Entfremdung des Menschen von sich selbst führt.

Mittwoch, 29. September 2021

Sorgsam mit uns selbst umgehen

 


 
Was müssen wir tun um sorgsam mit uns selbst umzugehn?
Wir müssen hören, was unsere innere Stimme immer wieder zu uns sagt.
Was macht dich wütend?
Was macht dich traurig?
Was erscheint dir als falsch?
Wodurch und mit wem fühlst du dich unwohl?
Wobei und mit wem fühlst du dich wohl?
Was kannst du nicht mehr ertragen?
Welche Bemühungen sind vergeblich?
Was zieht dir Energie ab?
Was schenkt dir Energie?
Was brauchst du?
Und was brauchst du nicht?
Was hast du gründlich satt?
Was vergiftet deine Seele und dein Leben?
Was wirft dich immer wieder aus der Balance?
Was oder wer stört deinen Frieden?
Was macht dich zufrieden?
Was macht dich unglücklich?
Was macht dich glücklich? 
 
Indem wir lernen auf unsere innere Simme zu hören, wächst unser Vertrauen in uns selbst. Wir beginnen uns selbst mehr zu achten. Wir achten auf uns selbst. Wir sind uns klarer über uns selbst. Wir behandeln uns selbst besser. Wir lassen uns nicht mehr zu etwas machen, was wir nicht sein wollen. Wir lassen die Finger von dem, was Gift für uns ist.
Wir gesunden im sorgsamen Umgang mit uns selbst.

Dienstag, 28. September 2021

Probleme und Lösungen

 

                                                                  Foto: www


Manche Probleme sind vermeidbar. Manche Krisen sind vermeidbar. Manche Probleme sieht man kommen. Manche Krisen sieht man kommen. Andere Probleme und Krisen überfallen uns.
Manche Probleme bleiben uns.
Der Gedanke, dass es ein problemloses, krisenfreies Leben geben könnte, sollte uns nicht erstaunen. Der Gedanke, dass es ein problemloses, krisenfreies Leben geben sollte, schon.
Probleme gehören einfach zum Leben. Und doch ist da bei vielen Menschen dieser Anspruch auf Problemlosigkeit und dauertüchtiges Glück, was sie dann auch noch vom Außen erwarten.
„Das Leben soll dafür sorgen, dass es mir gut geht. Es soll mich glücklich machen, er, du, es, sie, soll mich glücklich machen.“
Manche von uns verschwenden mehr Zeit darauf, sich damit zu beschäftigen, warum sie ein Problem haben, anstatt es zu lösen. Sie beklagen und sie bemitleiden sich. Sie fragen sich: Warum passiert mir das? Warum ist das Leben so ungerecht zu mir? Das ist so gemein, immer trifft es mich. Anstatt sich nur ein einziges Mal zu fragen: Warum nicht mich?
Und so drehen sie sich weiter um ihr Problem, versuchen zu ergründen, warum es ist wie es ist und nichts ändert sich, außer, dass das Problem immer weiter wächst und sogar neue dazukommen und damit wachsen Frust und Unzufriedenheit.
 
Die gute Nachricht ist: Probleme sind da, um sie zu lösen!
Sie sind eine Herausforderung.
Für jedes Problem gibt es eine Lösung.
Nur passen tut sie manchen von uns nicht.
Immer soll es die perfekte Lösung sein, am Besten noch das Wunder, das über Nacht geschieht und alles ist wunderbar. Es gibt eine Lösung für jedes Problem.
Nur, wenn wir nicht bereit sind die Lösung anzuerkennen und anzunehmen, die für uns in diesem Moment in der Zeit möglich und hilfreich ist, sind wir auf verlorenem Posten.
 
Accept it
Leave it
or change it
Klingt einfach. Ist es aber nicht.
Besonders Akzeptanz fällt den meisten von uns schwer. Einfach mal zu akzeptieren, was ist, auch wenn es nicht perfekt ist, auch wenn es schwierig ist oder vielleicht sogar schmerzhaft. Es muss weggemacht werden, und wenn das nicht gleich klappt, werden wir wütend auf uns selbst oder die, die es wegmachen sollen. Es wird gezerrt an sich selbst, es wird Druck ausgeübt auf sich selbst und andere, nur weil es nicht gelingt einfach einmal auszuhalten, dass es jetzt genauso ist, wie es ist.
Anstrengend ist das und nicht hilfreich.
 
Manchmal ist die Lösung unseres Problems damit verbunden, etwas sein zu lassen oder etwas loszulassen. Das heißt, eine Situation zu verlassen, die nicht lösbar ist. Zum Beispiel eine toxische Beziehung, einen Job, der uns fertig macht, eine destruktive Überzeugung, die uns immer wieder in die Falle laufen lässt, eine Idee, die sich partout nicht realisieren lässt oder das Selbstbild, das wir uns zurechtgelegt haben und das uns in Wahrheit überhaupt nicht entspricht.
Manchmal liegt es allein an uns selbst das Problem zu lösen, indem wir beispielsweise unsere Glaubenssätze, unsere Selbstgerechtigkeit und unsere Vorstellung davon wie alles zu sein hat, überprüfen und relativieren. Oder indem wir uns der Herausforderung stellen, unseren Ängsten und Süchten zu begegnen und alles Nötige dafür tun, was hilfreich ist um zu heilen und anstatt eine schnelle Lösung zu erwarten, damit beginnen Demut und Geduld zu üben - mit uns selbst, unserer Angst oder unserer Sucht. 
 
Mal ehrlich, wer glaubt denn wirklich, was seit Jahrzehnten besteht und seit einer gefühlten Ewigkeit unheilsam ist, in ein paar Wochen oder Monaten auflösen zu können?
Und manchmal gehört das Problem einfach zum Leben.
Es ist einfach da. Dann dürfen wir lernen, dieses Problem als Bestandteil unseres Lebens anzunehmen. Und uns nicht von unserem Problem zum Opfer machen zu lassen, indem wir glauben, es will uns Böses. Wir können lernen uns mit der Lösung zu beschäftigen, statt mit dem Problem, wir können lernen auf Lösungen zu vertrauen.
Manche Probleme lösen sich sogar von selbst, man darf sie nur nicht dabei stören.

Donnerstag, 23. September 2021

Rückzug

 

                                                             Malerei: A.Wende

 
Um uns selbst zu schützen, machen wir manchmal dicht. Wir verschließen uns sogar Menschen gegenüber, die uns viel bedeuten. Wir ziehen uns emotional zurück. Das geschieht oft dann, wenn der andere uns auf uns selbst und unsere Schatten zurückwirft. Auf Gefühle, die wir nicht haben und vermeiden wollen. Wir schützen uns, indem wir uns nicht weiter einlassen und die Beziehung vorrübergehend oder sogar ganz verlassen.
Manchmal ist das angemessen oder sogar gesund. Jeder von uns muss seine Grenzen schützen, jeder von uns braucht seinen unantastbaren eigenen Raum und jeder von uns hat ein Recht auf Rückzug, wenn es uns zu viel wird. Es ist gesund bisweilen auf Distanz zu gehen, wenn uns die Nähe zu viel wird oder seelisch zu sehr belastet.
 
Aber ein Rückzug kann auch eine unheilsame Wirkung haben.
Dann nämlich, wenn wir nicht mehr fähig sind aus unserer eigenen Realität auszusteigen, wenn wir nicht mehr offen sind für die Menschen, die anders fühlen, denken und leben als wir. Dann können wertvolle Beziehungen, an denen wir wachsen könnten, in die Brüche gehen. Der andere hat keine Chance mehr an uns heranzukommen, unser Rückzug ins Eigene macht uns unerreichbar. 
 
Bevor wir uns aus einer Beziehung zurückziehen, könnten wir uns fragen: Was will ich damit  erreichen?
Will ich mich schützen um meine Komfortzone nicht verlassen zu müssen?
Will ich in meiner Wahrnehmung der Welt, wie ich sie sehe, nicht irritiert werden?
Will ich mich verschließen, um nicht wachsen zu müssen?
Ziehe ich mich zurück, weil ich meine Angst vor Konflikten vermeiden will?
Ziehe ich mich zurück, weil wir geteilter Meinung sind?
Ziehe ich mich zurück, um das Gefühl im Recht zu sein, haben zu können?
Ziehe ich mich zurück, weil ich den anderen nicht mehr verstehe und mich nicht verstanden fühle?
Ziehe ich mich zurück,weil ich mich verletzt fühle und mich nicht traue es auszusprechen?
Oder ziehe ich mich zurück, weil der andere nicht mehr meinen Weg mitgeht, weil er irgendwann abgebogen ist, in eine Richtung, die meinen Werten nicht mehr entspricht?
Weil er mich unter Druck setzt?
Weil ich mein Vertrauen in diesen Menschen verloren habe?
Weil er nicht loyal ist?
 
Ziehe ich mich zurück, um meine Seele zu schützen?
Weil der andere emotional nicht mehr präsent und nicht mehr erreichbar ist?
Weil er es nicht ehrlich mit mir meint, weil er mich benutzt, belügt, manipuliert, abwertet, schlecht behandelt oder durch seine unheilsame und zerstörerische Lebensweise mit in das Unheilsame zieht? 
 
Sich zurückziehen hat viele Gründe. Und jeder Rückzug hat Folgen. Für uns selbst und für den Menschen, von dem wir uns abwenden. Darum ist es wichtig behutsam, achtsam und verantwortungsvoll zu sein und uns bewusst zu machen, warum wir einen radikalen Schlussstrich ziehen und eine Beziehung beenden.

Dienstag, 21. September 2021

Was können wir für den Frieden in der Welt tun

 



Spaltung, Trennung, Aufruhr, Unfrieden unter den Menschen wohin man sieht. Das reicht hinein bis in die Familien, selbst in jene, die bisher in Harmonie miteinander lebten. Mehr denn je gehen Meinungen auseinander, existentielle Bedürfnisse kollidieren, nicht einmal über Zahlen und Fakten herrscht Einigkeit. Es ist schwer geworden, aufeinander zuzugehen und ganz leicht, einander anzugreifen und zu verurteilen. 
 
Statt Frieden herrscht Unfrieden – außen wir innen. Der äußere Unfrieden erfasst unser Inneres, denn jeder von uns ist in Teil des Ganzen und damit unabdingbar mit allem verbunden.
Wenn wir unseren inneren Unfrieden besänftigen wollen, dann bleibt uns nichts anderes übrig als hinzuschauen. Hinzuschauen auf den Teil in uns, der Unfrieden fühlt und dazu beiträgt, dass er wächst. Das ist mühsam, das bedeutet die Bereitschaft zu haben, unsere Schatten sehen und akzeptieren zu wollen, aber es ist der einzige Weg um die Trennung aufzulösen und in Verbindung und Frieden zu kommen – zunächst mit uns selbst.
 
Frieden ist eine innere Verfassung, die wir nicht delegieren können, ein Zustand, der in uns selbst beginnt und sich dann erst in unser Umfeld ausbreiten kann. Innerer Frieden und innere Verbundenheit führen zu äußerer Harmonie. Da können wir ansetzen.
Um Frieden nach außen zu tragen, dürfen wir uns also zuerst um unseren inneren Frieden kümmern. Und zwar indem wir uns an den Ort begeben, an dem jeder Krieg beginnt - unser eigenes Inneres.
Das ist leichter gesagt als getan. Auch mir gelingt das nicht in dem Maße wie ich es mir wünsche. Ruhe und Frieden in einer Zeit zu finden, die so ruhelos, so anstrengend, so befremdlich, so beängstigend ist, in der eine Entwicklung stattfindet, die wir uns so niemals hätten vorstellen können, ist wahrlich eine Kunst. Sie zu leben erfordert viel Bereitschaft und einen starken Willen. 
Mich selbst befrieden um friedlich zu anderen zu sein, das ist die Herausforderung, die ich mir jeden Tag stelle. Das erfordert einen ruhigen Geist. Das erfordert die Anstrengung emotionale und geistige Stabilität inmitten des Chaos zu behalten um unsere Aufgaben trotz der anhaltenden „äußeren Unruhe“ und der „inneren Unruhe“ weiterhin hinreichend gut bewältigen zu können.
 
Unsere Frustrationstoleranz wird geprüft. Jeden Tag aufs Neue.
Umso mehr gilt es jetzt, sich um Verständnis, um Empathie, Akzeptanz und Frieden zu bemühen – für uns selbst und andere, denn letztlich versucht jeder auf seine Weise, sich in dieser unheilsamen Welt zurechtzufinden und sein Leben zu meistern. 
 
Versuchen wir den Menschen hinter seiner Haltung zu erkennen. Reden wir miteinander um einander zu verstehen.
Friedlich.
In einer Zeit, in der Angst geschürt und Feindbilder geprägt werden, ist es mehr denn je notwendig, sich in Erinnerung zu rufen: Was für ein Mensch will ich sein?
Und: Will ich Krieg oder Frieden?

Samstag, 18. September 2021

So bin ich halt. Ich kann nicht anders, weil ich halt so bin.

 

                                                                Zeichnung: A. Wende

 
"So bin ich halt. Ich kann nicht anders, weil ich halt so bin."
Solche Sätze haben einen wahren Kern. Aber sie sind nur die halbe Wahrheit über dieses ICH.
Ein Ich ist nicht nur eine Person mit einer Veranlagung, ein Ich ist ein komplexer Organismus, ein psychischer und seelischer Apparat zu dem auch eine geistige Person gehört, eine Person nämlich, die sich entscheiden kann und die verantwortlich für ihre Entscheidungen ist.
 
"Ich kann nicht anders", das klingt als hätten wir nicht die Freiheit, Dinge zu tun, die wir willentlich entscheiden, die wir als wahr, gut, sinnvoll, heilsam und vernünftig empfinden, weil wir halt so sind und uns von den inneren, unkontrollierten Impulsen, Launen, Gewohnheiten, Süchten, Glaubensmustern und Überzeugungen über dieses Ich leiten und dominieren lassen müssen. 
 
Je unfreier wir innerlich sind, umso leichter ist es unsere Freiheit von außen zu beschränken. Umso leichter geraten wir unter den Einflussbereich von Manipulationen und in Abhängikeit.
Das unfreie Ich, das meint über Entscheidungs- und Handlunsgfreiheit nicht verfügen zu können, wird sich den Außenbedingungen ebenso widerstandslos anpassen wie den eigenen Innenbedingungen.
Wie Innen so Außen. 
 
Freiheit wird vollzogen indem wir sie wahrnehmen, nutzen und verwirklichen. Das macht einen geistig wachen und klaren Menschen aus – er nutzt die Freiheit der Entscheidung über sich selbst, sein Denken, sein Fühlen, sein Verhalten und sein Handeln. Erkennt er seine Freiheit nicht, ist er von inneren und äußeren Zuständen abhängig und damit unfrei, im Glauben „nicht anders zu können“. 
 
Freiheit bedeutet: Ich kann auch anders!
Denn nicht auf die Stärke der Veranlagung kommt es an, sondern auf die Bereitschaft Anlagen zu erkennen und zu verändern, falls sie zu nichts Gutem führen und unser Leben und das unserer Mitmenschen, erschweren oder sogar vergiften.

Dienstag, 14. September 2021

Vertrauen in dich selbst

 



Ein wichtige Frage ist: Wem vertraust du?
Und warum?
Eine noch wichtigere Frage ist: Vertraust du dir selbst?
 
Manche von uns glauben, wir können uns selbst nicht vertrauen, weil mit uns etwas nicht stimmt. Weil wir Fehler machen, weil wir nicht gut genug sind, weil wir nicht stabil genug sind, weil wir nicht erreichen, was wir uns wünschen, weil wir keinen haben, der mit uns durchs Leben geht, weil wir immer wieder an unseren Ängsten und Neurosen scheitern, immer wieder in die gleichen Fallen tappen, weil wir psychisch angeschlagen sind, weil wir unglücklich sind oder was auch immer wir an Ungutem wir über uns denken. Wir haben Scham-und Schuldgefühle, weil wir nicht souverän, selbstsicher, glücklich und in allen Lebenslagen erfolgreich sind und dann glauben wir noch weniger an uns selbst.
 
Es gibt Menschen, die das ausnutzen, wenn sie spüren, dass wir kein Vertrauen zu uns haben. Wenn uns das Vertrauen in uns selbst fehlt, sind wir im Tiefsten allein und unsicher – uns selbst, anderen und dem Leben gegenüber. Wir wackeln, sobald man uns angreift, wir glauben, was andere uns über uns sagen, wir lassen uns aus der Mitte bringen. Wir sind leicht zu verunsichern, emotional ausbeutbar und manipulierbar. Ohne Selbstvertrauen sind wir die Marionetten anderer, die mit genau den unheilsamen Überzeugen spielen, von denen wir glauben, sie sind der Grund dafür, dass wir uns nicht vertrauen können.
 
Ohne Vertrauen in uns selbst sind wir bodenlos.
Angst, Zweifel und Verwirrung sind unsere Begleiter.
Vertrauen in uns selbst ist ein Geschenk, das wir uns selbst machen.
 
Wie machen wir das?
Wir lernen es und wir üben es.
Wir akzeptieren uns so wie wir sind, mit all unseren Macken und Fehlern. Wir wissen, wir arbeiten an uns. Und schenken uns weiter Vertrauen. Denn nur wir allein wissen, was wir fühlen, was wir brauchen, was gut für uns ist und was nicht.
Wenn wir uns irren, wenn wir Fehler machen, wenn wir scheitern, versuchen wir zu korrigieren, was möglich ist. Wir akzeptieren unsere Fehler als Erfahrungen, aus denen wir lernen dürfen und schenken uns weiter Vertrauen. Wir können darauf vertrauen, dass wir unserer eigenen Wahrheit vertrauen können.
Wenn wir uns selbst vertrauen, sind wir sicher in uns selbst und aufgehoben.
Wenn wir uns selbst vertrauen, wissen wir wann wir Unterstützung brauchen und holen sie uns.
Wenn wir uns selbst vertrauen, übernehmen wir dir die Kontrolle über unser Leben und finden Lösungen, anstatt Energie für Entschuldigungen, Selbstbeschuldigungen und Rechtfertigungen zu verschwenden.
Wenn wir in uns selbst vertrauen wissen wir: Niemand ist perfekt und wir müssen es auch nicht sein.
Wenn wir uns selbst vertrauen, vergleichen wir uns nicht mit anderen.
Wenn wir uns selbst vertrauen, wissen wir um unser Warum und was uns wichtig ist. Wir sind uns selbst und unseren Werten treu und leben sie.
Wenn wir uns selbst vertrauen, gestehen wir uns unsere Wünsche, Sehnsüchte und Bedürfnisse ein und sprechen sie aus.
Wenn wir uns selbst vertrauen, laufen wir keinem hinterher, dem wir nicht wichtig sind. Wir verbiegen uns nicht, nur um anerkannt und geliebt zu werden.
Wenn wir uns selbst vertrauen, lassen wir uns nicht unter Druck setzen und nicht unterdrücken.
Wenn wir uns selbst vertrauen, lassen wir von allem, was toxisch für uns ist.
Wenn wir uns selbst vertrauen, lassen wir uns nicht von unserer Angst daran hindern, unser „bestes Selbst“ zu werden. Egal wie lange es dauert.

Samstag, 11. September 2021

Von Leid sprechen

 



Der Begriff Leid umfasst alles, was uns Menschen körperlich und seelisch belastet. Neben Gründen wie Trennung, Verlust, Kummer, Schmerz, Trauer, Angst und Krankheit, Sterben und Tod, entsteht das Gefühl von Leid immer dann, wenn dem Menschen etwas zu seiner Bedürfniserfüllung fehlt und wenn Lebensentwürfe nicht in Erfüllung gehen. 
 
Als Leid empfinden wir insbesondere:
1. Alter, Krankheit, Einsamkeit und Schmerzen
2. die Nichterfüllung von Bedürfnissen und Erwartungen
3. der Verlust von nahestehenden Menschen
4. die Trennung von sozialen Gruppen
5. äußere Zwänge und Begrenztheiten
 
Leid entsteht durch ein Ereignis und hat immer einen Auslöser. Leid kann uns zustoßen, es kann uns ergreifen und es kann uns von uns selbst und anderen zugefügt werden. Absichtlich oder unabsichtlich. Leid führt zu Schmerz, seelisch und/oder körperlich.
Wenn wir leiden fragen wir: Warum ich? Oder wir fragen uns: Was habe ich getan, dass mir das geschieht? Was habe ich verbrochen, was falsch gemacht, was an mir ist falsch? Warum habe ich das verdient? Bin ich vielleicht ein schlechter Mensch? Werde ich bestraft?
All diese Fragen kenne ich. Und weil ich sie kenne, weiß ich - sie helfen nicht. Weder um das Leid zu schmälern, noch um es leichter zu ertragen. Diese Fragen führen allein dazu, dass wir in den Widerstand gehen, uns selbst bemitleiden, klagen oder wüten. 
 
Wir empfinden Schmerz, den wir nicht haben wollen und nicht aushalten wollen. Wir suchen Schuldige und verteilen Schuld – an uns selbst und andere. Wir tun alles um gegen den Schmerz zu kämpfen und damit wird unser Leid noch größer.  
All das tun wir, weil wir nicht akzeptieren wollen, dass dieses Leid jetzt in unserem Leben ist. Aber es ist jetzt in unserem Leben. Und Punkt. Also können wir aufhören zu fragen und stattdessen anfangen an uns zu arbeiten und das Leid abtragen und es als Herausforderung annehmen. Klingt einfach, ist es aber nicht. Wir fühlen ihn doch, den Schmerz, den das Leid schafft. Wir können doch unsere Gefühle nicht einfach abstellen. Wir haben doch Herzrasen, Magenprobleme, Atemnot und diesen dumpfen Druck auf der Brust. Wir fühlen uns doch ohnmächtig, ängstlich, gekränkt, verletzt, erschüttert und traurig. Und wir haben doch Angst, dass wir dieses Leid nicht überstehen. Das kann man doch nicht wegmachen. Nein, das kann man nicht. Aber man kann es nicht noch schlimmer machen.
Wir können lernen diese Gefühle da sein zu lassen. Sie nicht ins Unermessliche zu steigern, indem wir sie als vernichtend bewerten und wir können lernen, sie nicht durch den inneren Widerstand unseres Egos oder unseres verletzten Inneren Kindes zu füttern und wir können lernen sie auszuhalten. Tun wir das nicht sind wir in unserem Leid untröstlich. Auch das kenne ich. Und was dann kommt ist die Verzweiflung – der schlimmste Affekt.
 
Ja, es ist schwer am Leid nicht zu verzweifeln, nicht daran zu zerbrechen. Es erfordert viel Kraft und unser Umgang damit hat viel mit unserer Persönlichkeit, unserer Biografie, unseren Traumata und unserer Sicht auf das Leben, die Menschen, die Welt und uns selbst zu tun.
Jeder von uns empfindet Leid anders, jeder bewertet Leid anders – auch wenn es von der Qualität her das selbe Leid ist. Jedes Leid ist genauso groß, wie die Schultern, die es zu tragen haben. Der eine zerbricht unter der Last, der andere wächst daran.
Können wir uns das aussuchen, ob wir zerbrechen oder wachsen?
Ja, wir können. Aber es ist verdammt schwer und es erfordert viel von uns. Sehr viel. Vor allem erfordert es unsere Bereitschaft radikal zu akzeptieren was ist. 
 
Wir können lernen, Leid als eine Grunderfahrung des menschlichen Daseins zu akzeptieren. Wir können auch lernen, uns vom Leid zu lösen. Wir können lernen das Leid als eine Herausforderung anzunehmen, die uns das Leben aufgibt.
Ich habe oft gelitten. Ich leide im Moment an der Trennung von einem geliebten Menschen, ich leide an dem, was in unserer Welt gerade an Unfassbarem geschieht und was man Menschen antut, aus reiner Willkür. Mein Schmerz ist groß. Aber ich bin bereit ihn nicht zu füttern. Ich bin bereit die Herausforderung anzunehmen, weil ich weiß, auch das ist das Leben. Ich frage mich nicht mehr: Warum?, weil ich weiß, es führt mich nirgendwohin. Ich weiß, Leid gehört zur Entwicklung des Menschen und damit auch zu der meinen. Also erkenne ich an was ist, ich fange an, an dem zu arbeiten was ist, ich arbeite an mir selbst, auch wenn ich auf diesen verdammten Mist keinen Bock habe. Ich lerne und ich vertraue darauf, dass ich an diesen Herausforderungen wachsen darf. Und ich vertraue darauf, dass mich etwas trägt, das größer ist als ich. 
 
 
"Der höchste Lohn für unsere Bemühungen ist nicht das, was wir dafür bekommen, sondern das, was wir dadurch werden."
John Ruskin

Mittwoch, 8. September 2021

Apokalypse - was bedeutet das?

 



Gestern sah ich auf you tube den Beitrag einer von mir geschätzten Kollegin zum Thema „Apokalypse“. Ein tiefgründiger Beitrag, gut recherchiert, die Reflexion eines klugen, hochsensiblen Menschen, die mich beindruckt hat. Ihrer Meinung nach, und ich stimme ihr zu, ist die Corona-Pandemie ein apokalyptisches Ereignis.
Ich habe nachgedacht, mache mir an diesem Morgen weiter meine Gedanken.
 
Was ist die Apokalypse?
Die Apokalypse ist ein Buch des Neuen Testamentes und den meisten von uns unbekannt. Der Verfasser ist ein ebenso unbekannter Johannes, der dieses Buch um die Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert geschrieben hat. Die Apokalypse ist die Beschreibung einer düsteren Zukunft der Menschheit und wird gedeutet als die prophetische Vorhersage vom Ende der Welt, mit der den Menschen Angst und Schrecken eingejagt werden sollte. Sie schildert eine sehr dunkle, bedrohliche Situation der Zerstörung in beindruckend erschreckenden Bildern. Daher kommt, dass wir von einer schrecklichen Katastrophe sprechen, wenn wir von „apokalyptischen Ereignissen“ sprechen.
Befasst man sich intensiv mit dem Bibeltext, lässt man sich von der Düsterkeit der Bilder überfluten und emotional gefangen nehmen, kann man ihn so deuten, dass der Menschheit der Untergang bevorsteht. Sieht man aber über die Schreckensbilder hinaus und nimmt einen anderen Standpunkt der Betrachtung ein, ist der eigentliche Inhalt der Apokalypse die große Zukunftsverheißung, die Hoffnung macht, dass alles ein gutes Ende nimmt und dass das Göttliche siegen wird.
 
Es lässt sich nicht leugnen, dass es Veränderungen gibt, katastrophische Veränderungen. 
Wir erleben das seit zwanzig Monaten, denn eine Krise, die sehr lange anhält, wandelt sich zur Katastrophe. (Katastrophe = ein folgenschweres Unglücksereignis). Die Folgen sind spürbar, für jeden Einzelnen von uns.
Jetzt haben wir haben die Wahl.
Wir können glauben, das ist alles schrecklich und schlimm und uns von Angst und Untergangstimmung leiten lassen, aber wir können uns angesichts der Katastrophe auch fragen: Was machen wir aus dem was jetzt ist? Und: Wie gehen wir damit um?
Lassen wir uns weiter in eine apokalyptische Weltuntergangstimmung hineinziehen, die, sehen wir uns die Bilder der Coronakrise in den Medien an, immer wieder die Seuche ausrufen, gefüttert wird? Lassen wir uns in eine Dauerangst hineinreißen und immer weiter verunsichern und gar lähmen, oder halten wir fest an der Zuversicht, dass alles vorüber geht, dass nichts bleibt wie es und sich die Dinge zum Besseren wandeln?
Hinterfragen wir, prüfen wir oder glauben wir alles, was man uns erzählt? Lassen wir uns vom täglichen Schreckgespenst erschrecken, oder blicken wir ihm unerschrocken ins Gesicht, bereit das uns Mögliche zu tun um unser Seelenheil zu schützen?
Wir haben die Wahl, wir können entscheiden. Auch wenn wir das, was ist, nicht ändern können – unseren Umgang mit dem was ist, wählen wir selbst. 
 
Machen wir uns bewusst, dass die Apokalypse nicht einfach eine Katastrophe ist, sondern wie alle Katastrophen auch eine Möglichkeit der Transformation. Eine unbequeme, eine schmerzhafte zwar, aber eine Möglichkeit das zu ändern, was unheilsam war und ist, individuell und kollektiv.
Welchem Weg wollen wir folgen?
Dem derer, die uns mit Angst und Schrecken füttern oder dem derer, die uns Zuversicht und Glaube vermitteln? Den Glauben an das Gute, das letztlich siegen wird.
Wollen wir, ob der Härte der apokalyptischen Realität unser Herz verhärten oder wollen wir es öffnen, für uns selbst und unsere Mitmenschen, indem wir zusammenstehen, uns einander beistehen und uns gegenseitig unterstützen, indem wir uns Mut machen und festhalten an Glaube, Liebe und Hoffnung?
Womit fühlen wir uns besser? Was gibt uns mehr Kraft? Was ist gesund?
Apokalypse ist zwar Vernichtung, doch was vernichtet sie?
 
Die Apokalypse ist im Grunde genommen schon selbst die Überwindung. Sie vernichtet, sie überwindet das, was nicht mehr trägt, was längst zerbröselt ist, was ungut und unheilsam war. Längst ist etwas untergegangen. Und längst hat etwas Neues begonnen.
Jetzt sind wir an einem empfindlichen Punkt: Das Neue kann sich positiv utopisch entwickeln oder destruktiv dystopisch. Wir entscheiden mit. Jeder für sich, jeder von uns trägt seinen Teil dazu bei wie die Dinge sich entwickeln. Jeder von uns ist wichtig.
Der Vernichtung kann der Wandel folgen, das Heilsame. Wir entscheiden, was wir dazu beitragen - im Kleinen, denn das Kleine formiert das große Ganze.