Mittwoch, 24. Juli 2024
Aus der Praxis: Wenn das Ego stirbt
Dienstag, 23. Juli 2024
Eine kleine Geschichte über die Wahrnehmung
Montag, 22. Juli 2024
Leben
Freitag, 19. Juli 2024
Aus der Praxis: Hypervigilanz & Achtsamkeit
Foto: Pixybay
Sonntag, 14. Juli 2024
Denken
Foto: A.Wende
Unser Denken kann vollkommen absorbierend sein. Unser Verstand mit all seinen Dramen, Befürchtungen und Erwartungen kann uns wie ein Sog in tiefe Abgründe ziehen. Manchmal zieht er uns in eine Welt hinein wo es nur noch dunkel und bedrohlich ist. In eine Welt wo wir das Gefühl haben nichts mehr kontrollieren zu können, wo wir nur noch Spielball der äußeren Umstände sind, die unser Leben kompliziert und anstrengend machen.
In dieser Gedankenweltwelt des Ich-fixierten Denkens geht es fast immer um das Haben Wollen, das Behalten Wollen oder des Nicht Haben Könnens was wir meinen haben zu müssen um ein gutes Leben zu führen.
Es geht fast immer um Kontrolle, um Berechenbarkeit, um Festhalten. Je tiefer wir uns in dieses urteilende, wertende, kontrollierende Denken verstricken, desto leidvoller wird unser Leben. Wir leben unter ständigem Druck, wir leben in Angst vor der Zukunft, wir leben fremdgesteuert vom eigenen destruktiven Gedankengebäude, das wir nicht abstellen können.
Jedes Gedankengebäude wird zur Gewohnheit.
Unser Gehirn arbeitet gerne mit Mustern und Automatismen. Erfahrungen werden abgespeichert und dann in Blitzgeschwindigkeit abgerufen. Das gilt auch für unsere Gedankengewohnheiten. Sie werden mit der Zeit so selbstverständlich, dass sie kaum mehr reflektiert und hinterfragt werden. Sie werden zum Autopiloten, der das ganze Sein steuert. Je fester diese Gewohnheiten sind, desto mehr geht aus dem Blick, was wir das „Selbst“ nennen. Es verliert sich im Ich-fixierten unbewussten Denken. Wir denken wie wir denken, weil wir es schon immer so tun. Wir reagieren wie wir reagieren, weil wir es schon immer so tun. Und wir handeln wie wir handeln, weil wir es schon immer so tun. Im Autopiloten hinterfragen wir nicht mehr was wir denken, auch wenn wir uns damit kaputt denken. Darum ist es so wichtig immer wieder in die Stille zu gehen und inne zu halten um unser Denken zu beobachten, es zu durchschauen und die Welt, die es kreiert zu hinterfragen, ob sie wirklich so ist, wie wir sie uns denken. Es ist wichtig uns zu fragen, ob dieses Denken hilfreich ist oder nicht hilfreich, ob es heilsam ist oder unheilsam.
Heilsame Bewusstheit ist notwendig um das Unheilsame zu befrieden und ihm die destruktive Kraft zu entziehen, die es auf uns hat.
Es ist heilsam unsere destruktiven Gedanken immer wieder auf den ihnen gebührenden Platz zu verweisen, indem wir die Täuschung durchschauen und uns von ihnen disidentifizieren. Das ist eine Sache der Übung, eine schwere Übung, weil wir damit von unseren Denkgewohnheiten Abstand nehmen müssen, weil wir uns selbst hinterfragen müssen und damit auch in Selbstzweifel gleiten können. Aber nur im Beobachten und Hinterfragen unserer Denkgewohnheiten können wir sie erneuern, in dem Sinne, dass sie uns stärken anstatt weiter schwächen.
Wenn Du in diesem Prozess Unterstützung wünscht, bin ich gerne für Dich da.
Kontakt: aw@wende-praxis.de
Freitag, 12. Juli 2024
Aus der Praxis: Scham
Wer mit Menschen arbeitet, bekommt es immer wieder mit dem Thema Scham zu tun. Die meisten sind sich ihrer Schamgefühle nicht bewusst oder sie verdrängen sie. Nachvollziehbar, denn Scham ist eine sehr intensive, schwer aushaltbare Emotion mit der wir alle im Leben konfrontiert werden, auf die ein oder andere Weise. Der Traumaexperte Peter Levine schreibt über Scham sinngemäß, dass die Scham so eine intensive Emotion sein muss, damit gewisse Dinge in der Kindheit wirklich verinnerlicht werden. Ein Kind fühlt sich beschämt, wenn es für etwas, was ihm selbst oder anderen schadet oder zur Gefaht werden kann, gerügt wird. Es verinnerlicht dann, dass es das nicht mehr tun darf. Folgt der Rüge allerdings ein Beziehungsabbruch der Bindungsperson oder wird das Kind in seinem ganzen Sein gedemütigt oder hart bestraft, fühlt es sich in seinem ganzen Sein abgewertet und beginnt in der Folge sich selbst abzuwerten. Das Kind und später der Erwachsene verurteilt sich selbst für bestimmte Eigenschaften, Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche. Das macht die vernichtende Qualität der Scham aus: Sie nimmt dem kleinen Menschen seine Existenzberechtigung. Das nennt man toxische Scham, eine Scham, die das Selbstbild eines Menschen dauerhaft, im wahrsten Sinne des Wortes, vergiften kann.
Mittwoch, 10. Juli 2024
Schmerzen
Selbstmitgefühl bedeutet fürsorglich, wohlwollend, sanft und freundlich mit uns selbst umzugehen. Es ist eine Sache der Bereitschaft und der Übung. Dabei geht darum innerlich eine Haltung des Wohlwollens, der liebenden Güte und der Geduld uns selbst gegenüber zu kultivieren. Es geht darum uns hinreichend gut zu behandeln, besonders dann, wenn wir uns nicht gut fühlen, wenn wir verletzt wurden, traurig sind oder krank. Wir aber wollen immer schnell wieder funktionieren und da stört eine solche Haltung. Also ignorieren wir die Güte uns selbst gegenüber und leben drüber, auch wenn wir längst auf dem Zahnfleisch gehen.
Ich bin auch so jemand, besonders mit der Geduld habe ich es als Widder nicht so. Geduld, besonders wenn ich krank bin, ist eine meiner schwersten Übungen. Ich komme mit vielem klar mit Kranksein ganz schlecht. Ich ertrage es nur schwer, wenn mein Körper nicht will wie mein Geist will, wenn er mich stoppt, mich quält und ich etwas aushalten muss, was ich überhaupt nicht beeinflussen kann, zumal ich keine Schmerztabletten schlucke und den Schmerz dann so richtig fühle. Aber ich weiß auch, je größer der Widerstand, desto größer der Schmerz. Und trotz meines Wissens steht er dann vor mir, ganz groß, der innere Widerstand und ich ganz klein und mit viel Aua und viel Wut, weil ich es nur schwer schaffe loszulassen von meinem gesund sein Wollen. Dann geht es mir noch schlechter, weil ich gegen mich selbst ankämpfe, anstatt mich zu fügen in mein Kranksein und alles zu tun um zu genesen und zwar geduldig und nicht mit dem Druck, es muss schnell wieder gut sein.
In diesen letzten Tagen habe ich viel über Kranksein und körperliche Schmerzen nachgedacht. Es kann jedem von uns passieren kann, auch mir, dass wir so schwer krank werden, dass wir nicht mehr gesund werden, dass wir mit Schmerzen, Schwäche und Einschränkungen leben lernen müssen. Ich habe an meine siebzigjährige Freundin gedacht, die ohne Schmerzen nicht mehr laufen kann, für die jede kleine Anstrengung eine große Kraftanstrengung ist und an eine Klientin, die unheilbar krank ist, für die ein „normales“ Leben nicht mehr möglich ist und ich konnte beide nach einer Woche Dauerschmerzen fühlen. Ich kann jetzt fühlen wie es ist, wenn man will und nicht kann, weil die Schmerzen einen ganz ausfüllen. Und ich habe gefühlt wie es ist, zu dem körperlichen Schmerz begreifen zu müssen – das hört nicht auf, weil ich das will.
Man muss damit leben. Man muss damit leben nicht mehr der Mensch zu sein, der man war, denn eine schwere Krankheit verändert alles, innen wie außen und damit auch die Seele und das eigene in-der-Welt-sein. Damit klar zu kommen ist eine existenzielle Herausforderung. Ich bin auf dem Weg der Genesung, jetzt ist es so, aber vielleicht ist es irgendwann nicht mehr so, denn das Alter bringt im Zweifel auch chronisch und schwer Kranksein mit sich. Und dann ist plötzlich alles anders. Da hilft kein Widerstand. Da hilft nur Akzeptanz. Hört sich cool an, ist aber nicht cool, wenn man das so sagt oder denkt oder es einem empfohlen wird. Etwas akzeptieren was chronisch schmerzt und nicht aufhört zu schmerzen ist eine so große Herausforderung, dass es uns an unsere Grenzen bringen kann.
Wenn das Leben zur Last wird, was dann? Wenn der Körper uns derart einschränkt, dass ein normales Leben nicht mehr möglich ist, was dann? Wenn wir die Kontrolle über den Körper verlieren, wenn wir der eigenen Machtlosigkeit und Hilflosigkeit gegenüberstehen, was dann? Dann wird uns gefühlt bewusst wie klein wir doch sind, wie verletzbar, wie zerbrechlich und wie vergänglich und vor allem wie viel von dem, was wir für wichtig halten, absolut unwichtig ist. Dann sind wir nur noch wir selbst, wir sind so sehr bei uns selbst in diesem Schmerz, das alles andere, was wir an Rollen und Masken so mit uns herumtragen, abfällt. Mir ging es jedenfalls so. Eine kleine Ahnung von Sterben lag in diesem Zustand und das ich dem letztlich entgegengehe, denn ich bin angezählt. Ich muss noch besser auf mich aufpassen und langsamer machen, noch mehr Grenzen ziehen wenn ich spüre, das ich mir zu viel zumute.
Aber was wenn ich, trotz aller Selbstfürsorge, einmal nicht mehr gesund werde?
Meine siebzigjährige Freundin sagte zu mir: „Ich schaue nicht mehr auf das, was ich nicht mehr kann, ich schaue nur auf das, was ich noch kann und das mache ich dann.“
Wie groß, wie weise und demütig.
Ob ich das wäre?
Ich weiß es nicht.