Mittwoch, 9. Juli 2025

Ein neues Drehbuch

 



 
Das Gelingen eines therapeutischen Prozesses ist der Punkt an dem der Mensch als Autor seines Lebens ein neues Drehbuch zu schreiben beginnt. Es unterscheidet sich vom alten Drehbuch dadurch, dass es weniger rückwärtsgewandt in der Vergangenheit spielt, sondern vielmehr ein Entwurf auf das Jetzt und die Zukunft hin ist. Es ist weniger verhaftet und gefangen in kindlichen Gefühlen, Mustern und Überlebensstrategien, weniger verstrickt in Selbstlügen und innerseelischen Konflikten, Mythen der alten Geschichten und infantilem Wunschdenken, freier von belastenden und quälenden Wiederholungen, sondern erwachsener und reifer, akzeptierender, selbstverstehender, gelassener, klarer und selbstbewusster, mehr der Wirklichkeit im Jetzt und der eigenen inneren Wahrheit zugewandt.

Montag, 7. Juli 2025

Alter Schmerz

 
 
                                                   
Malerei: A.Wende
 
 
 
Wir holen uns immer wieder in Dosen den alten Schmerz zurück, den wir am meisten loswerden wollen.
Die alte Trauer, die alte Wut, die alte Schuld, die alte Ohnmacht, die alte Scham, die alte Angst unserer Kindheit.
Wir tun das solange und so oft, bis wir innerlich bereit sind ihn nicht mehr zu verdrängen, abzuwehren, auf äußere Schauplätze zu verlagern, in ihn unheilsamen Beziehungen zu verpacken, zu dissoziieren oder zu kompensieren.
Wir tun das solange bis wir bereit sind ihn endlich zu fühlen und zu verarbeiten um ihn loslassen zu können.

Samstag, 5. Juli 2025

coming home von Lars Amend

 



„Das größte Geschenk, das wir unseren Eltern machen können, besteht darin, gesunde Beziehungen zu führen, ein gesundes Zuhause aufzubauen und gesunde Kinder zu erziehen. Nur so können wir den Kreislauf des Schmerzes durchbrechen, alte Traumata auflösen und ihre Weitergabe an die nächste Generation verhindern.“
Das ist ein Satz aus dem Buch „coming home“ von Lars Amend, der mich besonders berührt hat, weil er Recht hat. Und es ist nicht nur das größte Geschenk für unsere Eltern, es ist auch das größte Geschenk, das wir uns selbst machen können und unseren Kindern. Ich habe mich oft gefragt, ob mir mir das für meinem Sohn gelungen ist. Vor langer Zeit habe ich ihn einmal gefragt, ob er sich geliebt fühlt, ob er mit seinem Leben zufrieden ist und ob er es liebt. Er sagte ja. Es hat mich entlastet, das zu wissen, denn nichts war mir, seit ich Mutter wurde, wichtiger als das Familentrauma für ihn aufzulösen und ihn vor den dunklen Schatten meiner Ursprungsfamilie zu bewahren. 
 
„Coming home“ ist ein kluges, intensives und sehr persönliches Buch in dem sich der Autor nach dem Tod seiner Mutter fragt, was im Leben wirklich von Bedeutung ist. Er fragt nach seiner Bestimmung, nach dem Paradies und wo es zu finden ist, ob unsere Lebensgeschichten ein gutes Ende nehmen können und welche Möglichkeiten in unserer Hand liegen. Das Buch berührt Fragen, die viele von uns beschäftigen. Und es erinnert daran, dass Wissen bedeutet, die richtigen Fragen zu stellen.
 
Ich mag das Buch. "coming home" ist ein heilsames Buch für alle, die auf dem Weg nach Hause zu sich selbst sind.

Freitag, 4. Juli 2025

Aus der Praxis: Die Psychologie der Angst vor Veränderungen

 



Wenn wir mit unserer Situation unzufrieden sind, sei es im Beruf, in der Beziehung, mit unserer Umgebung, unserer Gesundheit, unserem Lebenssinn oder weil wir das Gefühl haben zu stagnieren, kurz – wenn wir spüren so wie es ist, ist es nicht mehr gut, kommt der Wunsch nach Veränderung. Wir sagen: Wir sind bereit und dann, wenn wir ins Handeln kommen müssen, kommt Angst. Wir fürchten die ersten Schritte, wir haben Angst vor dem, was uns erwartet.
Die Angst vor Veränderungen ist tief in der menschlichen Natur verwurzelt. Ein zentraler Aspekt der Angst vor Veränderungen ist die Ungewissheit. 
 
Gemäß der Uncertainty Reduction Theory Charles Berger und Richard Calabrese, die in den 1970er Jahren entwickelt wurde, suchen wir Menschen nach Vorhersehbarkeit und Stabilität im Leben. Jede Veränderung, ob gewollt oder ungewollt, bringt die vertraute Stabilität ins Wanken. Sie bringt unvorhersehbare Ergebnisse mit sich. Auch wenn wir eine bestimmte Entscheidung treffen, die wir für notwendig halten - wir wissen nicht was kommt, wir haben keine Kontrolle über das Ergebnis und den Ausgang und das kann zu erheblichem emotionalem Stress führen. In der Psychologie gilt das Bedürfnis nach Kontrolle als grundlegendes menschliches Bedürfnis. Wenn wir das Gefühl haben, die Kontrolle über unsere Umgebung, unser Leben oder unser Schicksal zu verlieren, empfinden wir Angst. Wir Menschen haben ein natürliches Bedürfnis, Unsicherheit zu reduzieren, unsere soziale Umgebung zu verstehen und Vorhersagen über das Verhalten anderer zu treffen. Je größer das Gefühl von Kontrolle desto sicherer fühlen wir uns. Je geringer das Gefühl von Kontrolle, desto unsicher und ängstlicher fühlen wir uns. Und umgekehrt: je größer die Angst, desto größer das Bedürfnis nach Kontrolle. Veränderung geschieht, sie ist ein Prozess der nicht unserer Kontrolle unterliegt. Wir müssen uns darauf einlassen und darauf vertrauen, dass es gut geht. Und hier gilt – je weniger Vertrauen ein Mensch hat, desto größer ist die Angst und das Bedürfnis nach Kontrolle.
 
Ein weiterer Grund für die Angst vor Veränderung ist die emotionale Bindung an bestehende Strukturen, Menschen, Gewohnheiten oder Routinen. Die Bindungstheorie besagt, dass sichere Bindungen einen essentiellen Einfluss auf die emotionale Entwicklung und das Wohlbefinden eines Individuums haben. Bei Veränderungen kann die Angst vor dem Verlust dieser Bindungen zu emotionalem Stress führen. Daher fürchten viele Menschen, dass sie durch Veränderungen vertraute Beziehungen verlieren könnten.
 
Kognitive Verzerrungen, wie die Negativitätsverzerrung – die Tendenz, negative Informationen stärker zu gewichten als positive – spielen bei der Angst vor Veränderung ebenfalls eine Rolle. Diese Verzerrungen können dazu führen, dass wir uns auf die potenziellen negativen Konsequenzen einer Veränderung fokussieren, anstatt die Vorteile zu erkennen. Dieser Mechanismus ist eng mit der Vermeidungstendenz verbunden, einem Abwehrmechanismus, der dazu führt, unangenehme Situationen oder Entscheidungen zu vermeiden.
 
Veränderung geht einher mit der Frage des freien Willens.
Können wir wollen, was wir sollen?" ist eine zentrale Frage der Kantischen Ethik. Der amerikanische Neurobiologe Robert Sapolsky behauptet in seinem Buch „Determined“, dass es keinen freien Willen gibt. Er sagt, dass es kein einziges Verhalten gibt, das völlig unabhängig ist von jeglichem Einfluss durch Genetik, Hormone, sozioökonomische Bedingungen, Umwelt und der persönliche Geschichte eines Menschen und dass man, wenn es um den freien Wille geht, die Verknüpfungen zwischen all diesen Daten berücksichtigen muss. 
Weiter behauptet er, dass der freie Wille nicht aus dem Nichts entsteht, sondern dass es sich vielmehr um Feedback-Schleifen handelt, um Rückkopplungsmechanismen im Hirn, die eine Form der metakognitiven Überlegung und letztendlich des Willens ermöglichen und dass Menschen zudem biologisch gesehen unterschiedliche Gehirne haben, um auf Metakognitionen einzuwirken. Kurz: Je nachdem wir unser Gehirn funktioniert, können wir mehr oder weniger wollen was wir wollen.
 
Soziale Normen und Erwartungen haben ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf die individuelle Bereitschaft zur Veränderung. Viele von uns sind bestrebt, sich den Erwartungen ihres Umfelds, ihrer Freunde, der Familie und der Gesellschaft anzupassen. Diese Dynamik wird durch den „Bandwagon-Effekt“ verstärkt, der besagt, dass die meisten Menschen vornehmlich Entscheidungen im Einklang mit dem Verhalten der Mehrheit treffen, um Akzeptanz und Zugehörigkeit zu finden. Hier kommt die Angst vor Zurückweisung, Ablehnung oder sozialer Ausgrenzung ins Spiel. 
 
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, heißt es, und da ist viel dran. Uns allen fällt es schwer Gewohnheiten abzulegen, und das aus mehreren Gründen:
Gewohnheiten sind im Gehirn fest verankert. Sie werden durch wiederholtes Verhalten verstärkt und bilden neuronale Pfade, die leicht aktiviert werden, was zur Automatisierung führt. Gewohnheiten bieten Sicherheit und Komfort. Veränderungen dagegen erfordern Anstrengung und sind mit Unsicherheit und emotionalem Stress verbunden. Um das zu vermeiden bleiben viele lieber in ihrer Komfortzone, die ist vertraut und bequem, auch wenn sie unheilsam oder selbstschädigend ist.
Eine wesentliche Rolle spielt hier das Belohnungssystem. Gewohnheiten sind häufig mit positiven Gefühlen oder Belohnungen verbunden, was es schwierig macht, sie aufzugeben, selbst wenn sie zerstörerisch sind, wie z.B. alle Arten von Süchten.
Zudem sind unsere Gewohnheiten Teil unseres Selbstbildes.
Die Änderung einer Gewohnheit kann als Bedrohung für die eigene Identität empfunden werden, was den Prozess zusätzlich erschwert. Gewohnheiten können auch durch das soziale Umfeld beeinflusst werden. Wenn Freunde oder Familie bestimmte Gewohnheiten pflegen, ist es schwierig, sich davon zu distanzieren oder zu lösen.
Das Aufgeben von Gewohnheiten erfordert zudem neue Fähigkeiten und Strategien. Der Lernprozess kann anstrengend und herausfordernd sein, er erfordert Beständigkeit und Geduld und eine gewisse Frustrationstoleranz, wenn es nicht auf Anhieb klappt, daher geben die meisten auf.
 
Die Angst vor Veränderungen ist ein komplexes Phänomen, das tief in psychologischen Mechanismen und menschlichen Bedürfnissen verwurzelt ist. Wenn uns Veränderung nicht gelingt, kann das viele Ursachen haben. Dann macht es Sinn herauszufinden, was uns maßgeblich daran hindert. Indem wir uns unserer Ängste und Blockaden bewusst werden und diese hinterfragen, können wir lernen, Veränderungen beewusst anzugehen, im Wissen: Veränderung ist für unser Wachstum notwendig.
 
Meine Erfahrung sagt:
Menschen ändern sich nur dann, wenn sie sich ändern wollen,
wenn die Bereitschaft sich ändern zu wollen hoch ist und wenn sie ein Ziel vor Augen haben, dass ihnen Belohnung verspricht.
 
Angelika Wende
Kontakt: aw@wende-praxis.de

Samstag, 28. Juni 2025

Die eigene Grenze

 



Vielen von uns fällt es schwer, sich abzugrenzen. Dabei ist es für unsere psychische Gesundheit essenziell, durch das Setzen klarer Grenzen für unsere Werte und für unsere Bedürfnisse einzustehen.
Aber wie es ist mit den eigenen Grenzen? Wo komme ich selbst an eine Grenze, habe ich mich gefragt? Und ist es sinnvoll sie zu akzeptieren, die Erkenntnis – das kann ich nicht, das geht über das Erträgliche und Machbare hinaus.
Es ist sinnvoll und es ist sogar heilsam.
 
Für mich ist die Akzeptanz meiner eigenen Grenzen ein wesentlicher Bestandteil eines gesunden Lebens. In einer Welt, die von Leistungsdruck und hohen Erwartungen geprägt ist, habe ich gelernt, dass das Erkennen und Akzeptieren meiner persönlichen Grenzen eine befreiende und stärkende Erfahrung ist. Ich muss niemanden etwas beweisen, auch mir selbst nicht. Ich darf innerlich Stopp sagen, wenn ich spüre, hier ist meine Grenze. Ich muss nicht müssen, weil ich mir sage – du musst, auch dann nicht, wenn ich es vielleicht noch könnte.
Wenn ich meine Fähigkeiten und Grenzen realistisch einschätze, nehme ich wahr was geht und was nicht geht, was für mich möglich ist und was nicht. Diese Klarheit ermöglicht es mir, mich auf jene Aspekte meines Lebens zu konzentrieren, die mir wirklich wichtig sind. Sie hilft mir mich von überflüssigem Druck und äußeren Erwartungen zu befreien, besonders aber von den Erwartungen, die ich an mich selbst stelle. Die Akzeptanz meiner Grenzen schützt mich vor mentalem, emotionalem und physischem Stress. Wenn ich ständig versuche, mehr zu leisten, als ich tatsächlich kann, bin ich irgendwann ausgelaugt und am Ende ausgebrannt. Nichts geht mehr.
Indem ich aber meine Grenzen anerkenne, nehme ich mich selbst wahr. Ich schaffe ich Raum für Selbstfürsorge, Raum für das, was mir gut tut. Ich praktiziere Selbstmitgefühl. 
 
Die Akzeptanz unserer eigenen Grenzen ist für mich ein Zeichen von Reife und emotionaler Intelligenz. Unsere eigene Grenze zu achten ist ein Zeichen dafür, dass wir uns selbst und unsere Bedürfnisse ernst nehmen. Wir sorgen gut für uns selbst. 
 
Nur wenn wir fähig sind unsere eigenen Grenzen zu respektieren, können wir auch die Grenzen anderer respektieren. Wenn wir unsere eigenen Grenzen kennen und anerkennen, sind wir in der Lage, klar zu kommunizieren, was wir können, was wir brauchen, was wir nicht können und was wir nicht brauchen oder was uns nicht gut tut und was wir nicht länger mitzumachen bereit sind. Wir stehen für bestimmte Dinge nicht mehr zur Verfügung. Wir überfordern uns nicht mehr. Die Akzeptanz unserer Grenzen hilft uns ein authentisches Leben zu führen. Wie werden milder und sanfter im Umgang mit uns selbst.
Früher war ich eine sogenannte Leistungstochter. Heute muss mich nicht mehr mit anderen vergleichen oder versuchen, deren Erwartungen zu erfüllen. Ich muss mich auch nicht mehr mit der Frau vergleichen, die ich einst war als ich das Überschreiten meiner eigenen Grenzen noch als heldenhafte Herausforderung empfand. Stattdessen gehe ich meinen eigenen Weg und wenn eine Grenze auftaucht, kämpfe ich nicht mehr mit Macht dagegen an – ich achte sie und nehme an, was ist. Ich muss auch nicht mehr alles lösen. Ich weiß, dass ich das nicht kann. Für mich ist die Akzeptanz meiner eigenen Grenzen ein Akt des Selbstrespekts und der Selbstliebe. Indem ich meine Grenzen anerkenne, erkenne ich mich selbst (an). 
 
Angelika Wende

Donnerstag, 26. Juni 2025

Fight for that little Person in You

 


 
Jeden Tag in der Praxis begegnet es mir: Das Innere Kind.
Es begegnet mir in den Erwachsenen, die ich begleiten darf.
Es begegnet mir hinter den Worten und Gesten dieser Menschen. Ich fühle seine Trauer und seinen Schmerz, seine Angst und seine Wut, seine Ohnmacht und seine Verzweiflung, seine Unschuld und seine Träume. 
 
Viele Menschen spüren die leise Stimme ihres Inneren Kindes, die in den stillen Momenten nach Fürsorge ruft. Sie spüren sie und überhören sie. Sie blenden sie aus und machen weiter in ihrem Erwachsenleben, als gäbe es diese kleine Person in ihrem Inneren nicht.
Traumatische Erfahrungen, der innere Kritiker, Introjekte wie die Inneren Eltern, die Herausforderungen des Lebens, Glaubenssätze, die Erwartungen anderer und die Erwartungen, die wir an uns selbst stellen, die Angst vor Verletzlichkeit und der Druck, sich den Normen der Gesellschaft anzupassen, führen dazu, dass die Mehrzahl der Menschen ihr Inneres Kind überhören, übersehen, vernachlässigen, schlecht behandeln oder sogar ablehnen.
Es wird zum Schweigen gebracht. Und da sitzt es, in der Tiefe der Seele – einsam und verlassen.
Diesem Kind fehlt viel, ihm fehlt die nötige emotionale Unterstützung, die es braucht, um sich sicher und geliebt zu fühlen. Ihm fehlen Fürsorge, Geborgenheit, Halt und Liebe, die es nicht bekommen hat und die es bis heute nicht bekommt. Und dann wundern wir Erwachsene uns, dass wir kein tieferes Verständnis für die eigenen Bedürfnisse und Wünsche haben, dass wir uns allein, einsam und hoffnungslos ungeliebt fühlen. Kein Wunder, denn viele von uns sind nicht einmal fähig sich selbst Liebe zu geben. Diesem verletzten Teil in sich Gehör, Zuwendung und Liebe zu geben scheint unmöglich. Manche Menschen sind nicht einmal in der Lage sich das kleine schutzlose Wesen, das sie einmal waren, vorzustellen, geschweige denn, sich in es hineinzuversetzen. Sie haben es abgespalten, weil sein Kindsein unerträglich war. 
 
Wir traurig muss dieses Kind sein.
Wie verzweifelt und ohne Hoffnung, es könnte jemals anders für es werden. Es sitzt da, endlose Jahre, in den Trümmern seiner vergifteten Kindheit und niemand, der ihm hilft zu genesen.
Ja, es ist nicht leicht Zugang zu diesem verletzten Wesen zu finden. Es wirklich zu fühlen, dass diese Kind da ist, in uns selbst. Es macht ja auch so viel Ärger und Probleme. Wer will so was schon? Klar macht es das, weil es verzweifelt nach Aufmerksamkeit schreit. Egal welche Form von Aufmerksamkeit. Was soll es denn machen um endlich gesehen und gehört werden?
Es will endlich fühlen, dass es gut genug ist, wertvoll ist, liebenswert, schön und wunderbar. Es will endlich die Freiheit finden, zu lachen, zu weinen und zu fühlen, ohne Angst vor Ablehnung oder Verlust.
 
Ja, es braucht Mut, sich mit diesem Teil von uns selbst auseinanderzusetzen. Das Innere Kind braucht unser Mitgefühl und unsere Anerkennung. Unsere!, nicht die von irgendjemanden, weil wir es nicht schaffen ihm all das zu geben.
Ja, es ist ein langer Prozess, ihm die Aufmerksamkeit, das Verstehen und die Liebe zu schenken, die es braucht um seine Wunden zu verbinden, es zu trösten, es zu verstehen und es anzunehmen - bedingungslos und mit Respekt für die Kraft und Stärke, die es besitzt, denn es hat überlebt bis heute - trotzdem.
Es ist Weisheit ihm all das zu geben.
 
Angelika Wende
Kontakt: aw@wende-praxis.de

Dienstag, 24. Juni 2025

Denkfaulheit

 

                                                                    Art: A.Wende


 

 „Der Unterschied zwischen einem klugen und einem dummen Menschen ist, dass der kluge Mensch Fragen stellt und der dumme Mensch antwortet“, schrieb einst Albert Einstein.

 

Um Fragen zu stellen muss man allerdings nachdenken und das ist nicht jedermanns Sache. Die Masse ist denkfaul und konsumiert, ohne zu reflektieren was sie da alles konsumiert, ohne nachzudenken, geschweige denn nachzufragen, ob das alles so stimmt, was man ihr Tag für Tag an Informationen serviert. 

 

Denkfaulheit ist ein Phänomen, das in unserer schnelllebigen und stark mediatisierten Welt immer häufiger zu beobachten ist. Wer zu faul zum Denken ist hat die Tendenz, sich mit Gedanken und Problemlösungen nicht eingehend auseinanderzusetzen. Stattdessen neigt er  dazu, vorgefertigte Meinungen und Informationen einfach zu übernehmen, ohne sie kritisch zu hinterfragen, ohne Quellen sorgfältig zu prüfen, ohne verschiedene Perspektiven in Betracht zu ziehen und ohne sich Zeit für Reflexion zu nehmen.  

 

Diese Form des Denkens kann in vielen Bereichen unseres Lebens beobachtet werden – sei es bei politischen Diskussionen, beim Konsum von Nachrichten und in den sozialen Medien, wo Emotionen oft über rationalen Argumenten stehen. Es wird drauf los getextet, ohne den Denkapparat einzuschalten. Es wird nicht reflektiert, es wird reagiert, meist emotional aus dem Bauch heraus. Hauptsache man hat seinen Senf dazu gegeben, ob der Sinn macht oder nicht. Denken macht halt Mühe und kann anstrengend sein.

 

Gründe für die Denkfaulheit sind u.a. der immense Zeitdruck, die Reizüberflutung, der emotionale Stress unter dem viele Menschen stehen und eine schleichende affektive Abstumpfung aufgrund der Überforderung.

Ständig sind wir einem Überfluss an Informationen ausgesetzt, was dazu führt, dass Viele es bereits als anstrengend empfinden, sich mit komplexen Themen intensiv zu beschäftigen. Hinzu kommt, dass viele Inhalte in sozialen Medien so aufbereitet sind, dass sie sofortige Zustimmung oder Ablehnung hervorrufen. So bleibt kaum Raum für tiefere Überlegungen.

 

Denkfaulheit hat Folgen. 

 

Sie fördert nicht nur oberflächliches Wissen und allgemeine Verblödung, sondern führt auch zu einer Polarisierung in der Gesellschaft. Immer mehr Menschen bewegen sich in Echokammern, in denen Meinungen nicht hinterfragt, sondern immer wieder gegenseitig bestätigt werden. In einem solchen Umfeld wird der Diskurs immer schwieriger, das Verständnis für einander und der gegenseitige Respekt leiden erheblich.

 

Kritisches Denken und die Fähigkeit, Informationen zu analysieren und zu bewerten, sind selten, dafür gibt es jede Menge an Halbwissen. Halbwissen heißt, dass man grundlegende Informationen oder Konzepte kennt, jedoch nicht über das nötige tiefere Verständnis und schon gar nicht über eine Expertise verfügt. Ebenso wie die Dankfaulheit ist auch dieses Phänomen in unserer schnelllebigen Informationsgesellschaft weit verbreitet.  Kritiklos werden flüchtige Informationen aus den Medien ohne eingehende Auseinandersetzung übernommen. Die Folge: Oberflächliches Verständnis, kein Bewusstsein über die Komplexität der Dinge, jede Menge Menschen mit Halbwissen, die sich für Experten halten und ihre Meinungen mit großer Überzeugung äußern, obwohl sie möglicherweise falsche oder vereinfachte Informationen verkünden. Informationen werden nicht analysiert, nicht hinterfragt, verschiedene Perspektiven werden nicht berücksichtigt, es wird polarisiert.

Halbwissen zeichnet sich wie die Denkfaulheit durch fehlende Tiefe aus. 

Es mangelt an den notwendigen Zusammenhängen und dem Detailwissen, um fundierte Urteile treffen zu können. Problematisch, insbesondere in politischen, wissenschaftlichen oder gesellschaftlichen Diskussionen, wo präzise Informationen und gut begründete Argumente eigentlich normal sein sollten. Ebenso wie es normal sein sollte, die Dinge skeptisch zu hinterfragen und bereit zu sein, das eigene Wissen kontinuierlich zu erweitern um das eigene kritische Denken zu schärfen und so die Gemeinschaft zu stärken. Das wäre doch eine Chance zur persönlichen und kollektiven Weiterentwicklung. Dazu müsste die Denkfaulheit allerdings überwunden werden.

Doubtful but not hopeless.