Dienstag, 24. April 2018

Was nicht sein kann darf nicht sein



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Macht es Sinn, ein illusionsloses Leben zu leben, frei von Illusionen über sich selbst und andere und die Welt? Aber ist das überhaupt möglich? Was ist der Maßstab, um zu erkennen wann es eine Illusion ist, die du dir machst und wann nicht? Wann weißt du, ob etwas wahr ist?

Das Leben ist ein Spiel mit der Täuschung.
Ich kenne keinen der es nicht spielt. Der Mensch lebt in Illusionen, vielleicht weil er nicht anders kann. Er braucht sie um aus dem was ist Projektionen ins Mögliche zu schaffen, er braucht sie um sein Innerstes zu schützen vor Wahrheiten, die nicht aushaltbar sind und um den Schmerz über das Unaushaltbare zu ertragen. So macht sie Sinn, die Illusion, als Selbstschutz vor dem Zerbrechen an der Härte der Wirklichkeit da draußen. Manchmal ist sie lebenserhaltend und damit eine gesunde Wahl, auch wenn die Wahrheit über die Wirklichkeit damit ausgeschlossen wird.

Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar, so ein Zitat von Ingeborg Bachmann.
Gut. Nur, was ist wahr?
Macht sich nicht jeder selbst sein Bild über die Wahrheit. Sieht nicht jeder nur das, was er sehen kann, geboren aus seiner Sicht auf Welt? Ist es nicht so, dass Wahrheit keine Allgemeingültigkeit besitzt, und meine Wahrheit nicht deine ist und umgekehrt? Ist es nicht so, dass es die Wahrheit gar nicht geben kann, die eine Wahrheit, die Klarheit bedeuten würde.
Nichts ist wahr und nichts ist unwahr.
Aber was ist dann mit der äußeren Wirklichkeit?
Sie ist doch da und damit wahr.
Sie ist da, für sich selbst stehend, aber sie unterliegt den Konstruktionen, die sich Menschen über sie machen, sie unterliegt dem, was sie aus sich selbst heraus hineindeuten.

Was nicht sein kann darf nicht sein.
Wir sehen was wir sehen können und wir bewerten, was wir sehen aus den eigenen Erfahrungen und Konditionierungen heraus. Wir hängen fest an den Wahrheiten, die die unseren sind und schließen Wahrheiten aus, die in unsere Welt nicht passen und wenn uns eine Wahrheit missfällt attackieren wir sie bisweilen. Auch das.
Oder wir blenden sie aus, weil sie in unser Bild von Wirklichkeit nicht passt oder es ankratzt und dann fühlen wir uns hilflos und wieder attackieren wir aus der Ohnmacht heraus, weil Wut noch immer besser zu ertragen ist als Ohnmacht.
Wir wollen es passend, passend für unseren Denkrahmen, der stets Bestätigung sucht um nicht aus den Fugen zu geraten.

So manche Wahrheit zerstört so manche Illusion.
Und je schmerzhafter wir diese Wahrheiten empfinden, je wütender sie uns machen, desto mehr Wahres für uns selbst könnten wir darin finden. Aber dann müssten wir ja eine Illusion verabschieden und die fremde Wahrheit überdenken, sie anerkennen oder sie einfach stehen lassen.

Freitag, 20. April 2018

Vom "Ich will" zum "Ja, so ist es"





Egal ob wir wütend sind, verzweifelt oder am immer Gleichen leiden: Der Schmerz der damit zusammenhängt kommt vom Ego, von dem Wunsch, dass alles so läuft wie wir es gerne hätten, von der verkrampften "Ich-will- Haltung". Wir wollen es so haben wie wir es wollen. Genauso wie wir uns das vorstellen. Wir wollen das Ungute, das Unschöne, das Unbequeme möglichst schnell los werden. Aber wenn wir so denken und je mehr wir uns uns selbst, das Leben oder andere Menschen zurechtbasteln wollen wie es uns passt, desto größer wird unsere Unsicherheit und unsere Angst. 

Je größer die Angst, desto größer das Bedürfnis nach Kontrolle. 
Je mehr wir kontrollieren wollen desto größer wird die Unsicherheit. Ein Teufelskreis der dann endet wenn wir den Ursprung der Angst erkennen. Angst wird nicht kleiner wenn wir sie mit aller Macht überwinden wollen, sie wird kleiner wenn wir sie verstehen und annehmen, wenn wir sie zulassen, anstatt uns dagegen zu wehren oder sie weg haben zu wollen. Genauso ist es mit der Wut und dem Schmerz, wenn wir zulassen diese Gefühle in unser Herz zu lassen, anstatt sie ins Außen zu projizieren - auf die ungerechte Welt, den lieblosen anderen - dann schließen wir Freundschaft mit uns selbst, dann lassen wir bei uns was zu uns gehört, damit verlassen wir das "Ich-will" und kommen an bei "Ja so ist es". Damit beginnt das, was wir inneren Frieden nennen.

Montag, 16. April 2018

Du schaffst das!




Wenn du meinst du schaffst das nicht und keiner dir sagt: "Du schaffst das!"
Dann sag dir selbst: DU schaffst das
Und dann schaffst du das.

 

Sonntag, 15. April 2018

Einsamkeit und wie wir damit umgehen können

 
Foto: AW

Einsamkeit kann zur Qual werden. Die Folgen sind Depression, Verbitterung, Verzweiflung, seelische und körperliche Krankheiten und sogar Selbstmord. Der «Proceedings of the Royal Society B» veröffentlichten Studie zufolge haben einsame Menschen sogar ein deutlich erhöhtes Sterberisiko. Wir alle sind auf enge Beziehungen angewiesen, weil sie unsere Grundbedürfnisse nach Verlässlichkeit, Geborgenheit und Verstehen erfüllen. Ohne diese Beziehungen vereinsamen wir. Fast jeder von uns kennt das Gefühl der Einsamkeit. Man fühlt sich ungeliebt, überflüssig und von aller Welt verlassen.
Aber was genau ist Einsamkeit?
Einsamkeit ist das quälende Gefühl des Getrenntseins von anderen Menschen und die gleichzeitige Sehnsucht nach Verbundenheit in Beziehungen, die erfüllend sind.
Der österreichische Schriftsteller Alfred Polgar beschrieb die Einsamkeit einmal so: „Wenn dich alles verlassen hat kommt das Alleinsein. Wenn du alles verlassen hast kommt die Einsamkeit.“
Hier spüren wir deutlich: Einsamkeit kommt von innen. 
Der Einsame zieht sich  zurück - vom Außen in sich selbst hinein. Meist aus einer tiefen Enttäuschung heraus, einer Enttäuschung über die Menschen und/oder das Leben, das es nicht gut mit ihm meint. Der Einsame hat den vertrauensvollen Bezug zum Leben verloren, er traut ihm nicht mehr und vor allem, er vertraut anderen nicht mehr. Er verliert sich in seinem eigenen Innenleben und leidet an sich selbst. Die Welt da draußen, hat ihm nichts mehr zu geben. Er hat resigniert und am Ende kapituliert er vor dem was für ihn unerreichbar zu sein scheint -  nämlich sinnvolle, lebendige, erfüllende Beziehungen zu anderen Menschen.

Der Mensch ist  nicht für das Einsamsein geschaffen. Damit glücklich werden nur wenige. 
Auch große Philosophen wie Nietzsche oder Kierkegaard, die sich in die Einsamkeit verzogen, waren damit nicht glücklich. Sie litten an der Unvollkommenheit der Welt, die sie nicht nach ihrem Ideal gestalten konnten trotz allem klugen und tiefen Denkens. Apropos Denken - wer einsam ist denkt viel. 
Denken macht traurig, zu viel denken macht sogar unglücklich. „In allem Denken“, schreibt Schelling in seinem 1809 erschienen Werk „Über das Wesen der menschlichen Freiheit“, besteht diese Urstrahlung, diese dunkle Materie weiter als Traurigkeit, als Schwermut die zugleich schöpferisch ist. Wir sind gleichsam traurig erschaffen.“  Eine Aussage gesättigt mit dem Gefühl tiefer Melancholie, ein Zustand, der dem Einsamen bestens vertraut ist. Oh ja, Denken kann auch Freude sein, der Einsame jedoch hat die Freude verloren. Seine Einsamkeit ist der Zeitpunkt im Leben an dem er nur sich selbst begegnet. Und findet er in sich selbst nicht den besten Freund so ist das fatal für die Seele.

Einsamkeit ist die Unglücksursache Nummer eins.  
Untersuchungen der Arbeitsgemeinschaft für Präventivpsychologie ergaben, dass Einsamkeit grundsätzlich jeden, unabhängig von Alter, sozialer Schicht und Geschlecht betrifft.   
Es gibt jedoch zwei Phasen im Leben, in denen der Mensch besonders häufig von Einsamkeit betroffen ist, so der Ulmer Psychiater Manfred Spitzer in seinem Buch „Einsamkeit, die unerkannte Krankheit“.  Zum einen im Alter, da der Stellenwert von Ehe und Familie abgenommen hat und jüngere Menschen. Der Grund: Die Urbanisierung und die übermäßige Nutzung der sozialen Medien. „Die Digitalisierung bringt Menschen nämlich nicht, wie oft behauptet wird, zusammen, sondern bewirkt eine Zunahme von Unzufriedenheit, Depression und Einsamkeit", so Spitzer. Auch das Mitgefühl nimmt laut Spitzer ab: Eine Analyse über drei Jahrzehnte hat einen deutlichen Rückgang der Empathie ergeben. Die Menschen kümmern sich weniger umeinander und legen weniger Wert auf Gemeinschaft wie früher. 

Unsere moderne Welt ist voll einsamer Menschen. Die virtuelle Welt trägt maßgeblich dazu bei. Wir müssen nicht mehr raus ins wirkliche Leben, wir kaufen im Netz ein, wir haben unzählige „Freunde“ in Facebook, die uns Gesellschaft und Bindung vorgaukeln, wir erfahren Anerkennung Aufmerksamkeit via Instagramm, wir suchen im Netz sogar nach potentiellen Lebenspartnern. Singlebörsen und Tinder füttern das Gefühl, dass das Suchen des richtigen Partners mit einem Wisch oder weg wischen gelingen kann. Die Zeiten in denen man einander begegnete irgendwo draußen, sind nahezu vorbei. Der moderne Mensch ist auf sein Handy fixiert, das er sich wie ein Tablett für die Glückseligkeit permanent vor Augen hält. Wie soll der Blick da noch auf das richtige Leben fallen und sich im Blick eines anderen verfangen? Der Mensch ist zum Konsumgut geworden. Man schaut, man wählt, man probiert und wenn es nicht passt - wisch und weg und auf ein Neues. Was bleibt sind unerfüllte Sehnsüchte in einsamen Tagen und Nächten. Das zermürbt die Hoffnung. Und es stumpft ab, uns selbst und anderen gegenüber. 

Die wichtigste Liebesbeziehung ist die zu uns selbst. Aber wir sind fast alle weit davon entfernt uns selbst zu lieben. Und weil es uns an dieser Liebe zu uns selbst fehlt sind wir unglücklich und innerlich leer. Diese Leere suchen wir durch das Außen zu füllen. Wir suchen sie in Beziehungen, im Erfolg, im Konsumieren und über jegliche Art von Ablenkung. Doch dort finden wir sie nicht. Wir bleiben leer und innerlich einsam.

Der Weg aus der Einsamkeit ist schwer. Aber Einsamkeit kann auch der Weg in ein besseres Leben bedeuten.  Wenn wir Einsamkeit nicht als Unglück oder Fluch begreifen kann sie uns vieles begreifbar machen über den Menschen, der wir sind. Ganz wichtig ist es zu begreifen: Wir sind jemand, auch wenn wie einsam sind.
Ich glaube, niemand kommt zufällig in eine Phase der Einsamkeit. Abgesehen von äußeren Umständen, wie der Verlust eines Partners, der Auszug der Kinder oder ein Ortswechsel gibt es durchaus Phasen in denen die Einsamkeit einen Grund hat und einen Sinn macht zu diesem Moment in der Zeit. Und danach könnten wir fragen.
Vielleicht brauche ich einen Cut? Zeit für mich selbst um in mich zu gehen, Zeit auszuruhen, Zeit über mein Leben nachzudenken oder um etwas Wesentliches zu korrigieren, was mir bisher nicht gelang, weil da zu viel war, das mich von mir selbst abgelenkt hat. Oder das Leben will mich dazu bringen endlich Autonomie zu entwickeln, mich unabhängiger machen von anderen. Vielleicht soll ich lernen mich selbst mehr zu lieben und gut für mich zu sorgen, wenn da keiner ist, der das für mich tut.

Wie auch immer die Lernaufgaben aussehen, die in der Einsamkeitsphase verborgen liegen, sie sind eine Chance mehr zu uns selbst zu finden und uns klar darüber zu werden, was wir wirklich wollen und was wir nicht mehr wollen. Einsamkeit ist die wertvolle Chance uns unserer selbst bewusst zu werden. Werde dir deiner selbst bewusst!, das ist der verborgene Schatz, der auf dem dunklen Grund der Einsamkeit liegt. All das sind Möglichkeiten die Qual der Einsamkeit zu wandeln – in ein Gefühl der Unabhängigkeit, der Selbstbewusstheit und der inneren Freiheit. Dazu gehört allerdings, dass wir akzeptieren, dass es jetzt so ist.

„Jeder ist allein“ schreibt Hermann Hesse in seinem Gedicht „Im Nebel“. 
Ja so ist es. Und weil das so ist, tun wir gut daran, das zu akzeptieren. Menschen sind Begleiter, manche auf kurzen Strecken, andere ein Leben lang, aber wir selbst begleiten uns jeden einzelnen Tag in guten und in schlechten Zeiten. Dann wäre es doch gut, wenn wir gut zu uns selbst sind. Und dazu gehört Zufriedenheit aus uns selbst zu ziehen, anstatt sie immer im Außen zu suchen. 

Um mit der Einsamkeit Frieden zu schließen könnten  wir erst einmal innehalten und aufhören vor ihr zu flüchten. Denn nur was wir annehmen kann sich wandeln.
Und wenn es mal wieder ganz schlimm kommt, könnten wir uns fragen: Was brauche ich jetzt, damit es mir besser geht? Brauche jetzt wirklich Jemanden außer mir selbst?  Die Erfahrung zeigt: Es ist ein sinnloses Unterfangen die innere Leere durch die Anwesenheit anderer Menschen zu füllen. Ein Fass ohne Boden.
Einsamkeit verliert dann ihren Schrecken, wenn wir sie annehmen. Wenn wir uns nicht als Opfer sehen, als bemitleidenswert und von aller Welt verlassen. Das ist schwer, denn viele von uns triggert dieses Verlassenheitsgefühl, das wir aus der Kindheit kennen. Und genau darum ist es so wichtig dieses Kind in uns nicht zu verschrecken, indem wir seine Angst und seine Hilflosigkeit füttern, sondern es liebevoll zu versorgen mit dem, was wir in diesem Moment in der Zeit haben, auch in der Einsamkeit – die Möglichkeit der Zuwendung, der Fürsorge, der Achtsamkeit und der liebevollen Annahme unserer Selbst. Wenn das alleine nicht gelingt: Sich dabei helfen zu lassen ist keine Schwäche, sondern ein Akt der Selbstliebe.



Mittwoch, 11. April 2018

Identität



Malerei: A. Wende

Identität erfassen, begreifen des Ganzen in der Summe aller Einzelteile, die Menschsein ausmachen ist schwer. Identität - eine in sich und in der Zeit erlebte Einheit eines Menschen, im Sinne des Bewusstseins: „Das bin ich, in diesem Moment in der Zeit.“  
Das Wesen des Menschen ist komplex, es lässt sich nicht einfach erklären, nicht einfach analysieren, nicht verallgemeinern und letztlich nicht verstehen. Es sind unzählige Wesen, die in uns existieren, viele Ichs, eine Welt von Gedanken, Gefühlen, Konditionierungen, Erlebtem und Erfahrenem, ein Mikrokosmos von gezähmter, roher und sublimierter Natur, eine Welt von Sehnsüchten und Spannungen, die unsere Identiät formieren. 
Wir schwingen nicht nur zwischen zwei Polen, etwa dem Geist und dem Trieb, wir schwingen zwischen unzähligen Polpaaren beständig hin und her auf der Suche nach unserer Identität, die scheinbar gefunden, schon längst eine andere ist und bald eine andere sein wird. Das Selbst ist keine konstante Größe. Identität ist wandelbar, in Veränderung wie das Leben selbst.

Wir täuschen uns am meisten in uns selbst. 

Wer bin ich und was wähle ich zu sein?
Was brauche ich um ich selbst zu sein?
Kann ich mir Identität erschaffen? 
 
Und geht es nicht einzig darum zu erkennen wer und was wir sind, uns unserer selbst gewahr zu werden, uns gewahr zu werden was aus unseren Absichten hervorgeht und wie es sich in der Welt zeigt? Die Welt, der Spiegel unseres eigenen Seins? 
Vielleicht ist es so, vielleicht ist es nicht so. 

Was ist es, was wir brauchen um nicht in der blinden Egomanie einer hochgetriebenen Individuation zu verharren, die nichts anderes bewirkt, als die Trennung vom eigenen Ich, von Ich und Du, die Trennung, die zur Folge hat sich gegen das Ich zu kehren, um es letztlich einsam zurück zu lassen.
Wer sich seiner Selbst bewusst ist, ohne das Selbst als monologisch zu begreifen, wer sein EingebundenSEIN in die Welt, wer die Wirkungsweise des schöpferischen Prinzips spürt, kennt, achtet und lebt, wer weiß, dass Wandel Leben ist, SEIN ist, ist auf dem Weg sich selbst auch nur annähernd zu begreifen.
Die Suche geht weiter ...

Montag, 9. April 2018

Gedankensplitter



Foto: AW


Manchmal zögern wir, verschieben Tag für Tag, tun die eigenartigsten Dinge, nur um nicht einsehen zu müssen, dass etwas unlösbar, kaputt, sinnlos oder längst verloren ist.
Wir warten auf den Moment, wo wir die Entschlossenheit finden zu handeln, aber er kommt nicht. Wir fühlen die totale innere Niederlage für die es keine Erklärung und keine Rechtfertigung gibt, die sie weniger schmerzhaft machen könnte.
Dann kommt die Angst, dass wir uns davon nie mehr erholen.


Samstag, 7. April 2018

Grenzen


Foto: AW

Manchmal müssen wir den Ort wechseln um die Dinge in einem anderen Licht zu sehen. Dann kann es sein, dass das, was wir in der Gewohnheit des Alltags verdrängen, wie ein Ball, den wir lange unter Wasser gedrückt haben, plötzlich hochploppt. Wir erschrecken wie blind wir doch waren, wie beharrlich im Augen verschließen nur um diesen Ball nicht sehen und alles was sich in ihm verbirgt, nicht fühlen zu müssen. Aber jetzt schwimmt er da oben auf der glatten Oberfläche des Wassers an diesem fremden Ort an dem die Gewohnheiten fehlen und all das was zu tun ist, dieser Ort an dem so vieles neu ist und unbekannt und fremd und wir haben wohl den Blick erweitert über das Vertraute hinaus, das uns sonst so schön von uns selbst ablenkt, und wir sehen den Ball groß und deutlich und wenn es dumm läuft, gruselt es uns vor ihm.
Am Liebsten würden wir ihn wieder nach unten drücken, aber wir zögern und lassen es, weil etwas in uns sagt: Schau hin, jetzt und sei ehrlich beim Schauen dessen, was da vor dir liegt.

Das kann sehr weh tun. Das kann uns erschüttern. Das kann uns das Herz zerreissen und uns in eine tiefe Traurigkeit stürzen. All diese Gefühle machen uns klar: Es ist genug, genug versucht so zu tun, als könnten wir weiter machen mit dem was ungut ist, genug der faulen Kompromisse und genug der Verleugnung unserer selbst. Da schwimmt sie vor uns die Lüge in der wir leben, die Selbstlüge und die Illusion, mit der wir so lange beschönigt haben was nicht schön ist. Verändere es! hämmert es im Kopf und am Liebsten würden wir es überhören, weil es so schwer ist das Vertraute loszulassen. Denn dann fehlt so vieles. Dann müssen wir so vieles anders machen und so viel Kraft haben wir doch gar nicht um über unseren Schatten zu springen und am Liebsten würden wir diesem verdammten Ball die Luft herauslassen, damit er uns nicht mehr so fordernd anstarrt. Aber wir lassen es, wir sind es müde zu verdrängen, müde zu leiden. Schlafen wäre jetzt gut und dann aufwachen und alles ist gut. Aber schlafen geht nicht, weil wir hellwach sind, erwacht sind aus unserem Dornröschenschlaf, und nein, da ist kein Prinz, der uns in die Arme schließt und alles wird gut, da ist nichts ausser wir selbst und die Wahrheit, die wir verleugnet haben.

Kein schönes Erwachen ist das. Nichts ist einfach was schwer wiegt.
Verdammt warum kann es denn nicht einmal einfach sein?, grummelt die Wut auf das Schwere und wir mögen sie nicht die Wut, weil wir spüren dahinter steckt die Ohnmacht, die noch schwerer wiegt als alle Wut der Welt und dann kommt die Traurigkeit darüber wie hilflos uns das Leben machen kann. Ach, wenn wir doch nur endlich frei wären ohne etwas dafür tun zu müssen. Glücklich wollen wir sein und eins mit dem was ist und nicht entzweit von uns selbst und dem was wir so gerne hätten und nicht bekommen können, egal wie oft wir es schon versucht haben.
Was verdammt haben wir falsch gemacht?

Und was, wenn wir nichts falsch gemacht haben?
Was, wenn wir einfach gemacht haben, was wir konnten und es nicht besser machen konnten und das Beste getan haben, was wir konnten?
Und dann vielleicht einsehen müssen, dass wir nicht alleine sind beim Machen in diesem Leben?
Einsehen, dass wir eingebunden sind in eine Vielfalt von inneren und äußeren Bedingungen und Umständen, die unser Leben wie ein Rahmen einengen, über den hinaus wir nun einmal nicht kommen können, so sehr wir uns auch abmühen?

Die Einsicht der Begrenzung unserer Möglichkeiten ist schwer.
Aber die Einsicht, dass uns nicht alles gelingen kann ist auch weise. Einsehen, dass wir Grenzen haben, innen und außen. Weil wir nicht alleine sind auf der Welt und immer eingebunden in einen Kontext, Beziehungen und Lebensumstände, die sich eben nicht gestalten lassen nach unseren Wünschen. Es gibt diesen Fluss im Leben, der uns mit sich nimmt ohne das wir dagegen schwimmen können. Es gibt ihn diesen Faktor der Nichteinflussnahme, es gibt sie, diese Ohnmacht, der wir uns beugen müssen.
Und was dann?
Dann tun wir das. Wir beugen uns ihr, denn wenn wir es nicht tun, tut sie es für uns.
Und das ist im Zweifel dann so schmerzhaft wie ein platzender Ball, dessen Fetzen uns ins Gesicht fliegen.