Sonntag, 31. Januar 2021

Zuneigung

 

                                                                    Foto: A. Wende

 
Auf die Zuneigung anderer zu hoffen, sie vielleicht sogar zu erwarten, sie vielleicht sogar einzufordern, weil sie für unser Wohlergehen so gut ist, ist nicht gut.
Eine solche Anspruchshaltung schafft Mangel, wo kein Mangel nötig wäre. Sie trennt uns von den Ressourcen, die wir in uns tragen um uns diese Zuneigung selbst zu geben. Oder um sie dort zu finden und zu empfangen, wo man sie uns aus freien Stücken schenkt.
Einer, der keine Zuneigung in sich trägt, wird sie uns nicht geben.
Wir richten uns an den Falschen.
Wir tun uns damit nichts Gutes.
Und wir spüren das auch. Wir werden vielleicht bitter und verfallen dem Glauben es nicht wert zu sein, dass man uns Zuneigung schenkt.
Aber so ist es nicht.
Es ist nur die Blickrichtung, die wir ändern dürfen.
Wir blicken nicht mehr in leere Herzen, die uns nichts zu geben haben. Wir blicken in unser Herz und schauen wo dort Zuneigung ist – für uns selbst und für andere und denen schenken wir sie. So wird Mangel zur Fülle.

Donnerstag, 28. Januar 2021

Der Wind des Wandels


                                                                          Foto: www

„Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Schutzmauern, die anderen bauen Windmühlen", heißt es in einer chinesischen Weisheit. Der Wandel ist eine Zeit die viel von uns fordert. Während alles um uns herum in äußerer Starre verharrt können wir innerlich auch erstarren und einfach abwarten, aber das hilft uns nicht weiter. Warten bedeutet, dass wir in die Zukunft wollen. Wir wollen das, was wir jetzt haben, nicht. Aber indem wir uns auf das Warten begrenzen, schaffen wir einen inneren Konflikt zwischen dem Jetzt, in dem wir nicht sein wollen und einer projizierten Zukunft, von der wir rein gar nichts wissen. Im bloßen Warten verlieren wir die Gegenwart. Verlieren wir die Gegenwart, haben wir das Gefühl nicht präsent zu sein. Sind wir nicht präsent, fühlen wir uns nicht lebendig. Wir verpassen die Möglichkeiten die im gegenwärtig Vorhandenen liegen. Anstatt zu warten ist jetzt vielmehr mutiger Veränderungswille gefragt. Wenn wir den aufbringen, können wir einen Nutzen aus den Erfahrungen ziehen, die uns im Moment vielleicht nur schmerzhaft oder gar sinnlos vorkommen.

Je enger unser Lebensradius wird, desto mehr bekommen wir zu spüren, wo es in uns selbst eng ist. 

Vielleicht erkennen wir, dass falsch angelegte Dinge nie von Bestand sind. Vielleicht zeigen sich jetzt Themen und Probleme, von denen wir glaubten, wir hätten sie längst überwunden. Vielleicht werden unbewusste Überzeugungen, Ängste und Verhaltensweisen aktiviert, die aus unserer Vergangenheit stammen und uns in bestimmten Situationen möglicherweise zwanghaft oder falsch reagieren lassen. Vielleicht halten wir an Vorstellungen fest, die in unser Jetzt nicht mehr passen und uns auf der Stelle treten lassen. Vielleicht geraten wie emotional oder mental an unsere Grenzen und fühlen uns hilflos. Vielleicht werden wir, je mehr wir auf uns selbst reduziert sind, mit den eigenen Schatten konfrontiert. Vielleicht begegnen wir etwas in uns, das uns nicht bewusst war und uns jetzt zu schaffen macht. Vielleicht wendet sich unsere Aufmerksamkeit dem zu, was für uns von emotionalem, geistigem, materiellem oder intellektuellem Wert ist. Vielleicht entdecken wir das Bedürfnis unser wahres Selbst zu leben.

All das sind Erfahrungen, die uns ungeahnte Tiefen offenbaren.
Es sind Erfahrungen, die uns weiter bringen und an denen wir wachsen können.

Wir brauchen Mut um der Tendenz zu widerstehen diesen Erfahrungen aus dem Weg zu gehen. Sind wir mutig, können wir uns, uns selbst stellen und uns bewusst machen, was in unserem Leben nicht gelöst ist, was an Altem uns noch immer belastet, was uns innerlich blockiert und was uns an dem, was jetzt ist, nicht mehr dient. Wenn wir dazu bereit sind, führen uns die Erfahrungen während dieser Zeit unsere eigene Menschlichkeit überdeutlich vor Augen. Sie fordert uns auf inmitten des Windes des Wandels ein liebevolleres Verhältnis zu uns selbst zu finden. Und das ändert vieles. 

 

www.wende-praxis.de

Montag, 25. Januar 2021

Aus der Praxis - Emotionale Abhängigkeit

 

                                                                Zeichnung. A. Wende

 

Wer emotional abhängig ist hängt wie eine Klette am Partner. Er braucht das Gefühl der Symbiose um sich lebendig zu fühlen und um sich selbst zu spüren. Der andere beherrscht sein ganzes Sein im Denken und Fühlen  - er ist der Mittelpunkt des Lebens.

Die abhängige, auch dependente Persönlichkeit genannt, hat ein geringes Selbstbewusstsein, wenig Durchsetzungsvermögen und damit einhergehend wenig Eigeninitiative. Viele Dependente leben in einer depressiven Grundstimmung, beladen von Gefühlen der Schwäche, der Wert- und Hilflosigkeit. Anderen gegenüber geben sie sich passiv, sind unterwürfig und anhänglich. Die Verantwortung für wichtige Bereiche des eigenen Lebens wird nicht selbst übernommen, sondern abgegeben. Ihre Meinung äußern sie oft nicht, aus Angst verlassen zu werden, ebensowenig wie sie die eigenen Bedürfnisse wahrnehmen, sondern sie - ausgerichtet auf die Bedürfnisse der anderen - verdrängen und unterordnen. Alleinsein fällt diesen Menschen schwer, denn unbewusst haben sie die Überzeugung verinnerlicht: Ich kann nicht für mich selbst sorgen. Ihre größte Angst ist es verlassen zu werden und auf sich selbst angewiesen zu sein. Andererseits löst das Gefühl des Verlassenseins wiederum diese existentiell bedrohliche Angst aus. 

 

Das Grundthema der dependenten Persönlichkeit besteht darin, dass die Ambiguitätstoleranz - ein steuerndes Regulativ der Aufnahme-, Verarbeitungs- und Speicherungsprozesse von Informationen in widersprüchlichen Situationen, um logische Bewältigungsformen von Widersprüchen situationsadäquat einzusetzen - schwach oder gar nicht ausgebildet ist.

Daher kopieren diese Menschen nicht selten den Willen anderer und setzen ihn an die Stelle, wo der eigene Wille gefragt ist. Es geht also nicht, wie man denken könnte, um eine emotionale Bindung zu einem anderen Menschen, sondern im Grunde um die Hinwendung zu einem Objekt, das als Mittel zur Meinungsfindung und Selbstkonstitution gebraucht wird. Eine emotionale Bindung reicht bei diesen Menschen über die einer kindlichen Abhängigkeit nicht hinaus.

 

Abhängigkeit von einem anderen Menschen führt in extremen Fällen dazu, dem anderen ausgeliefert zu sein. 

Oft geht sie mit einem Gefühl ständiger innerer Unruhe, chronischer Unsicherheit, Ängsten und depressiven Stimmungen einher. Besonders dann, wenn sich der Partner entzieht. Bei sich selbst zu sein gelingt dependenden Persönlichkeiten nur schwer oder gar nicht. Meist ist es ihnen gar nicht bewusst, dass sie emotional abhängig ist – sie halten es für die große Liebe.

 

Die Symptome der Abhängigkeit sind sehr unterschiedlich und zeigen sich auf vielerlei Ebenen. 

Ein Beispiel: Der Abhängige will vom Partner bedingungslos geliebt und wertgeschätzt werden und tut dafür alles, bis hin zur Selbstaufgabe. Eine weiteres Beispiel: Der Abhängige braucht die permanente Verfügbarkeit oder Nähe des Partners, er tut alles um die Verbindung aufrecht zu erhalten. Nach dem Motto: „Hold the line“ muss er sich ständig vergewissern, was der andere tut, wo er ist und dass er für ihn erreichbar ist. Das ganze Denken ist auf den Partner ausgerichtet. Wenn dieser einmal nicht erreichbar ist, und sei es nur gefühlt, überfällt den Abhängigen unangemessene Verlustangst.  Mit Drohungen, Lügen und emotionaler Erpressung wird versucht den anderen  an sich zu binden, sobald dieser sich zurückzieht.

 

Emotional Abhängige brauchen den Partner als Objekt zur Auffüllung des eigenen Mangels an emotionaler Autonomie. Allen Abhängigen ist eins gemeinsam: Sie sind abhängig von einer ungesunden Vorstellung von Liebe. Abhängigkeit in Beziehungen schwelt oft lange Zeit im Verborgenen, bevor es zu Dauerkonflikten und schließlich zur Eskalation kommt, die die Beziehung endgültig zerstören kann.

 

Warum werden Menschen abhängig von anderen?

Das Urmuster beginnt fast immer in der Kindheit. Kinder sind von den Menschen, die sie versorgen, existentiell abhängig. Wenn es in dieser Ur-Beziehung an Liebe, Halt und emotionaler Zuwendung mangelt, versucht das Kind dieses Defizit an Zuneigung irgendwie auszugleichen. Sexueller und/oder emotionaler Missbrauch erhöht dieses Zuwendungsdefizit weiter. Wird das Zuwendungsdefizit nicht ausgeglichen, bzw. fehlt dieser Ausgleich ganz, sucht auch das erwachsen gewordene Kind weiter nach diesem ehemals misslungenen Ausgleich.

Emotionaler Abhängigkeit liegt in den meisten Fällen eine traumatische Erfahrung im Kindesalter zugrunde, also eine Situation, in der sich das Kind an etwas anpassen musste, dem es emotional nicht gewachsen war. 

Oft ist es eine Form der anhaltenden Kränkung, die das Kind durch Abspaltung als Form der Ich-Abwehr zu bewältigen versuchte. Abhängige sprechen daher oft von einem Gefühl des Abdriftens in emotional belastenden Situationen.

Menschen, die derart leidvolle Erfahrungen machen mussten, suchen sich später in einer Art Wiederholungszwang unbewusst einen Partner, der sie diesen früh erlebten Mangel wieder fühlen lässt, in der Hoffnung: Dieses Mal wird alles gut, wenn ich mich nur genug anstrenge.

 

Unbewusstes erkennt Unbewusstes.

Zu einer Beziehung gehören immer zwei. Der Partner, der sich als Versorger zum Ausgleich der unbewussten Zuwendungsdefizite zur Verfügung stellt war in vielen Fällen als Kind selbst emotional unterversorgt. Er gibt die schmerzlich vermisste Fürsorge später dem Partner. 

Damit treffen zwei Bedürftige aufeinander. Einer der versorgt werden will und einer, der (ver)sorgen will.

So entsteht eine unheilsame Beziehungskonstellation, denn keiner von Beiden kann die kindlichen Bedürfnisse des Partners erfüllen, weil er ja selbst bedürftig und emotional unerfüllt ist. Beide bleiben dort stecken, wo sie schon als Kind steckten, in der emotionalen Unterversorgung, in der Sehnsucht nach bedingungsloser Liebe.

 

Jede Art von Abhängigkeit führt zu Leiden und schließlich zur Fragmentierung eines falschen Selbst, das seit jeher keine Kontur und keine innere Stabilität hat.

Im Halt suchen beim anderen verliert sich der Haltsuchende im anderen und wird im Zweifel hörig. In seinem Gefühlsleben lebt auf, was er als Kind so schmerzlich empfunden hat: Die Unerreichbarkeit der Bezugsperson, die damals die für das Kind lebensnotwendige Beziehung nicht herstellen konnte. 

Emotional Abhängige leben dieses ungesunde Beziehungsmuster in den verschiedensten Variablen ein Leben lang, ohne sich dessen jemals bewusst zu sein. Verzweifelt versuchen sie anzukommen im Paradies symbiotischer Liebe, aus dem die Eltern sie verstoßen haben oder niemals hineinließen. Durchdrungen vom bedrohlichen Gefühl ohne Zuwendung vom Leben abgeschnitten zu sein, haben sie nur wenig Bezug zur eigenen Lebendigkeit. Sie spüren ihre wahren Bedürfnisse nur schemenhaft und sind emotional blockiert. Sie misstrauen sich selbst und damit auch dem anderen, am meisten aber misstrauen sie dem, was ihnen als Kind gefehlt hat, der Liebe.  Zu reifer Liebe sind sie nicht fähig, weil sie diese nie gefühlt haben. Das einzige was sie kennen ist in der Tat Abhängigkeit von anderen, etwas, die sie für Liebe halten.

 

Emotionale Abhängigkeit ist eine Entwicklungsaufgabe des Selbst.

Unternimmt der Abhängige nichts gegen die Ursachen seines neurotischen Musters wird jede Beziehung, die er eingeht in irgendeiner Form einen abhängigen Charakter haben. Er darf lernen (und das geht nicht ohne eine Therapie), ein gesundes Selbst zu formieren.

Hilfreiche Therapieansätze sind das ressourcenorientierte Vorgehen als auch die Arbeit mit dem Inneren Kind. Das verlassene Innere Kind darf lernen, dass es alleine lebensfähig ist. Es darf lernen, seine Verlassenheitsgefühle auszuhalten, sich selbst eine hinreichend gute Mutter und ein hinreichend guter Vater zu sein, um seine Abhängigkeit von anderen Menschen auf ein gesundes Maß zu reduzieren. Wer lernt sich selbst und sein inneres Kind gut zu versorgen, muss das Zuwendungsdefizit nicht mehr von anderen einfordern und ausgleichen lassen und findet so mit der Zeit zu echtem Selbstwertgefühl. Um eine gelingende Beziehung zu führen, muss er schließlich akzeptieren, dass kein Mensch ihm jemals das geben kann, was ihm die Eltern damals nicht geben konnten. Er muss Abschied von den Eltern nehmen.

Und lernen sich selbst zu geben was er braucht.  

Dann findet die neurotische Spirale der Abhängigkeit ein Ende.

 

Abhängigkeit von Menschen ist eine Sucht, es ist die SEHNSucht gebraucht und geliebt zu werden.

Und das Suchtmittel sind andere Menschen.

Das ist die entscheidende Wahrheit, die der Abhängige für sich selbst anerkennen darf.

Es geht um Heilung von innen nach außen.

Und dieser Weg beginnt im Erkennen, dass er sich erst einmal selbst braucht und liebevoll annehmen darf. 

 



 

Sonntag, 24. Januar 2021

Verstehen

 



Eines unserer wohl größten Bedürfnisse ist die Sehnsucht verstanden zu werden. 
Gehört, geachtet und wertgeschätzt zu werden. Besonders von den Menschen, die uns viel bedeuten. Wenn wir bemerken, dass diese Menschen uns nicht wirklich zuhören, dass sie nicht achten und nicht wertschätzen, was wir sagen, schmerzt uns das.
 
Die meisten Menschen sind emotional zu sehr bei sich selbst, um tief zuzuhören, um ihre eigene Sicht von Welt zurückzustellen und sich auf das Zuhören und Verstehen zu konzentrieren. Es fehlt der Blick auf andere Menschen, der Perspektivwechsel, die Empathie. Es fehlen Selbstrelativierung und Selbstdistanz.
Die Brücke zum anderen hin zerbricht in der Mitte. 
Wir bleiben allen. 
Der eine auf seiner Seite des Ufers, der andere auf seiner Seite des Ufers.
 
Und so ist jeder, der keinen findet, der ihm wirklich zuhört, mit sich selbst. 
Und so fühlen wir uns allein mit unserer Sehnsucht nach Verstandenwerden. 
Manchmal macht uns das traurig und wütend und hilflos.
 
Und was machen wir dann?
Wir wenden uns der einen Person zu, die bereit und willens ist, uns tief zuzuhören - uns selbst. Und wir schweigen und lauschen ...

Samstag, 23. Januar 2021

Verloren

                                                                   Malerei: A. Wende


Zugewandtheit, Wohlwollen, Werte, Sinn, Respekt, Achtung, das Streben nach dem Guten und seiner Verwirklichung, im Kleinen wie im Großen. Gegenteilig zur Gleichgültigkeit, die sich ausbreitet und als Lebensgrundlage niemals eine bessere Zukunft werden kann. Und doch gehen wir dieser Zukunft entgegen. Wir sehen und beklagen den Verlust. Wir spüren wie die kollektive Lebensgrundlage des "Einer für und mit dem den Anderen" unter uns wegrutscht.
Wir verlieren an Halt.
Der Wert von der Angewiesenheit des einen auf den anderen zerbröckelt. Mitgefühl und Gegenseitigkeit schwinden.
Das Streben nach dem Wahren, dem Gute und dem Schönen bleibt den Träumern.
Nein, sie träumen nicht.
Sie sind wach. Hellwach. 

Verloren und allein unter Schlafenden.

Donnerstag, 21. Januar 2021

Aus der Praxis – Wiedergutmachung

 

                                                     Malerei: A. Wende

 

Meine Klientin wurde von ihrem Ehemann betrogen. Der Betrug ist zwei Jahre her, aber sie leidet noch immer darunter. Nach mehreren untauglichen Versuchen die Beziehung wieder zu kitten, haben sich beide dafür entschieden sie zu beenden. „Ich war nicht mehr fähig ihm zu vertrauen“, sagt sie, der Betrug war ein Bruch, der mich in meiner ganzen Person erschüttert hat. 

Warum das so ist, kann sie nicht genau sagen. Dennoch, die beiden können nicht voneinander lassen. Trotz der Trennung fühlen sie sich zueinander hingezogen. Sie haben weiter telefonischen Kontakt. Immer wieder geht es in ihren Gesprächen um den Betrug, für den er sich immer wieder entschuldigt und den er bereut. Aber es hilft meine Klientin nicht. Sie versteht nicht, dass sie sich so in ihrem Mann getäuscht hat und sich derart hat täuschen lassen. Als sich sie frage, was sie sich denn von ihm wünscht sagt sie: "Ich will, dass er es wieder gut macht."

Meine Klientin hat einen Wiedergutmachungswunsch. 

Nun hat er aber seinen Fehler immer wieder zugegeben und es tut ihm auch leid, aber gut wird es nicht. Egal wie oft er sagt, dass es ihm leid tut. Ihr reicht das nicht um ihr Herz wieder zu öffnen.

Wie es scheint, kann keine für beide keine friedliche Auflösung gefunden werden. Wie auch etwas gut machen was geschehen ist und nicht mehr rückgängig zu machen ist? Wie die Vergangenheit auslöschen? Das ist unmöglich. Aber dieses Unmögliche wünscht sich diese Frau von Ihrem Exmann. Und er kann es ihr nicht geben. Eine traurige Geschichte, denn dass da noch Liebe zwischen den beiden ist, spüre ich. 

 

Ich frage mich: Was bedeutet das eigentlich Wiedergutmachung?

Wiedergutmachung besteht nicht darin, unsere Sicht der Dinge darzulegen oder zu erklären. Wiedergutmachung besteht darin, Unrecht das man einem anderen angetan hat, zuzugeben, sich dafür zu entschuldigen und, wenn irgend möglich, dieses wieder gut zu machen.

Im 12 Schritte Programm der Anonymen Alkoholiker heißt es im 9. Schritt: „Wir machten bei diesen Menschen alles wieder gut – wo immer es möglich war –, es sei denn, wir hätten dadurch sie oder andere verletzt. Wer diesen Schritt macht, ist überhaupt erst bereit, um Vergebung zu bitten.

Um um Vergebung zu bitten braucht es Einsicht, Mitgefühl, Sensibilität, Besonnenheit, Bereitschaft, Mut und ein Gefühl für den richtigen Zeitpunkt um diesen Schritt zu tun. Aber vor allem braucht es Demut und Aufrichtigkeit. Nur so kann es gelingen eine zerbrochene Beziehung wieder zu kitten, vorausgesetzt der andere ist dazu bereit.

Warum ist der richtige Zeitpunkt so wichtig?

Es ist äußerst wichtig, dass wir in unserem Bemühen um Wiedergutmachung nicht unbesonnen, sondern sehr bewusst und klar handeln. Es muss klar sein, was wir anbieten und wir müssen es auch halten können was wir anbieten, das heißt – nicht nur in Worten, sondern in Taten. Es nützt nichts zu sagen: Es tut mir leid, ich werde es nie mehr tun. Man darf es auch nie mehr tun. Und das sollte sich der, der sich um Wiedergutmachung bemüht genau überlegen – ob er sein Versprechen ernst nimmt und sich, sich selbst und dem anderen gegenüber, dazu verpflichtet es zu halten.

Von großer Bedeutung sind auch folgende Überlegungen:

Ist das überhaupt wieder gut zu machen?

Wie und wodurch könnte es wieder gut gemacht werden?

Was kann ich aktiv tun um es wieder gut zu machen?

Und: Was braucht der andere von mir, damit es bei ihm wieder gut wird?

Das können wir ihn fragen.

Was wünscht du dir von mir?

Was kann dir helfen, dass es wieder gut ist und du wieder gut mit mir?

Wenn der andere jedoch nicht bereit ist überhaupt über die Angelegenheit zu sprechen haben wir das zu respektieren,  gibt er uns die Gelegenheit, uns zu entschuldigen, sollten wir uns kurz fassen und über die konkrete Situation reden, indem wir den Kern des getanen Unrechts erfassen, und uns nicht in Einzelheiten verlieren.

Im Falle meiner Klientin ist der Betrug nicht der Kern der Kränkung. Er ist der Auslöser, der ihren Kern verletzt hat. Da ist zum einen die Tatsache, dass sie diesen Betrug ihrem Mann nicht zugetraut hätte, weil sie ihm vertraut hat. Es geht also um ihr Vertrauen, dass er missbraucht hat.  Das kann sie ihm nicht verzeihen, sagt sie, weil sie ihm diesen Vertrauensvorschuss gegeben hat in der Annahme, dass er damit vertrauensvoll umgeht und dass er ihr Vertrauen wertschätzt.

Das Nichtwertschätzen zum anderen ist der eigentliche Kern, das was der Mann bisher nicht mehr gut machen konnte. Er hat ihr das Gefühl genommen wertvoll für ihn zu sein, so wertvoll, dass er sie nicht verletzen will und es auch nicht tut. Er hat sie verletzt und er hat ihr dieses Gefühl von Wertschätzung nicht wiedergegeben, weil er keine Handlungen in diese Richtung vorgenommen hat. Sein bloßes: „Es tut mir leid“ ist eine Entschuldigung, aber keine lebendige, gelebte, spürbare Wertschätzung. Aber genau diese gefühlte Wertschätzung von seiner Seite ist es, die meine Klientin braucht um wieder gut zu sein.

Der Mann allerdings rechtfertig sich nur. Er findet Gründe wieso und warum und was  seine Frau dazu beigetragen hat, dass er sie betrogen hat. Er entschuldigt sich zwar, aber all das ist nicht heilsam für das zutiefst verletzte Eigenwertgefühl seiner Frau. Es macht es nicht wieder fühlbar für sie. Sie nimmt ihm nicht ab, dass er es wieder gut machen will.

Wenn wir etwas wieder gut machen wollen müssen wir unseren Willen zur Aussöhnung zeigen und niemals den Wunsch nach Rechtfertigung. Wir müssen alles uns Mögliche tun um diese Aussöhnung auch zu leben.  

Damit haben wir alles getan, was in unserer Macht steht, um eine Beziehungen wieder in Ordnung zu bringen und uns mit dem anderen auszusöhnen. Wir sind auf ihn zu- und eingegangen, wir haben seine Verletzung verstanden, sie nachvollziehen und nachfühlen können und wir haben alles getan, damit es ihm wieder gut gehen kann. Wenn das gelingt, verspüren beide eine neue Art von Frieden.

 

Mittwoch, 20. Januar 2021

Selbstbezogenheit, Empathie, Mitgefühl

 

                                                                         Foto: A. Wende


Viele Menschen sind nicht fähig über den eigenen Denkrahmen hinauszudenken. Noch mehr Menschen sind nicht fähig über das eigene Fühlen hinaus zu fühlen, zum anderen hin zu fühlen, mit dem anderen mit zu fühlen. Sie erleben, fühlen und beurteilen die Welt allein und ausschießlich aus ihren eigenen Erfahrungen und Lebensumständen heraus. Sie sind der Überzeugung, was für sie gilt, ist auch für andere gültig. Sie werten, beurteilen, urteilen und verurteilen nach ihren begrenzten Maßstäben. Sie stecken fest in Schubladen und in diesen Schubladen steckt die eigene kleine Welt. In dieser Welt wird alles was ihnen fremd ist und emotional oder geistig nicht zugänglich, wieder in Schubladen gesteckt.
Der Blick über das Brett vor dem eigenen Kopf ist ihnen nicht möglich. Was ihnen nichts ausmacht, was sie nicht bewegt, was sie nicht fühlen, was sie nicht schmerzt, das gestehen sie auch anderen nicht zu. Rigide und in sich selbst verkapselt, gilt in ihrer Welt: Was nicht sein kann, darf nicht sein!
Und wenn es für sie nicht sein kann, wieso dann für andere? 
 
Sie machen sich das Leben auf diese Weise einfach, einfach für sich selbst, ohne Mitgefühl für den Nächsten jemals zu empfinden oder gar empfinden zu wollen.
Ich mag diese Haltung nicht. Da habe selbst ich es schwer mit liebevoller Güte. Ich mag diese selbstbezogene Art die Welt zu betrachten nicht, denn dieses Denken und Handeln ist der Urgrund für viel Leid in der Welt.
 
Selbstbezogenheit im Denken und Fühlen führt zu Selbstbezogenheit im Handeln.
Sie kennt kein Mitgefühl und nur wenig Empathie.
 
Aber was ist Mitgefühl?
Es ist weit mehr als Empathie.
Empathie ist nicht gleich Mitgefühl. Empathie empfinden die meisten Menschen automatisch, sie hat weder eine soziale noch eine moralische Dimension. Empathisch sein bedeutet lediglich: Ich bin fähig mit anderen mitzuschwingen, ich kann mit anderen leiden oder mich mit ihnen über ihr Glück freuen.
Mitgefühl geht einen wesentlichen Schritt weiter.
Mitgefühl bedeutet anderen Menschen helfen zu wollen, ohne dass ich die gleichen Gefühle wie sie empfinde. Beim Mitgefühl geht es darum, das Wohl des anderen zu wollen und etwas dafür zu tun. Mit anderen Worten: Ein mitfühlender Mensch überwindet sein selbstzentriertes Fühlen, er ist motiviert zu handeln und tut es.
Mitgefühl führt zu einem menschlichen Miteinander und zur tätigen Sorge für Andere. Empathie bleibt im eigenen Ich stecken.

Sonntag, 17. Januar 2021

Mensch

 

                                                           Malerei: Angelika Wende

 

Wir Menschen sind kein Ding, sondern lebendige Personen.

Wir sind kein Etwas.

Kein Jemand.

Wir sind keine Theorie der Person.

 

Wir sind Selbstbewusstsein.

Wir sind Freiheit und Verantwortung.

Wir sind Gestalter.

Wir sind eine ganze Sammlung psychologischer Prozesse.

Wir sind vielschichtiger, als dass man uns zur Masse zusammenfasst.

Eine Theorie des Menschen und damit ein Menschenbild, das den Menschen nicht in seiner ganzen Tiefe und Größe erfasst, kann nicht dort sein, wo man uns gleichmacht.

Das gleicht einem Verbrechen am Menschen.

Samstag, 16. Januar 2021

Was macht Isolation mit Menschen ?

 

                                                                 Foto: A. Wende

Isolation, das klingt nicht gut.
Isolation bedeutet Absonderung, Trennung, Getrennthaltung von Kranken oder Häftlingen. Abkapselung, Vereinzelung, Einsamkeit, Vereinsamung. Das alles verbinden wir mit dem Zustand der Isolation. Das sind Zustände, die kein Mensch erleben möchte.
Genau das aber erleben wir jetzt – Isolation. Die einen mehr, die anderen weniger.
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Das ist keine neue Erkenntnis. Wir brauchen einander. Unser ganzes Zusammenleben basiert auf sozialer Interaktion. Wir leben in und durch Beziehungen. Wir sind Beziehungswesen. 
 
Das Ich braucht das Du, um zu leben, um sich zu verwirklichen und um zu überleben
„Der Mensch ist nicht in seiner Isolierung, sondern in der Vollständigkeit der Beziehung zwischen dem einen und dem anderen anthropologisch existent: erst die Wechselwirkung ermöglicht, das Menschentum zulänglich zu erfassen, schrieb Martin Buber in seinem Werk „Ich und Du“. Dieses Buch ist der Schlüssel zu allen philosophischen Schriften Bubers. Hier entfaltete Buber seine Erkenntnis: Im Anfang ist die Beziehung, und Beziehung ist Gegenseitigkeit.
 
Evolutionär betrachtet gibt es Gründe dafür, dass wir Gegenseitigkeit und Beziehungen brauchen. Soziale Kontakte bedeuten: wir gehören zu einer Gruppe. 
Diese Zugehörigkeit ist seit Menschengedenken ein Überlebensvorteil, da uns andere Unterstützung, Schutz und Trost spenden. Menschen haben sich schon immer in Gruppen organisiert. Das war lebensnotwenig um Bedrohungen der Umwelt zu begegnen. Wer aus der Gruppeausgeschlossen wurde hatte keine guten Überlebenschancen. Wir brauchen den Austausch, als auch den Abgleich mit anderen um uns selbst und die Welt zu erfahren. Im Kontakt mit anderen lernen wir und das von Kindesbeinen an. Wir sammeln Informationen und Wissen. Je mehr wir wissen und verstehen, desto mehr haben wir das Gefühl subjektiv Kontrolle über unser Leben zu haben. Das Gefühl sich selbst und die eigene Welt kontrollieren zu können ist neben dem Bedürfnis nach sozialen Kontakten ein weiteres tief verwurzeltes Bedürfnis menschlichen Seins. Zwischenmenschliche Begegnungen und Beziehungen sind nicht nur dazu überlebenswichtig, sie stabilisieren zudem unsere Gesundheit auf geistiger, seelischer und körperlicher Ebene.
 
Wie wirkt Isolation auf Menschen?
Isolation führt dazu, dass diese elementaren Bedürfnisse nicht mehr erfüllt werden. In der jetzigen Isolationssituation sind wir weitgehend getrennt von den anderen, ein soziales Leben findet fast nicht mehr statt. Dies ist aber die unabdingbare Voraussetzung dafür, soziale Kontakte herstellen und erleben zu können. Wir, das ist jetzt für viele Ich - eine Insel allein in einem großen tiefen Meer und um uns herum viele andere Inseln und kein Boot mit dem wir sie erreichen können. Wir steuern geradewegs in eine Vereinsamung, die sozial exogen, also von Außen verursacht wird und mit der eine ganze Gesellschaft konfrontiert ist. Es fehlen Kontakte, Erreichbarkeit, Interaktion, Schutz, Trost und Nähe. Genau das ist aber insbesondere bei einer Bedrohung wie sie gerade herrscht, von zentraler Bedeutung, um Bewältigungsmöglichkeiten für diese Situation zu schaffen und vor allem um das subjektive Gefühl von Kontrolle wiederzuerlangen. Wenn wir einander nicht begegnen können, wenn wir uns gegenseitig körperlich verlieren, verlieren wir unser sogenanntes „soziales Kapital“ und damit verlieren wir je länger es dauert, den Bezug zum anderen. Und genau dieses soziale Kapital, das wir jetzt so nötig brauchen, kann als essentielles Mittel zu Krisenbewältigung nicht genutzt werden. Es gibt es zwar eingeschränkt aber überwiegend virtuell. Das unterscheidet diese Krise massiv von allen Krisen mit denen unsere Generation jemals konfrontiert war. 
 
Wen trifft es besonders?
Besonders alte Menschen laufen Gefahr, durch das Kontaktverbot ihre vertrauten sozialen Bedingungen, unter denen sie jahrzehntelang gelebt haben zu verlieren und damit den Anschluss an das Leben selbst. Ein Auflösungsprozess, der zusammen mit der nachlassenden körperliche Leistungsfähigkeit und den damit einhergehenden Beschränkungen, die eine aktive Teilnahme am sozialen Leben zunichte macht. Ihres familienintensiven Netzwerks beraubt, vereinsamen sie zusehends. Auch erfahren sie kaum mehr körperliche Berührung durch das Pflegepersonal, was ihr Leid noch vergrößert. Das Gleiche gilt für chronisch Kranke und psychisch oder körperlich behinderte Menschen.
Auch Kinder sind massiv betroffen. Ihnen fehlen die Freunde mit denen sie ihre vitalen Bedürfnisse nach Interaktion, Bewegung, Körperkontakt und Nähe erfüllen können. Ihnen fehlt das Lernen in der Gruppe, die Erklärungen und Hilfestellungen der Lehrer. Ihnen fehlt einfach das, was Kinder brauchen um sich gesund zu entwickeln. Sie lernen gerade ihre vitalen Bedürfnisse zu unterdrücken. Sie sitzen zuhause mit der Familie, manche von ihnen auf engstem Raum mit teilweise überforderten Eltern, die nicht die Zeit und nicht die Muße haben sich um die kindlichen Bedürfnisse und Nöte zu kümmern. Manche leben in dysfunktionalen Familien in denen Sucht, Gewalt und/oder Missbrauch herrschen.
Betroffen sind auch all die Menschen, die allein sind und alleine leben. Konnten sie vorher ihr Singledasein genießen oder durch Aktivitäten kompensieren, so ist das Alleinsein jetzt etwas, was sie nicht mehr frei wählen, sondern etwas, was ihnen auferlegt wird. Kontakte auf Distanz pflegen ja, aber neue Kontakte finden oder gar eine partnerschaftliche Beziehung finden, ist ohne Risiko nahezu unmöglich geworden. 
 
Was geschieht wenn die Isolation zu lange andauert?
Isoliert lebende Menschen entwickeln mit der Zeit Wahrnehmungsmuster, bei denen in zunehmendem Maße Negatives gesehen und verarbeitet wird, während Positives ausgeblendet wird. Das subjektive Erleben der eigenen Rolle im sozialen Gefüge geht verloren. Mangels der Erfahrung von Selbstwirksamkeit kommt es mit der Zeit zu Versagensängsten, dem Gefühl von Ausgrenzung und Zurückweisung und in der Folge zu Selbstwertproblemen. Zudem füttert Isolation die generelle Erwartung von Unheil, was zu einem noch stärkeren Rückzug führt. Isoliert lebende Menschen neigen auch, wider besseren Wissens, mit der Zeit dazu Pseudo-Erklärungen für ihre Isolation zu konstruieren, deren gemeinsames Muster darin besteht, dass die unbefriedigende und als schmerzhaft empfundene Situation der eigenen Persönlichkeit und zugeschrieben werden. Der von der Gemeinschaft isolierte Mensch fühlt sich, je länger der Zustand anhält, ausgegrenzt, zurückgestoßen und abgelehnt. Die Vorstellung, dass die Gründe für das Misslingen sozialer Interaktion auch in den Umständen liegen können, geht verloren. Der Mensch vereinsamt innerlich und äußerlich.
 
Neurologische Veränderungen, die mit sozialer Isolation oder Einsamkeit einhergehen, sind schon lange Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen in der Neurologie. Unter anderem wurde untersucht, wie sich akute soziale Isolation auf bestimmte Gehirnregionen auswirkt und ob sich besonders deutliche Veränderungen beobachten lassen. So zeigten Magnetresonanzuntersuchungen charakteristische Entzugserscheinungen infolge einer zehnstündigen Isolierung auf wie sie z.B. bei Alkoholsüchtigen zu finden sind. 
(Jan Osterkamp: „Soziale Isolation: Süchtig nach anderen.“ spektrum.de)
 
Es gibt Menschen, die mit der Isolation besser und Menschen, die damit weniger gut oder gar nicht klarkommen. Wer an ein zurückgezogenes kontaktarmes Leben gewöhnt ist, kann leichter mit dieser Situation umgehen. Introvertierte Charaktere zum Beispiel, die nicht so viel Kontakt brauchen und mit sich selbst zufrieden sind, empfinden die verordnete Selbstisolation weniger belastend als Extrovertierte oder Menschen, die viel Kontakt brauchen und sehr auf das Feedback und die Anerkennung anderer angewiesen sind. Ebenso macht es einen eklatanten Unterschied, ob man im Home-office sitzt oder ob die Existenzgrundlage komplett weggebrochen ist und den ganzen Tag zuhause sitzt, nichts zu tun hat und nicht mehr gebraucht werden. Das kann zu mentalen und emotionalen Zusammenbrüchen führen und sogar körperlich krank machen. 
 
Was kann man tun?
Es ist wichtig eine Grundstruktur für den Tag zu finden und sich daran zu halten. Das bedeutet: Einen zeitlichen Rhythmus beibehalten. Zur gleichen Zeit aufstehen, schlafen gehen, essen, sich bewegen, ein Projekt verfolgen, Ziele suchen und formulieren und in kleinen Schritten daran arbeiten. Wichtig ist, dass man sinnvolle Arbeiten findet, damit man am Ende des Tages das Gefühl hat: Ich habe etwas getan, was Sinn macht. Nichtstun und sich treiben lassen dagegen kann zur Habituation (Gewöhnung) führen. Habituation beschreibt den Umstand, dass ein Mensch irgendwann nicht mehr auf einen Reiz reagiert, wenn dieser folgenlos bleibt. Vereinfacht gesagt geben unsere Nervenzellen dann Reize, die vom Gehirn nach und nach als unwichtig eingestuft wurden, einfach nicht mehr weiter. Was zur Folge hat: Auch wenn dieser Mensch wieder gefordert wird, reagiert er nicht mehr. Er hat es sich im wahrsten Sinne des Wortes abgewöhnt. 
 
Natürlich löst sich selbst disziplinieren und sich selbst beschäftigen das Problem der Isolation nicht. Aber es ist besser etwas zu tun, als nichts zu tun oder sich der Langeweile zu ergeben und sich so in den Zustand der dumpfen Lähmung fallen zu lassen. Dieses Verhalten birgt auch die Gefahr, dass zum psychischen Druck der Isolation andere psychische Probleme hinzukommen und/oder dass sich bestehende Probleme verstärken. So kann bei Menschen, die dafür anfällig sind, das Verlangen nach Betäubung mittels Alkohol und anderer Drogen steigen. Die mögliche Folge: Sie ziehen sich vollends in sich selbst zurück. Sie glauben nie wieder etwas leisten zu können und fühlten sich als Verlierer, auch im Sinne sozialer Erwünschtheit. 
 
Welche Menschen kommen nun mit Isolation am Besten zurecht?
Am besten bewältigen das emotional stabile, resilient genannte Persönlichkeiten. Das konnte man bei Menschen beobachten, die sich in Isolationshaft befanden. Fakt ist dennoch: Wir Menschen sind für die Isolation nicht geschaffen. Wir haben sie nicht geübt. Der Umgang damit ist etwas was uns völlig fremd ist und deshalb sollten wir nicht zu viel von uns erwarten, wenn wir damit nicht gut klar kommen. Andererseits, es gibt Einsiedler, die damit sehr gut klar kommen. Aber diese haben die Isoation selbst gewählt und das macht einen Unterschied.

Freitag, 15. Januar 2021

Aus der Praxis – Der Notfallkoffer, erste Hilfe bei emotionaler Überflutung

 

                                                                     Foto: www
 
In extremen Krisensituationen wie wir sie alle gerade erleben, kommt es bei manchen von uns zu hochstressigen Momenten, die kaum zu bewältigen scheinen und uns völlig überfordern. Wir verlieren den Kopf. Wir ticken aus. Wir sind überflutet von destruktiven Gefühlen, die wir nicht mehr regulieren können und geraten vielleicht sogar in Panik. Das ist in solchen Situationen vollkommen normal und wir brauchen uns dafür nicht zu schämen. Wir sind fühlende Wesen, die nur ein gewisses Maß an seelischer und geistiger Belastung ertragen können.
Wie viel ein Mensch aushalten kann ist individuell verschieden. Der eine hält viel aus, der andere weniger. Das hat unter anderem mit der eigenen Resilienz zu tun, aber auch mit den individuellen Lebensumständen. Besonders Menschen, die seelisch instabil sind oder denen es sowieso nicht gut geht, geraten jetzt öfter an ihre Grenzen. Auch das ist normal und kein Grund sich dafür zu verurteilen. 
Es ist okay!
 
In diesen hochstressigen Momenten wie sie vor allem Borderline-, Trauma-, Zwangs- oder Angstbetroffene sehr oft erleben, stecken wir in einem Gefühl derart fest, dass die Regionen für logisches Denken im Gehirn kurzfristig blockiert sind. Ab einer extrem hohen emotionalen Anspannung können daher für den ersten Moment nur Skills helfen, die starke sensorische Reize auslösen. Diese sogenannten Stresstoleranz-Skills sind kurzfristig wirksame Hilfsmittel, um die hohe Anspannung möglichst schnell zu beenden um uns in den Moment zurückzuholen und uns wieder zu erden.
In der dialektisch Behavioralen Therapie (DBT) dient die Anwendung von Stresstoleranz-Skills dem Erlernen von Alternativen, die nicht selbstschädigend sind und die auch unterwegs in einem sogenannten Notfallkoffer jederzeit griffbereit sind. Als solche Skills eignen sich beispielsweise Chilischoten oder Ammoniak Ampullen. 
 
Aber was soll denn daran beruhigend wirken, auf eine Chilischote zu beißen oder an einer stinkenden Ampulle zu riechen?
Ja, das mag erst mal befremdlich wirken. Es hat aber durchaus Wirkung. Ziel ist es nämlich einen starken körperlichen Reiz auszuüben, um uns von der starken inneren Anspannung abzulenken und das Stresslevel zu senken.
Sobald wir spüren, dass die innere Anspannung zu steigen beginnt und sich einem nicht mehr aushaltbaren Maß nähern wird, können wir mit den verschiedenen Tools aus dem Notfallkoffer gegensteuern.
 
Was ist in diesem Notfallkoffer drin?
Der Notfallkoffer beinhaltet zum einen ablenkende und zum anderen beruhigende Tools.
Zu den ablenkenden Tools gehören Reize für die Geruchsnerven wie Parfüm, Zimt oder Vanille oder auch ein stechender Geruch wie Ammoniak.
Reize für die Geschmacksnerven sind eine scharfe Chili, Brause, oder eine Zitrone.
Reize für die körperliche Empfindung sind z.B. ein Gummiband am Handgelenk, welches gegen das Handgelenk geschnippt wird, eine harte Bürste mit der man über den Arm reibt, eine Wäscheklammer, in die man den Finger klemmt oder ein Igelball.
Alle diese ablenkenden Reize besitzen die notwendige Intensität um innere Anspannung schnell zu reduzieren.
 
Zu den Tools für die geistige Ablenkung und emotionale Beruhigung gehört alles, was schnell positive Emotionen in uns weckt.
Zum Beispiel:
Ein Stofftier, Fotos von geliebten Menschen, eine Mail oder ein Brief, der gute Gefühle weckt, das Hören der Lieblingsmusik, eine Liste mit Dingen auf die man stolz ist, eine Liste mit positiven Affirmationen oder schöne Kinder- und Märchenfilme für das Innere Kind.
Sinnvoll ist auch ein Krisenplan mit Telefonnummern von Freunden, des Therapeuten, falls man einen hat, die Nummer der Telefonseelsorge und der Krisenambulanz sowie eine selbstverfasste Liste mit positiven Gedanken die man negativen Gedanken entgegensetzt.
 
Kreativität
Hilfreich ist auch kreativ zu werden um sich emotional zu beruhigen.
Dazu gehört alles was Spaß macht und angenehme Emotionen hervorzuruft um die Anspannung zu senken und den Kopf im positiven Sinne beschäftigt.
Malen, Zeichnen, Stricken, Häkeln, überhaupt etwas mit den Händen formen, Mandalas ausmalen, Puzzlen, das Lösen von Kreuzworträtseln, Bewegung wie Tanzen oder ein Spaziergang an der frischen Luft, Achtsamkeitsübungen und Mediation. 
 
So ausgerüstet sind wir gewappnet, wenn es wieder einmal nicht auszuhalten ist. Allein das gibt schon ein beruhigendes Gefühl, wir wissen: Wir sind dem emotionalen Notfall nicht hilflos ausgeliefert.

Donnerstag, 14. Januar 2021

Aus der Praxis–Selbsthilfe bei depressiven Verstimmungen



 
Destruktive Gedankenkreise sind sehr belastend.
Wenn uns unentwegt düstere und ängstliche Gedanken um die eigene Person, die Menschen, die wir lieben, die Existenz, die ungewisse Zukunft und die bedrückende Vergangenheit den Alltag erschweren, leiden wir . Machen wir uns deshalb Schuldgefühle und Selbstvorwürfe leiden wir noch mehr.
Destruktive Gedanken sind nagend. Je mehr sie von uns Besitz ergreifen, desto sinnloser erscheint uns das Leben und die Hoffnung es könne wieder gut werden, schwindet.
Wir gleiten oftmals unbemerkt in eine Depression.
 
Die meisten depressiven Menschen sehen ihre Depression als persönliches Versagen. Dies führt wiederum zu andauerndem Grübeln über das eigene unerwünschte Verhalten. Eine tiefe Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Gefühle innerer Lehre und Resignation sind vorherrschend. Die emotionale Gestimmheit wird zunehmend bedrückender und irgendwann ist da die Lähmung.
Fragt man Menschen warum sie depressiv sind können sie oftmals gar nicht sagen, weshalb sie so traurig und niedergedrückt sind. Es fühlt sich alles schwer an und der Kern der Schwere ist nicht wirklich greifbar.
Das macht ohnmächtig.
Das macht schon das morgendliche Aufstehen zur unüberwindlichen Kraftanstrengung. Sie würden lieber im Bett bleiben und sich den ganzen Tag unter der Decke verkriechen. Alles wird als „zu viel“ empfunden. Sie brauchen für alles immer länger, sie verlassen die Tagesstruktur, schieben Arbeiten auf, sie verlieren Interessen, Bedürfnisse und Wünsche. Sie ziehen sich in ihr Schneckenhaus zurück und beginnen sich abzukapseln. Sie wählen die Isolation, weil sie mit dem Außen nicht mehr mit(fühlen) können. Es geht sie nichts mehr an, sie haben da keinen Platz mehr und es versteht sie keiner mehr, auch, weil sie sich ja selbst oft nicht mehr verstehen.
 
Wie können wir uns davor schützen in diesen depressiven Zustand zu gleiten?
Atemübungen, Achtsamkeit und insbesondere Mediation können uns davor bewahren, in das wiederholte und anhaltende Grübeln über das Unselige in und um uns herum zu verfallen.
Durch die tägliche Praxis der Meditation lernen wir uns innerlich von der eigenen depressiven Gedankenwelt zu distanzieren, wir lernen uns zu disidentifizieren.
Je öfter wir das tun, desto eher können wir unsere Gedanken wieder als Gedanken und nicht als „die Wirklichkeit“ wahrnehmen. Wir hören auf ständig neue depressive Gedankenstränge zu nähren und sie damit am Leben zu halten. Wir nähren stattdessen die innere Freiheit von Belastendem. Wir spüren wieder Ausgeglichenheit und die Hoffnung auf Veränderbarkeit. Wir empfinden wieder mehr das Gefühl innerer Ruhe und Zuversicht. Die innere Leere darf sich mit gelassener Geborgenheit füllen.
Wer sich schwer tut in der Stille zu sitzen und auf den Atmen zu achten kann eine fokussierende Meditationsmethode auf ein äußeres Objekt auszuprobieren. Das kann eine brennende Kerze sein auf welche für eine bestimmte Zeit die ganze Aufmerksamkeit gerichtet wird. Das ist besonders dann hilfreich, wenn dunkle Gedankenschleifen die Aufmerksamkeit so stark auf sich ziehen, dass es sehr schwer fällt, sich ihrer Intensität zu entziehen. Dann hilft ein Stimulus wie die Kerze die Aufmerksamkeit an sich zu binden. Hilfreich ist auch eine geführte Mediation, die man online abrufen kann. Zum Beispiel die geführten Meditationen des Zen Meisters Hinnerk Polenski, die mich immer wieder erden, wenn ich die Bodenhaftung verliere.
 
Aus Erfahrung weiß ich, nicht allen depressiven Menschen gelingt es sofort einen Zugang zu diesen hilfreichen Techniken zu finden. Oft blockiert sie der innere Kritiker, der sagt: „Lass es, es gelingt dir sowieso nicht, bringt nichts, keine Kraft, zu anstrengend, wenn es so einfach wäre“, u.s.w. So sabotiert dieser destruktive innere Anteil meist erfolgreich das Ausprobieren, das Dranbleiben, das Praktizieren.
Was in diesem Falle hilfreich ist sind auch Bücher, die uns motiviren können den Zugang zur Meditation zu wagen. Bücher von Menschen, die wissen worüber sie schreiben, weil sie sich selbst auf diese Weise aus der Depression gerettet haben.
Eines davon möchte ich allen, die einen Zugang zum Buddhismus haben oder offen dafür sind und sich gerade traurig, überfordert oder depressiv fühlen, ans Herz legen: "Der Zen-Weg aus der Depression. Therapeutisch-spirituelle Hilfe zur Selbsthilfe" Ein wunderbares Buch darüber, wie die Weisheit des Buddhismus und die Praxis der Achtsamkeit helfen können, Depressionen zu lindern. Geschrieben von Philipp Martin, einem Psychotherapeuten, der mit Hilfe seiner spirituellen Praxis die eigene Depression überwinden konnte.
 
Namasté

Mittwoch, 13. Januar 2021

Sinngebung in der Krise

 

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Irgendwie haben viele von uns den Halt und den Kompass verloren. In der Krise finden wir keine verbindlichen und tragfähigen Antworten mehr, weder was eine Lösung angeht, noch was wir in Bezug auf unsere Lebensentwürfe noch realisieren können. Wir stecken fest in einem nicht enden wollenden Lockdown. Lebensidealismus und Hoffnung aufrecht zu erhalten ist eine mühsame tägliche Herausforderung für viele von uns geworden. Auch die, denen es existentiell noch gut geht, deren Existenzen nicht auf der Kippe stehen oder noch nicht vernichtet sind, fragen sich: Ist es nur noch eine Frage der Zeit bis zum kollektiven Kollaps?
 
Ein zunehmend wachsendes Lebensgefühl der Skepsis, der Verunsicherung, der Demoralisierung und der Resignation ist nicht verwunderlich. Waren wir einst ein reiches, hoch entwickeltes Land in dem Freiheit, Demokratie und Menschenwürde hohe Werte waren, so erleben wir wie diese Werte zusehends bröckeln.
Viele Menschen ziehen sich in der Folge aus einer Welt zurück, von der nicht mehr viel zu erwarten ist, und verpuppen sich in ihren privaten Kokon. Sie versuchen, so gut es geht, mit dem was ist fertig zu werden und stoßen dabei an die Grenzen der Belastbarkeit. Überforderung allerorten, in der Politik, in der Wissenschaft in den Seelen.
Wo soll man noch Halt und Orientierung finden in einer Welt die scheinbar machtlos einer Krise ausgeliefert ist und nur in kleinen Schritten, von denen nicht einmal gewiss ist, ob sie denn die Lage radikal zum Bessern verändern, dem Kollaps entgegenzuwirken versucht? Wie soll man anderen Halt bieten, wenn man selbst am wackeln ist? 
 
Die Verdunkelung zeigt sich auf allen Ebenen des Seins weltweit.
Der moderne Mensch ist in eine Existenzkrise gestürzt, die von Außen auf ihn eingebrochen ist und damit ist er an einem Punkt angelangt wo es ums bloße Überleben geht. Jeder ist bedroht, jeden kann es treffen, das Virus, der Verlust geliebter Menschen, der Verlust der Existenz, das materiell abgesicherte Sein, der Verlust des eigenen Lebens.
Zurückgezogen in eine fatalistische und provisorische Erwartungshaltung eines unbestimmten Endes lebt es sich nicht gut. Kein Grund alarmistisch zu werden? Meines Erachtens ein nachvollziehbarer Grund. 
 
Man kann diesen Zustand nicht dramatischer machen als er es schon ist. Er ist für die Mehrzahl der Menschen kaum noch erträglich. Ihre akute Not ist an alle Ecken und Enden sichtbar und spürbar. Das Lebensgefühl hat sich verändert. Einerseits ist es der Boden auf dem sich weitere Resignation ausbreitet, andererseits ist es eine Prüfung für den menschlichen Geist. Hat man ihm die Normalität des Alltags genommen und ist sie zusätzlich mit einer unsichtbaren, kaum bremsbaren Bedrohung infiziert, trudelt er dem Gefühl der Bodenlosigkeit entgegen. Die vertraute Wirklichkeit einer nahen Vergangenheit ist verschleiert durch eine Verarmung des Jetzt. Verarmt an Möglichkeiten, verarmt an Freiheit, verarmt an Freude, verarmt an Sicherheit, an Planbarkeit, verarmt an Nähe, verarmt an so vielem, was dem Leben Sinn gab.
 
Die Existenzkrise führt direkt in die Sinnkrise.
Eine Verflachung der Affekte, die als trüber Unterton den Alltag begleitet, macht müde und immer müder. Müdigkeit macht träge. Die Unfähigkeit aktiv am Leben teilzunehmen zu können, führt zu immer mehr Mangelerscheinungen, die durch wenig zu kompensieren sind. Ein Mangel an Begeisterungsfähigkeit, ein Mangel an Zuversicht, ein Mangel an Sicherheit, ein Mangel an Halt, an Gestaltungsmöglichkeit, ein Mangel an Selbstentfaltungsmöglichkeit, ein Mangel an Kontakten - wohin wir blicken: Mangel.
Je weniger Bedürfnisse erfüllbar sind, desto größer der Mangel.
Der Mensch 2021, ein Mangelwesen, wie wir ihn so nicht kennen.
Das befremdet und macht uns uns selbst fremd.
 
Wer sind wir jetzt noch?
Worauf gründet sich unser Sinn?
Auf Hoffen, Durchhalten, Aushalten?
Schwer bei dem vagen Gefühl, das Leben zu versäumen und es nie wieder so zu erfahren, wie wir es einst kannten.
Wir warten und sind doch feinfühlig genug um zu spüren, dass das Leben weitaus mehr ist, als warten. Denn im Warten verpassen wir das Lebendige selbst.
Frustriert und gelangweilt in einer still stehenden Welt, die von uns selbst mit dem was wir einbringen können und wollen, nicht mehr im gewohnten Maße beinflussbar ist, in einer Welt die auf das Überleben heruntergebrochen ist, machen wir uns auf die Suche nach Bedeutung und Sinn. 
 
Aber woher den Sinn nehmen, angesichts einer zunehmenden Verdunklung im Leben des Einzelnen und des Kollektivs?
Der Blick auf das was ist, der Blick auf die eigene Not und die eigene Bedürftigkeit ist geschärft. Beschäftigt mit dem kräftezehrenden täglichen Versuch der eigenen Ermutigung, verlieren manche den Blick auf den anderen. Sie erblinden für die Not ihrer Mitmenschen und versuchen, das was ihnen noch bleibt, in ihrem Leben zu erhalten. Andere wiederum werden gerade durch die eigene Not sehend für die Not der anderen und geben was sie an Mitteln haben um die Not zu lindern. Sie wachsen über sich selbst hinaus – zum anderen hin. Anstatt in Selbstbezogenheit und bloßem Eigeninteresse zu denken und zu handeln und die damit einhergehende Geichgültigkeit dem Nächsten gegenüber und damit wiederum die Gleichgültigkeit dem eigenen Sein gegenüber zu füttern, werden sie zum Halt für andere - eine Möglichkeit der Sinngestaltung in diesem Drama, um es gemeinsam zu bewältigen.
Solange es dauert, bis es nicht mehr ist und auch wenn es in diesem Drama keine Katharsis geben sollte, so haben die nicht Gleichgültigen eine Leerstelle, die diese Krise kennzeichnet, gefüllt: Die Mitverantwortung für andere.