Mittwoch, 9. Mai 2012

Porträts von David Iacovazzi-Pau

  -->
Seit den Anfängen der Kunst stehen Bilder von Menschen im Mittelpunkt künstlerischen Schaffens. Das Bildnis gilt als Ursprung der Malerei überhaupt.

Nach der Legende „Geschichte der Tochter des Butades“ des italienischen Renaissance – Kunsthistorikers Giorgio Vasari, ist Malerei dadurch entstanden, dass eine junge Frau im Schmerz um den Verlust des Geliebten den Umriss seines Schattens auf der Wand nachgezeichnet hat, um so das Bildnis seiner Gestalt behalten zu können. Den Abwesenden stets vor Augen, fand sie Trost.

Porträts haben die Funktion an eine Person zu erinnern und zugleich - sie zu repräsentieren. Dabei ist eine Ähnlichkeit zwischen dem Porträtierten und seinem Bildnis entscheidend, sowohl in äußeren physiognomischen Merkmalen als auch in einer Erfassung des Wesens. 

Ein gutes Porträt lebt von der empathischen Erkundung der psychologischen Befindlichkeit des Dargestellten. Und jedes Porträt sagt immer ebensoviel über den Maler aus, als über sein Modell. Es ist die Bildgattung, die zwei Menschen auf ewig miteinander verbindet.

Das Porträt ist ein Dialog zwischen dem, der malt und dem, der gemalt wird. Mehr noch: es tritt einem Dritten gegenüber - dem Betrachter.

Kommunikation ohne Worte. Still und doch aus sich heraus, mit und zueinander, sprechend.

David Iacovazzi-Pau ist ein stiller Mensch, ein sensibler Mensch, ein Mensch, der mehr im eigenen Inneren, denn im Außen lebt, der über die Malerei ausdrückt, was er wahrnimmt und empfindet.
Es ist sein Bild vom Menschsein, das er im Menschenbildnis festhält und so ist jedes Bild, das sie hier sehen, auch Ausdruck seines persönlichen Fühlens.

Es fällt ihm schwer über seine Kunst zu sprechen. Und eigentlich hat er Recht, Bilder sprechen für sich und sie geben immer nur das preis, was wir beim Betrachten empfangen, jeder mit seiner eigenen Wahrheit und seiner eigenen Befindlichkeit.

Asking an artist to talk about his work, is like asking a plant to discuss norticulture“, sagte einst Jean Cocteau.

Ist das so?

Ja, sagt David.

Und es auch nicht so, denn es kommt auf die Fragen an, die wir stellen. Nicht bezüglich der Malweise,  denn die sehen wir mit den Augen, aber Fragen über den Künstler und wie er Welt sieht, vielleicht nur diese Frage, denn diese Sicht von Welt ist es, die das Werk jedes Künstlers bestimmt und ausmacht.

Wie sieht dieser junge Maler die Welt und was steht im Focus dieser Sicht und der daraus sich entwickelnden Gedanken, in Hinblick auf die Umsetzung in seiner künstlerischen Arbeit?

„Nichts interessiert mich mehr als der Mensch“, sagt er.

Auf den Menschen blickt er. Es ist der Blick auf das nicht Eigene, das Fremde, um dann innen und außen, malerische Interpretation und das Fremde, zu vereinen.

So bildet sich der Charakter dieser Portraits aus der Verbindung und dem Dialog zwischen dem Beobachter und dem beobachteten Gegenüber.

Eine Beziehung nimmt im Bild Gestalt an. So präzise der Maler auch die Züge seiner Protagonisten auf die Leinwand bringt, so sind doch seine Wahrnehmung und Rezeption letztlich das, was diese Gesichter ausmacht und den Porträts das gibt, was über die pure Wiedergabe einer Physiognomie hinausgeht.

Mit den Augen des Malers gesehen, hinter einem weißen Schleier, meist en face, in Frontalansicht oder im Viertelprofil, wie der Wirklichkeit entrückt, präsentieren sich diese Gesichter.

Vielfach geht David über die Verfremdungstechnik der unscharfen Darstellung hinaus und zieht Furchen durch die Oberfläche der Gemälde. Das Verwischen der Oberflächenstrukturen, das Einsetzen kräftiger Farben, die Transparenz und Luzidität der überlagerten Farbschichten, die meist monochromen Hintergründe, die nicht von der Person ablenken, schaffen Eindringlichkeit.

Sie zitieren die Fragwürdigkeit der nicht Erfassbarkeit der Essenz eines Individuums, den Wesenskern, das, was den Menschen im tiefsten Innern ausmacht.

Die Essenz ist es, die David Iacovazzi-Pau sucht.

„Es ist schwierig“, sagt er.

Schwierig, weil er weiß, dass er sie doch nur im Ansatz erfassen kann, denn jeder ist ein Rätsel - sich selbst und den anderen.  

Und doch, dieser Maler hat die Gabe die Wesenzüge eines Portraitmodells konzentriert darzustellen, das fasziniert ihn, das liebt er, das ist seine Arbeit – a life time work, wie er sagt.

Hier sucht ein Künstler nicht nach einem subjektiven malerischen Schönheitsideal, dem er das Aussehen seiner Modelle unterwirft, es sind Menschen wie Sie und ich, die ihn interessieren - diese Menschen sind wirklich. Es sind Freunde und Bekannten, dann wieder sind es Fremde. Es sind Menschen, die ihm begegnen, die er anspricht, sie bittet sie fotografieren zu dürfen um sie zu malen. Identifiziert werden sie nach der Fertigstellung des Bildes nicht, die Titel verraten nur die Vornamen.

Skizze für Skizze, nach fotografischen Vorlagen angefertigt - bis zu 50 entstehen bevor der Malprozess beginnt - spielt er verschiedene Möglichkeiten des Ausdrucks durch. Ein tastendes Suchen bis er zu einem subtilen Verständnis der Person gelangt.

Sich stets des Prekären im Privaten bewusst entsteht dann das Bild, dessen Hauptanliegen nicht in der Mitteilung eines momentanen Stimmungseffektes liegt, sondern im Finden der Einzigartigkeit des Individuums, die das einschließt, was Leben ist  – Veränderung, Vergänglichkeit und Vergehen.

Das memento mori, das „Bedenke, dass du sterben musst“, das Symbol der Vanitas beschäftigt David, seit er eine dramatische Begegnung mit dem Tod hatte. Das hat ihn geprägt, das war der auslösende Moment für die Entscheidung Menschenbilder zu malen.

If you are aware of time, time will tell you that you have no time, because tomorrow may never come.“

„Wenn du dir der Zeit bewusst bist, wird sie dir sagen, dass du keine Zeit hast, denn vielleicht gibt es kein morgen“, sagt David.

Dieses Wissen um die Fragilität unserer Existenz, um die eigene Vergänglichkeit, das wir alle haben und vielleicht, um es zu ertragen verdrängen, auch das spiegeln uns die Antlitze auf diesen Leinwänden.  Ein Anhalten der Zeit und ein Konservieren im Bild, über das Vergehen der Zeit hinaus.

Tröstet das? Vielleicht ...

In Selbstversenkung und Stille eingeschlossen blicken die Augen der Porträtierten,  aus Fenstern der Seele den Betrachter nicht an, sie sind bei sich selbst, im eigenen Sein.

Ist nicht dies die Essenz, die uns alle verbindet, das tiefe innere Wissen – jeder ist allein?

Was dieses Werk auszeichnet und zusammenhält, ist die mit den Sinnen wahrgenommene, transzendierte malerisch inszenierte Realität der menschlichen Existenz,  festgemacht am Porträt.





© angelikawende
David Iacovazzi-Pau, Mainzer Rathaus, 8. Mai 2012