Sonntag, 20. Dezember 2020

Weihnachten 2020

                                                                    Foto. A. Wende


Es ist der 20. Dezember 2020.
In vier Tagen ist Weihnachten. Es fehlt an vielem, was uns vertraut war in der vorweihnachtlichen Zeit, vor allem aber fehlt es an Zukunftseuphorie.
Die Städte liegen in staatlich verordneter Stille, kein Leben auf den Straßen, alles ausgestorben. Die Weihnachtsbeleuchtung kippt ihr einsames Licht auf das Straßenpflaster. Es herrscht wieder Shutdown am 20. Dezember 2020, das dritte Mal in diesem alles verändernden Jahr. Es ist ein nasskalter, grauer Sonntag. Keine weiße Weihnacht in Aussicht. Der Winter ist mild, aber die Menschen frieren innen. Man hat sie voneinander getrennt. Um sie voreinander zu schützen, damit sie sich nicht anstecken, einer am anderen, seit ein Virus die Welt befallen hat.
 
Seit März stehen die Menschen unter Spannung. Sie haben Angst um sich selbst und Angst um ihre Liebsten. Wie nah darf ich ihnen kommen, wie hoch ist das Risiko sich gegenseitig zu infizieren? Wie weit voneinander weg ist es sicher, wenn auch nicht gut, weil es weh tut das Nichtnahe, das Nichtberühren, das Nichtspüren menschlicher Wärme, körperlich weh und immer mehr weh, weil Weihnachten ist, das Fest der Liebe.
Liebe will anfassen, Berühren gehört zu ihrer Sprache.
Anfassen geht nicht. Immer ist da ein Risiko.
Mann, Frau, Kind, jung, älter, alt - alle sind potenziell eine tödliche Gefahr füreinander.
 
Aber wir wollen doch beieinander sein! 
 Die Zeiten sind hart genug. Wir haben so viel verloren was uns wertvoll und wichtig war und vertraut und gut, so viel, dass wir es noch immer nicht ganz begriffen haben, weil es unbegreiflich ist, was uns da widerfahren ist in diesem Jahr, nach all den Jahren in denen alles doch irgendwie gut war für uns, auch wenn es mal Ungutes gab. Wir wollen wenigstens beieinander sein und uns halten und trösten und lieb haben. 
 
Permanent müssen wir wachsam sein. 
Nachdenken über ganz normale Dinge, die früher selbstverständlich waren – ein Händedrück, eine Umarmung, ein Kuss.
Die immer offene Türe für unseren Nächsten - geschlossen.
Nichts mehr ist selbstverständlich.
Das Selbstverständliche hat sich aufgelöst.
Ist kaputt gegangen, das Selbstverständliche.
Das Grundvertrauen, die letzte Sicherheit ist gebrochen.
Kaputt und wird nie mehr zu dem, was es vorher war.
Berührung, Nähe – eine zerstörte Selbstverständlichkeit.
Eine zerstörte Selbstverständlichkeit kann zu keiner neuen Selbstverständlichkeit werden.
Der Bruch hat es gezeigt: Nichts ist selbstverständlich.
Da ist etwas Neues in unser Leben gekommen, das alles verändert hat.
Das Haus in dem wir wohnen, hat Risse bekommen.
Ist nicht mehr dicht. Ist nicht mehr Schutz. Seine Mauern sind brüchig geworden und unsicher, bedroht vom Außen. Das Virus kennt kein Hausrecht.
Etwas Bedrohliches hat sich in unser Leben eingenistet. Unsichtbar und potenziell tödlich kriecht es durch jede Ritze.
Still und leise hat sich etwas verändert, hat sich Halt und Fundament aufgelöst.
Nein, wir können nicht mehr so tun, als ob nichts wäre.
An diesem Weihnachten 2020 schreiben wir eine neue Zeit.
Zukunft ohne Euphorie.

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