Wir sind Beziehungswesen. Das liegt in unserer menschlichen Natur. Wir alle haben das Bedürfnis nach Zuneigung. Wir wollen gesehen, anerkannt, akzeptiert und geliebt werden. Diese Bedürfnisse sind gut und gesund, weil sie zu unserem Seelenheil beitragen und menschliches Miteinander überhaupt erst möglich machen. Diese Bedürfnisse resultieren aus einem tief in uns verwurzeltem alten Überlebensmechanismus. Früher war es einfach nicht möglich, alleine ohne die Gruppe zu überleben. Diese Erfahrung steckt noch immer in unserem kollektiven Gedächtnis.
Zum Problem werden diese Bedürfnisse dann, wenn wir glauben, dass das Wohlwollen, die Akzeptanz oder die Liebe anderer der entscheidende Faktor für unseren eigenes Wohlergehen ist.
Es gibt Menschen, denen es so wichtig ist von allen gemocht zu werden, dass sie sich schlecht fühlen, wenn sie nur die geringste Zurückweisung erfahren. Sie können es nicht ertragen, wenn andere sie nicht mögen. Diesen Menschen ist es deshalb auch enorm wichtig, was andere über sie denken. Haben sie das Gefühl, dass es nichts Gutes ist, macht sie das zutiefst unsicher und unglücklich. Um das zu vermeiden sorgen sie immer dafür niemanden zu enttäuschen oder zu verärgern.
Gemocht werden ist für diese Menschen wie die Luft zum Atmen. Sie brauchen sie um nicht emotional zu ersticken. Positives Feedback ist der Treibstoff für ihr gesamtes Handeln in der Interaktion mit anderen. Sie müssen einfach gefallen. Diese Menschen sehnen sich so sehr nach Wertschätzung durch andere, weil es ihnen nicht gelingt, sich selbst wirklich zu wertschätzen. Früher nannte man dieses Verhalten Gefallsucht. Heute nennt man solche Menschen "People Pleaser". Das Paradoxe ist: Je mehr der "People Pleaser" versucht zu gefallen, desto schlechter gelingt es und, bleibt der Erfolg aus, geht es ihm umso schlechter.
Anderen Menschen gefallen zu wollen macht geistig und emotional abhängig. Und es macht uns klein vor den anderen, die genau spüren, dass wir von ihrem Wohlwollen abhängen.
Wir machen uns damit selbst klein. Das kann uns sogar großen Schaden zufügen, denn so sind wir manipulierbar und verletzbar. Indem wir alles tun um anderen zu gefallen, laden wir sie förmlich dazu ein uns zu benutzen. Wir machen uns also selbst unglücklich, wenn wir alles tun, um zu gefallen, damit andere uns wertschätzen oder lieben. Bekommen wir das Ersehnte nicht, fühlen wir uns frustriert, hilflos und ohnmächtig. Und wir werden oft enttäuscht.
Frustration, Hilflosigkeit und Ohnmacht sind unheilsame Gefühle, die auf Dauer nicht nur zu seelischen Verstimmungen führen, sondern krank machen können.Diese unheilsamen Gefühle können wir nicht immerzu wie einen Ball ins Wasser runterrücken, sie ploppen hoch, so wie der Ball sobald man ihn loslässt. Meist allein zu Hause, in der Nacht, wenn es dunkel ist, wenn da keiner ist, der uns gibt, was wir so dringend brauchen und für das wir bereit sind alles zu tun schleichen sie sich an uns heran.
Unheilsame Gefühle zehren am Gemüt. Und sie entmutigen mit der Zeit.
So traurig es ist, das Leben zeigt uns, andere Menschen sind nicht immer bereit zurückzugeben was ihnen geschenkt wird, auch wenn wir uns das wünschen. Es ist und bleibt ein Wunsch, geboren aus der Sehnsucht geliebt zu werden. Diese Sehnsucht ist ein starkes Gefühl, das meist aus der Kindheit rührt, aus einer Zeit wo wir abhängig waren von der Zuwendung anderer. Haben wir diese nicht ausreichend und in gesundem Maße bekommen, bleibt diese Sehnsucht bis ins Erwachsenenalter.
Und das ist der Fallstrick für Gefallsüchtige: Sie fordern etwas ein, was sie nie bekommen haben, in der Hoffnung den kindlichen inneren Mangel endlich doch noch füllen zu können. Es gelingt nicht, wie die Erfahrung zeigt. Wir müssen also etwas ändern um uns selbst nicht weiter Schaden zuzufügen.
Wir könnten darüber nachdenken, was in uns es ist, warum wir so sehr gemocht werden wollen und alles tun um zu gefallen.
Vielleicht wollen wir ja selbst nicht zurückgewiesen, enttäuscht oder verletzt werden. Und so tun wir alles um es anderen nicht zuzumuten. Nach dem Motto: Ich tu dir nichts an, was ich nicht möchte. Vielleicht fürchten wir uns vor Konflikten und glauben ihnen nicht standhalten zu können, wenn wir sagen, was wir in Wahrheit denken und fühlen oder wenn wir Nein sagen.
Vielleicht möchten wir, dass andere es uns immer Recht machen.
Vielleicht geben wir den Geber um zu bekommen, was wir gerne hätten.
Wer sein gefallsüchtiges Verhalten ändern will oder es zumindest versucht, landet schnell beim Thema Selbstliebe.
Jemand, der sich selbst lieb hat, ist nicht abhängig von der Liebe und der Zuneigung anderer. Er ist nicht abhängig davon, ob er anderen gefällt. Es ist schön wenn das so ist, aber es ist nicht überlebenswichtig. Sind Zuneigung oder Liebe von anderen gerade nicht da, weiß er dennoch um seinen Wert als liebenswerter Mensch.
Aber woher die Selbstliebe nehmen, wenn sie nicht vorhanden ist? Woher das Gefühl nehmen: Du bist wertvoll, du bist liebenswert so wie du bist, wenn ein Mensch das nicht oder genau das Gegenteil erfahren hat?
Das ist schwer und das muss dieser Mensch sich erarbeiten.
Wobei, Selbstliebe ist so ein großes Wort - nennen wir es lieber Selbstfreundschaft. Und die kann man durchaus lernen. Man kann lernen, wie man gut für sich sorgt. Man kann lernen, wie man Grenzen setzt. Genau das ist es, was ein Mensch der allen gefallen und um jeden Preis geliebt werden will, nicht kann: sich abgrenzen. Grenzen ziehen. Er kann es nicht, weil er nicht spürt wo er aufhört – wo seine Grenze ist und wo der andere anfängt – wo dessen Grenze ist.
Wenn ich meine eigenen Grenzen nicht spüre, fehlt mir das Gefühl für mein ganzes Sein. Es fehlt das Bewusstsein für mich selbst, für mein Sosein.
Und mir fehlt das Bewusstsein für die Grenzen anderer Menschen.
Fehlt dieses Erleben spüre ich mich selbst nur in Kontakt mit anderen und definiere mich über andere. Ich fühle mich verloren sobald ich diesen Kontakt und dieses Erleben verliere.
Um dieses Gefühl für mich selbst zu bekommen, darf ich lernen mich auf mich selbst zu zentrieren, ich darf mich selbst erforschen und letztlich darf ich lernen mich selbst zu akzeptieren.
Ich muss wissen, was mich als Mensch ausmacht um ja zu mir selbst zu sagen.
Erst mit dem Ja zu mir selbst bin fähig ein Nein zu sagen, wenn diesem Selbst Schaden zugefügt wird.
Damit beginnt die Fähigkeit mich abzugrenzen.
Und zwar auch von den inneren kindlichen Bedürfnissen, die mir schaden.
Das wird an dem Bedürfnis von allen gemocht oder geliebt zu werden erst einmal nichts ändern, aber ich erlaube diesen Bedürfnissen da zu sein ohne dem kindlichen Bedürfnis kopflos zu folgen und es sofort stillen zu müssen. Mitfühlend mit mir selbst, weil ich weiß, ich habe einen Hunger nach Liebe, der sehr alt ist, so alt wie ich selbst und der nie gestillt wurde. Ich werde aber, weil ich mir selbst ein guter Freund sein will, nicht mehr versuchen ihn um jeden Preis durch andere stillen zu lassen, zumal ich weiß, dass ich mich damit emotional und geistig in eine unheilsame Abhängigkeit begebe.
Ich lerne den Mangel da sein zu lassen und ich lerne ihn auszuhalten.
Und mit der Zeit lerne ich wie ich mir selbst geben kann, was mir fehlt. Nicht alles, aber vieles was mir gut tut und heilsam ist. Ich werde dann aufhören mich zu verbiegen, mich selbst zu verleugnen und mich selbst so klein zu machen, dass ich mich selbst herabwürdige und damit anderen die Erlaubnis gebe, das mit mir zu tun.
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