Don Juan, Malerei: Angelika Wende |
Wer sich in einen Narziss verliebt, hat das Gefühl eine der
romantischsten Liebesgeschichten seines Lebens zu erfahren. Der Narziss kommt, strahlt und
siegt. Es macht Zoom und du bist ihm verfallen. Er verführt dich nach allen Regeln der Kunst mit dem Charme
und dem Charisma eines Don Juan, überwältigend, unwiderstehlich, faszinierend. Dein Hirn
setzt aus und dein Herz und dein Bauch schreien: Liebe ihn.
Du bist sein. Du willst sein sein.
Doch der anfängliche Liebeszauber dauert nicht lang. So hoch
wie du geflogen bist, so tief beginnst du langsam zu fallen. Du spürst, dass da
etwas Unheilsames mit dir geschieht, aber du willst es nicht glauben.
Es war
doch gerade noch alles so wunderbar, er war doch so einfühlsam,
so liebevoll. Er hat dich auf Händen getragen und
alles was an dir ist, schön und begehrenswert gefunden. Er hat dich bezaubert, verzaubert, du fühltest dich geliebt
so wie du bist und endlich angekommen.
Ja, in der Hölle!
Aber das hast du nicht gemerkt, vor lauter Liebe,
vor lauter Leidenschaft und Bewunderung für diesen Mann, der so außergewöhnlich
ist und dein Leben so bunt und so voll gemacht hat mit allem wonach du dich schon so lange gesehnt hast.
Deine Sehnsucht hat dich verbrannt!
Aber das hast du nicht wissen wollen, denn es war doch
so intensiv.
Die Abwertungen, die Ignoranz, die Unerreichbarkeit über Tage,
die dann kam, wenn du mal nicht gespurt hast, hast du nicht sehen wollen.
Es hat dich nur noch sehn - süchtiger gemacht. Du bist ihm
hinterhergerannt, hast um Verzeihung gebeten für deine Fehler, die keine waren,
für deinen Bedürfnisse, die ihn überfordert haben und ihm deine Venen
hingehalten, auf dass er daraus trinke, was er am Nötigsten braucht: Deine
Lebensenergie. Ohne sie kann er nicht überleben, aber das ist dir nicht
bewusst, denn du glaubst ohne ihn nicht mehr leben zu können, weil du längst an
der Nadel hängst.
Längst bist du süchtig nach der Intensität, die nur er dir
gibt und die du so lange gesucht hast. Dein ganzes System giert jetzt danach.
Dein Adrenalin, dein Cortisol, dein Noradrenalin haben sich schleichend daran gewöhnt immer ganz oben zu sein und dann, wieder unten, fehlt der Stoff, fühlst du dich schwach und müde und krank.
„Du brauchst
ihn!“, schreit dein Körper, schreit dein Herz, aber dein Bauch weiß, dass das, was du da
brauchst, eine verdammt giftige Injektion ist, aber der Körper und der Kopf und
das Herz wollen mehr davon.
Längst hat er die Maske des Mr. Perfect abgenommen und sein wahres Gesicht gezeigt.
Er hat dich wie Dreck behandelt und du fühlst dich wie Dreck und du benimmst dich so.
Er hat dir gesagt wie klein und schwach und dumm und wertlos
und wie bedürftig du bist. Er hat dich belogen, betrogen, benutzt. Wenn du
ihn gebraucht hast, hat er dich im Regen stehen lassen, weil andere oder anderes gerade wichtiger war. Wenn du dich beklagt hast, hat er zu dir gesagt: „Such
dir Hilfe, du bist krank. Er hat dir ein X für ein U vorgemacht und gab es
Streit, warst immer du schuld.
Das mit der Schuld kennst du, wie vieles andere, was er mit dir macht. Du weißt woher, aber du willst es nicht wissen, weil du dann anfangen müsstest dich mit dir selbst zu befassen und das willst du nicht, weil du endlich willst, was du nie bekommen hast: Liebe, die du für dich selbst nicht spüren kannst.
Du hast dich selbst nicht mehr wahrgenommen als die, die du
einmal warst - eine wunderbare Frau mit einem klaren
Verstand, die ihr Leben meistert.
Er hat dich beschimpft und bestraft,
wenn du dich gewehrt hast oder auf deine Meinung bestanden hast. Er hat deine
Wut und deine Verzweiflung Hysterie genannt und dir seine Wut ins Gesicht
geschrien oder hinein geschlagen, wenn du noch immer nicht gefügig warst. Er hat dir gedroht dich zu verlassen und mit deiner größten Angst gespielt, ohne ihn nicht
mehr leben zu können und nie mehr glücklich zu sein und einsam und verlassen wie das Kind, das du einst warst.
Du hast es geglaubt, weil der Glaube an dich selbst längst
gebrochen war wie dein Herz.
Du hast dich verloren in seinem kranken
Universum, in dem du nur einen kleinen Platz hattest und nie die Nummer Eins
warst, weil du nicht gut genug, nicht schön genug, nicht groß genug warst für
ihn, den Größten, den Klügsten, den Besten, den Supermann, der alle nach seine
Pfeife tanzen lässt und wer nicht spurt, fliegt raus.
Du hast ihm verziehen, wenn er wieder ankam, nach Ausflügen
in andere Betten, weil es doch nur Sex war und mit dir und seiner Liebe zu dir,
absolut nichts zu tun hatte. Und du sollst nicht so spießig sein, das ist nicht sexy
und du bist doch die Allerbeste.
Ja, die Beste mit der er das machen kann, was er braucht um
überhaupt existieren zu können. Dich klein
machen, damit er sich groß fühlen kann und seine Kleinsein nicht spüren muss,
das ihn vernichten würden, was er instinktiv weiß und um jeden Preis vermeiden muss.
Du hast es ihm gegeben das grandioses Gefühl der eigenen
Wichtigkeit, ohne dass er verhungert wie ein Wolf, der nichts zum Reißen findet.
Du hast es gestillt sein Verlangen nach übermäßiger Bewunderung.
Du hast gesehen, wie er sich selbst idealisiert, voll von
Fantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz und Unwiderstehlichkeit.
Du hast ihm zugehört bei seinem endlosen Reden über sich selbst und
bist immer leiser geworden. Du hast ihm bestätigt wie besonders und einzigartig er ist,
weil du dann Zuwendung bekommen hast und dann wieder genommen und
zurückgewiesen. Ein ewiges On – und Off, weil das das Spiel ist, das das
Stück am Laufen hält.
Du bist an der Seite gestanden wie ein verstoßenes Kind,
wenn er seinen Tanz mit großen Gesten aufgeführt hat um von außergewöhnlichen
oder angesehenen Menschen Applaus zu bekommen und dich
gefragt, was du da eigentlich verloren hast, aber du bist geblieben und hast dem
Tanz zugesehen und ihn vielleicht sogar wieder attraktiv gefunden und dich als besonders, weil er ja
nur dich braucht.
Dass er dich liebt hast du längst nicht mehr gespürt, aber
gehofft, dass er sich besinnt, weil du immer für ihn da bist und loyal und
bedingungslos in deiner Liebe und alles für ihn tust, damit es ihm gut geht. Dein eigenes Gutgehen hast du gar nicht mehr wahrgenommen, weil es dir längst
so beschissen ging, dass du vergessen hast, was dir gut tut.
Du hast längst gemerkt wie ausbeuterisch er ist und dass er
aus allem und jedem nur seinen Nutzen zieht
um die eigenen Ziele zu erreichen und keine inneren Werte hat und Selbsttranszendez ein Fremdwort.
Du hast es erfüllt, sein hohes Anspruchsdenken und seine
Erwartung bevorzugt behandelt zu werden und sein Bestehen auf das Erfüllen seiner Bedürfnisse war für dich Pflicht. Hast du es einmal nicht getan, wurdest du bestraft,
sanktioniert, gedemütigt oder abgewertet.
Du hast es instinktiv gewusst. Nützt du ihm nicht mehr, wird
er dich fallen lassen sobald er einen Ersatz gefunden hat und gedacht, das
überlebst du nicht, weil er längst zum Mittelpunkt deines Universums geworden
ist und du dich selbst nur noch als kleinen Punkt darin wahrgenommen hast, der
am Verlöschen ist.
Du warst immer für ihn da, denn er erträgt es nicht allein
zu sein, weil ihm dann der Spiegel fehlt in dem er sich selbst bewundert, weil
in ihm selbst nichts ist als eine tiefe emotionale Leere und eine große Angst. Du hast es gewusst, dass er sein Sein nicht aus
sich selbst, sondern nur aus anderen bezieht, weil er nichts hat, was ihn von
Innen hält und hast ihn gehalten und dir vorgaukelt, dass er dich hält, wo du
längst schon gefallen warst. Du hast gewusst, dass er keine Empathie hat und nicht willens und nicht fähig ist, deine Gefühle
zu spüren und sie zu achten, weil es nur sein Wollen gibt und sonst nichts. Nie hat
er deine Bedürfnisse geachtet und nie ist es ihm gelungen sich mit ihnen zu
identifizieren und sie dir zu erfüllen, was man tut, wenn man liebt.
Er kann
nicht lieben, aber du wolltest nicht wahr haben, dass das menschenmöglich ist,
weil dein Zuneigunsghunger so groß ist und weil du dachtest, dass Liebe alles heilt.
Auch seine Wunden, die seine Kindheit ihm beigebracht hat,
wolltest du heilen.
Seine beschissene Kindheit, die er dir wieder und wieder vorgejammert hat und du hast mitgelitten und im Tiefsten gedacht: Deine beschissen Kindheit ist keine Rechtfertigung dafür, als Erwachsener ein Arschloch zu sein, und dich für diesen Gedanken verurteilt.
Seine beschissene Kindheit, die er dir wieder und wieder vorgejammert hat und du hast mitgelitten und im Tiefsten gedacht: Deine beschissen Kindheit ist keine Rechtfertigung dafür, als Erwachsener ein Arschloch zu sein, und dich für diesen Gedanken verurteilt.
Manchmal war er ja für dich da. Immer wieder hat dich mit Liebeschwüren
überschüttet und das hat dir wieder diese verblödete Hoffnung gegeben, dass
alles gut wird, wenn du nur lange genug aushälst. So gut und so schön wie am Anfang und von der Erinnerung
gelebt, während dein Leben ein bloßes Drüberleben war über all den Horror, den
du ertragen hast für die paar Brosamen an Zuwendung und wegen all der Zeit und Kraft die du investiert hast.
Dein Zuneigungshunger, der
so alt ist wie du, ist immer größer geworden und du nie satt, denn deine Bedürfnisse
und deine Gefühle hat er nur dann zur Kenntnis
genommen, wenn sie für ihn relevant waren. Längst hat dein Bauch begriffen, dass er nicht in der Lage
ist eine liebevolle, wertschätzende, respektvolle Beziehung zu führen, weil er unfähig
ist echte Gefühle zu empfinden. Dir war klar, dass er Gefühle nur vorgaukelt um seine Ziele
zu erreichen. Dir war klar, dass er kein authentisches Interesse an dir hat und dich ausschließlich
zur Erreichung eigener Bedürfnisse und Zwecke braucht. Er hat sich lieben lassen.
Aber dein Kopf hat sich immer wieder geweigert, und gesagt:
„Was nicht sein kann, darf nicht sein!“
Und gedacht: In ihm drin steckt doch dieser wunderbare Mann, der dich
einst auf Händen in den siebten Himmel getragen hat. Noch während du längst am Boden
lagst und den Himmel nur von Unten gesehen hast und Stoßgebete nach oben
gesandt, hast du gehofft, es möge doch endlich gut werden, wieder so gut, wie es war. Und die Erinnerung
an das Schöne und Gute, das nie wahr war, hat dich festgezurrt in einer
Vergangenheit, die eine Illusion war und nie mehr dein Jetzt sein wird. Du wolltest es nicht
fassen, weil es unfassbar ist, was geschehen ist und nicht aufgeben
wollen, denn du hattest ja nur noch ihn.
Und da liegts du am Boden und nimmst wahr: Er hat dich
verbraucht. Er hat dich gebraucht und du hast dich brauchen lassen. Und jetzt
bist du leer und ausgesaugt und nicht mehr zu brauchen.
Er wird gehen, das weißt du, das weiß dein Kopf, dein Bauch
und dein Herz, wenn du die Zeichen am Himmel
lesen kannst und das kannst du. Warum sonst erfasst dich die Panik sterben zu
müssen vor lauter Angst ohne ihn leben zu müssen?
Dir wird deine Machtlosigkeit bewusst.
Du willst schreien und nach Hilfe rufen, aber da ist keiner
mehr, den du um Hilfe bitten kannst, weil du dich von allen isoliert hast, weil
es nur noch ihn gab und sonst nichts. Deine
Freunde haben dir gesagt wie ungut er für dich ist und du hast dich von ihnen
abgewandt, weil du es nicht hören wolltest aus lauer Scham über deinen Selbstbetrug und deine Abhängigkeit.
Jetzt bist du allein.
Und du denkst du bist verrückt geworden. Und dass er Recht
hatte, denn das hat er dir doch immer gesagt, dass du die Verrückte bist.
Er hat dich manipuliert, deine Versionen von Wahrheit verdreht
bis du ganz schwindlig warst und ihm geglaubt hast.
Du hast die Schlacht verloren.
Es gibt immer einen Besiegten in der Liebe: Den, der mehr liebt. (Franz Blei)Und das bist du.
Du hast ihm geglaubt.
Du hast deinen Glauben an dich selbst verlassen.
Du hast deinen Glauben an dich selbst verlassen.
Du hast ihm vertraut, weil es dir gefällt zu vertrauen und
weil man dir vertrauen kann.
Und jetzt vertraust du dir selbst nicht mehr, weil du nur
noch eine leere Hülle bist, die kein Innenleben mehr hat, die keine Freude mehr
fühlt und keine Kraft und der Wille ist erloschen. Wie tot innen und kein Leben
mehr in Sicht, das jemals besser sein könnte, weil du denkst, dass du es nicht verdient hast.
Du irrst dich!
Es gibt ein besseres Leben.
Also steht auf und geh ...
Rapple dich auf, nimm dieses liebeshungrige Kind in dir an die Hand und geh ...
Geh und hör auf dich als Opfer zu begreifen, denn dein Bauch hat
es gewusst, immer, die ganze Zeit.
Steh auf und geh ...
Und ja, es ist hart und ja, es tut weh.
Und ja, es wird dauern bis du wieder aufrecht gehst.
Und ja, es wird dauern bis du wieder aufrecht gehst.
Und wenn du alleine nicht gehen kannst, hol dir bitte Hilfe.
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