Dienstag, 21. Januar 2025

"Ich kann nicht mehr!" Krisen im Alter

 

                                              Malerei: Angelika Wende 

 

Jeder Mensch kann in eine kritische Situation oder in eine Krise geraten. Ich selbst habe in meinem Leben einige Krisen durchlebt und bin jedes Mal stärker daraus hervor gegangen. Das gelingt nicht jedem Menschen und auch dem, dem es immer gelungen ist mit Krisen fertig zu werden, kann an einen Punkt kommen, wo er das Gefühl hat: "Ich kann nicht mehr!"

Im Chinesischen steht das Wort Krise steht wéi für Gefahr und Risiko, sowie das Zeichen jī für Chance und Gelegenheit.  Eine Krise ist ein entscheidender oder ein gefährlicher Moment im Leben. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Wir meistern die Situation und überwinden die Krise und wachsen daran oder wir sind überfordert und zerbrechen daran.

 

Je älter wir sind, desto mehr Lebenserfahrung haben wir, auch was Krisen angeht. 

Die meisten von uns haben alle Krisen irgendwie gemeistert. Je älter wir werden, desto stärker und resilienter werden wir, könnte man meinen, aber das ist nicht immer so. 

Je älter wir werden, desto fragiler können wir werden, desto weniger Energie und Kraft steht uns zu Verfügung, die wir noch in jungen Jahren hatten. Wir haben viel erlebt und manches blieb nicht in den Kleidern stecken. Auch unsere Resilienz kann sich aufbrauchen. Dazu kommt, dass wir viele Verluste erlebt haben und je älter wir werden, desto mehr werden es. Wir verlieren Menschen, die uns Halt gaben und Menschen, die die wir lieben. 

Viele ältere Menschen sind mehr und mehr auf sich selbst zurückgeworden. Ein neues soziales Umfeld zu schaffen, das die eigenen Bedürfnisse erfüllt und mit dem Resonanz möglich ist, fällt aus vielerlei Gründen nicht leicht. Kommt dazu noch eine schwere Krise, kommt der Moment, wo wir denken: „Ich kann nicht mehr!“

Dieser Gedanke ist ein Signal der Psyche, wenn alles zu viel wird.

Sich das einzugestehen kann eine Erleichterung sein.

 

Trennung, der Tod eines geliebten Menschen, Eintritt ins Rentenalter, eine schwere Krankheit, körperlicher Verfall, Überforderung oder Unterforderung, weil wir keine Aufgabe mehr haben, uns nicht mehr gebraucht fühlen, Langeweile, Leere, gefühlte Sinnlosigkeit, Sinnverlust, Einsamkeit und Vereinsamung sind typische Krisensituationen im Alter.  

Findet sich kein Ausweg, kann all das in eine schwere Lebenskrise führen.

Wir fühlen Angst, Ohnmacht und Hilflosigkeit. Wir sind traurig. Wir spüren Wut. Wir resignieren. Wir sind hoffnungslos und verzweifelt. Vielleicht möchten wir nur noch auf dem Sofa liegen oder kommen kaum noch aus dem Bett.

Es gibt kein „Wozu“ mehr um am Morgen aufzustehen.

Diese Gefühle und Zustände sind sehr belastend. Sie drücken nach Unten. 

Sie sind schwer auszuhalten.

 

Vielen Menschen, besonders Männern, fällt es schwer, um Hilfe zu bitten.

Es ist schwer zu sagen: „Ich komme gerade mit meinem Leben und mit mir selbst nicht zurecht.“ Manche Menschen machen deshalb Folgendes:

Sie ziehen sich zurück, sie lassen sich gehen, sie haben keine Tagestruktur mehr. Sie trinken zu viel Alkohol, sie fangen an zu rauchen oder rauchen mehr als früher. Sie essen zu viel und/oder zu ungesund oder sie essen kaum noch. Sie nehmen Psychopharmaka um die belastenden Gefühle zu betäuben. All das sind Suchtstoffe und unheilsame Verhaltensweisen, die schnell zur Gewohnheit werden, abhängig machen und auf Dauer zerstörerisch wirken.

Gefühle wie: „Ist doch auch schon egal!“ „Ich bin alt. Mein Leben ist eh nicht mehr lebenswert.“ Oder eben: „Ich kann einfach nicht mehr", sind nachvollziehbar.

Hört man genauer hin, steckt hinter dem „nicht mehr können“ oft ein: „Ich will nicht mehr.“

 

Hinter “nicht mehr können und “ nicht mehr wollen” stecken Gefühle und Gründe.

Diese gilt es zu herauszufinden.

Gefühle wie diese sagen uns auch: Bleib stehen und halte inne.

Sie signalisieren wie groß die Erschöpfung der Psyche ist.  

 

Fast jeder Mensch empfindet manchmal so.

Das ist kein Zeichen von Schwäche.

Es ist ein Zeichen, dass die Krise jetzt Gefahr signalisiert.

 

Ein Mensch, der nicht mehr weiter weiß, der nicht mehr können will, braucht Hilfe. 

Wer nichts tut, bleibt in der Krise stecken. Die Spirale geht weiter nach Unten.  

Doch woher Hilfe nehmen, wenn da vielleicht keiner mehr ist, dem wir uns anvertrauen können? Wer hört zu? Wen interessiert es? Wer ist wirklich bereit zu helfen? Wer ist bereit da zu sein, mitten in der Krise, durch die Krise? Wer hat die Zeit, die Bereitschaft und die Kraft einen Menschen zu begleiten, auf seinem Weg durch die dunkle Nacht der Seele? 

Ich wünsche jedem, dass er einen Menschen hat oder findet, der ihn ernst nimmt, mit all seinen Gefühlen und Ängsten. Einen, der wirklich zuhört ohne zu bagatellisieren oder gut gemeinte Ratschläge zu geben, einen, der einfach da ist, der versteht und nicht bewertet.

 

Für viele Menschen die in einer Krise stecken, ist es schon eine große Hilfe über ihre Gefühle zu sprechen und vor allem: verstanden zu werden.

Das ist der Anfang die Chance zu nutzen, die sich in der die Krise bietet: Reden, Verständnis suchen und verstanden werden. Dann erst Lösungen finden um weiter zu machen.

Es gibt immer eine Lösung, die wir in der Krise allein nicht sehen können. 

Dafür bin ich da, um zu verstehen und um Lösungen zu finden, wenn da sonst keiner ist.

 

Diese Woche biete ich wieder kostenfreie Erstgespräche an.

Wenn Du Hilfe brauchst, schreib mir dazu gerne unter: aw@wende-praxis.de.


 

„Es ist nie zu spät, das eigene Leben neu zu gestalten.

Selbst in den schlimmsten Zeiten können wir uns für einen Sinn entscheiden.“

 

Viktor Frankl

 

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