Montag, 27. Januar 2025

Geradewegs gegen eine Wand

 

                                                           Malerei: A.Wende

 

 

„Beschleunigte Prozesse werden dort problematisch werden, wo sie unser Weltverhältnis so verändern, dass es zu Entfremdung vom eigenen Dasein führt“, so der Soziologe Hartmut Rosa sinngemäß.  

Wir sind mittendrin in diesem Prozess der Entfremdung.

Höher, schneller, weiter. Selbstoptimierung, Prozessoptimierung und Maximierung als Maßstab. Und wir vergessen dabei: Ein zu schnelles und zu hohes Tempo in allen Lebensbereichen führt zu Überforderung und Anpassungsstörungen. Immer im Außen, immer im Funktionsmodus, immer informiert sein, überall mitreden können, nichts verpassen. So leben unzählige Menschen. 

Die Folge – sie verpassen sich selbst und sind irgendwann ausgebrannt.

Wie Rosa richtig sagt – Selbstentfremdung, vom eigenen Dasein entfremdet.

 

Von Oben betrachtet:

Funktionierende menschliche Teilchen einer sich selbst überholenden Geschwindigkeit. 

Das Gefühl für das Wesentliche schwindet im selben Maße wie diese Teilchen durchs Leben hetzen und rennen.

Alles ist flüchtig.

Flüchtig werden Headlines gelesen, flüchtig werden What´s App geschrieben, flüchtig wird im Internet gescrollt, flüchtig wird getextet, anstatt geredet. Ich war entsetzt als mir neulich ein Klient erzählte, er habe vom Tod der Mutter via Textnachricht erfahren.

Das ist nicht wahr habe ich gedacht, und doch es ist wahr. 

 

Die Selbstentfremdung und die Entfremdung vom Nächsten gehen nebeneinander her. 

Die Empathiebereitschaft und die Empathiefähigkeit uns selbst und anderen gegenüber sinkt.

Statt miteinander verbunden, verbinden wir uns mit technischen Geräten um uns verbunden zu fühlen. Ständig kleben wir an unseren Smartphones, als sei darin die Welt enthalten und sonst nirgendwo. Wir sind in Kontakt mit künstlicher Intelligenz, aber nicht mit uns selbst und unserem Nächsten.

Wohin führt das?

Vereinzelung, innere, äußere Isolation, Einsamkeit und Vereinsamung sind die Seuche unserer Zeit. Wir sind mehr und mehr emotional degenerierte narzisstische Wesen, die sich um sich selbst und um eine immer künstlicher werdende Welt drehen, bis uns schwindelig wird und der klare Geist aufweicht, ganz zu schweigen von den immer kälter werdenden Herzen. 

Eine Welt wie ein Irrenhaus in der man nicht einmal mehr weiß, wer die Irren sind – die Insassen oder die Betreuer oder beide.

 

Wir leben in einem virtuellen Raum, in dem wir täglich millionenfach filterlos Reize aufnehmen und kein Raum zwischen Reiz und Reaktion. Wahllos wird temporeich konsumiert ohne das Konsumierte überhaupt verdauen zu können. Flüchtig wird Essen hineingeschoben ohne es überhaupt zu schmecken. Flüchtig werden Beziehungen geführt und wieder beendet, per Textnachricht oder indem geghostet wird.

 

Flüchtig sind wir in hoher Geschwindigkeit auf der Flucht. 

Vor wem?

Vor uns selbst und wir merken es nicht einmal, eben wegen der rasend hohen Geschwindigkeit in der wir konsumieren und agieren.

Wo wir hinrasen? Geradewegs gegen eine Wand.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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