Malerei: A.Wende
Diskutieren ist anstrengend, in Coronazeiten ist es sogar mehr als anstrengend. Wir haben eine Meinung, einen Standpunkt und wir möchten uns mitteilen und gehört werden, aber unser Gegenüber macht dicht. Es ist nicht bereit sich konstruktiv mit uns auseinanderzusetzen, es geht ihm nur darum Recht zu haben. Alles was wir sagen wird mit platten Aussagen weggewischt, im Zweifel werden wir in eine Ecke gestellt, im schlimmsten Falle als Coronaleugner, Covidiot, Schwurbler oder Verschwörer bezeichnet, nur weil wir nicht dem Mainstream folgen und es uns erlauben eine abweichende eigene Meinung zu haben und diese auch noch kund zu tun. Die Stimmung ist angespannt, wir fühlen uns unwohl, wir spüren die Diskussion wird immer aggressiver und führt unweigerlich in die Eskalation.
Das Thema Corona und alles, was damit zusammenhängt, spaltet die Menschen, das hat fast jeder von uns schon am eigenen Leibe erfahren. Es spaltet und trennt bis in die kleinste Zelle unseres menschlichen Miteinanders. Das geht soweit, dass Feindschaften entstehen unter Menschen, die einst Freunde waren und das macht auch vor Familien nicht halt. Das zu erleben ist erschütternd, aber es macht uns auch klar wie sehr wir in einem Dilemma gefangen sind, das unser menschliches und soziales Miteinander im Zweifel dauerhaft beeinflussen und schädigen wird und damit das Erleben und das Verhalten jeden Einzelnen.
Viele machen gar nicht mehr die Anstrengung zu diskutieren. Sie behalten ihre Gedanken und ihre Meinung für sich, weil sie nicht anecken wollen, weil sie nicht streiten wollen, weil sie es nicht riskieren wollen angegriffen oder gar aus der vertrauten Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden.
Die Freiheit des Wortes ist eine gefährdete geworden. Sie ist bedroht von der Angst in Konflikt zu geraten. Sie ist bedroht von Aggression und Feindseligkeit.
Feindseligkeit ist eine Form der Aggression, deren Ziel es ist eine andere Person direkt zu schädigen. Feindseligkeit entsteht wenn man merkt, dass sich die Welt oder andere nicht so verhalten wie man es gern hätte. Sie ist eine Form, die Dinge so zu „hinzubiegen“, dass sie wieder in das eigene Wahrnehmungskonzept passen. Der Mensch begreift nur das, was er selbst erfährt.
Feindseligkeit vergiftet das Klima sozialen Miteinanders. Als ob alles nicht schon schwer genug wäre. Es herrscht Unfrieden unter den Menschen. Die Geschichte lehrt, dass Menschen zum Frieden nicht fähig sind. Immer schon gibt es Kriege, immer schon kämpfen Meinungen, Glaube und Überzeugungen gegeneinander, immer schon wollen Menschen ihren Glauben und ihre Überzeugungen mit allen Mitteln durchsetzen, immer schon geht es darum die eigene Sicht von Welt zu behaupten und dafür zu kämpfen, dass sie zur absoluten Wahrheit wird – im kleinen wie im Großen.
Die Geschichte zeigt auch, dass Menschen in Katastrophensituationen prosozialer und altruistischer handeln. In Ausnahmesituationen wird im ersten Schock zunächst solidarisch gehandelt, aber je länger dieser Ausnahmezustand andauert und je unsichtbarer die Bedrohung ist – wie in diesem Falle durch ein unsichtbares Virus - in egoistische Verhaltensweisen driften. Nach dem Motto: Ich bin mir selbst der Nächste.
Erinnern wir uns an den Anfang der Krise. Während in Italien die Helfer beklatscht wurden, gab es bei uns Kämpfe um das Toilettenpapier, es wurden Nahrungsmittel gehortet und Maskenverweigerer waren nicht bereit sie zu tragen. Andererseits gab es Hilfsangebote, Menschen wurden zu „Helden“ indem sie auf dem heimischen Sofa saßen um die Alten und die Risikopatienten zu schützen. Das ist längst Vergangenheit. Was sich herauskristallisiert ist: Die Krise fördert in erster Linie den Egoismus und die Selbstsucht.
Das Verhalten der überwiegenden Zahl der Menschen in Deutschland, so eine Bevölkerungsschutzstudie der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften unter der Leitung von Prof. Henning Goersch, ist geprägt von ausschließlicher Fokussierung auf den eigenen Vorteil. Die Gesten der Solidarität und der Hilfsbereitschaft sind längst ermüdet – der überwiegende Teil der Bevölkerung kämpft für sich allein und alles was die eigene kleine Welt und den eigenen Denkrahmen bedroht, wird angefeindet. So bedrohen besonders auch andere Meinungen diese eingerahmte Welt.
Warum ist das so?
Weil sie das scheinbare Gefühl von Sicherheit bedrohen, weil sie diese höchst fragile Scheinsicherheit ins Wanken bringen, weil das Angst macht, noch mehr Angst als da schon ist. Menschen neigen, wenn sie Angst haben, dazu sich an das zu halten was die Meisten für richtig halten und tun. In der Masse fühlen sie sich aufgehoben, einbezogen, integriert, sicher. Sie fühlen sich nicht allein und um die Verbundenheit nicht zu riskieren suchen sie nach Gleichgesinnten die ihnen das Gefühl geben in der richtigen Spur zu laufen. In der Angst wird die Suche nach Verbündeten überlebenswichtig, denn wer allein ist, geht im Zweifel unter. Wer aus der Sippe ausgeschlossen wird hat schlechte Karten. Das sitzt fest verankert im kollektiven Unterbewussten. Wer die Sippe bedroht, auch das sitzt im kollektiven Unterbewussten, ist der Feind und dieser muss vernichtet werden.
Klingt brutal ist aber so. In diesem brutalen Klima leben wir jetzt. Egoistisches, antisoziales Verhalten und Feindseligkeit gehören zu unserem Lebensalltag. Am Anfang hieß es: Corona ist die Chance die Menschheit wachzurütteln. Diese Chance so scheint es, haben wir vergeigt.
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