Donnerstag, 2. November 2017

Der Schmerz alter Verletzungen


Malerei Dirk Arlt

Ich spüre ihn jeden Tag bei meiner Arbeit mit Menschen, den Schmerz der alten Verletzungen. Ich erlebe in meinen Beziehungen, wie er das Miteinander beeinflusst und beengt, wie er den Raum für Angst und Distanz weitet, wo Raum für Nähe und Liebe sein könnte. Ich erlebe wie er uns beherrscht und ich sehe wie wir ihn weg denken wollen. Aber alter Schmerz lässt sich nicht wegdenken.

Die Verletzung mag alt sein und wir wissen, es ist unmöglich sie ungeschehen zu machen. Dazu ist es zu spät. Aber es ist nicht zu spät, dem Schmerz im Jetzt Raum zu geben. Er ist real, er ist jetzt.

Damals als wir Kind waren gab es diesen Raum nicht. Wir mussten den Schmerz abspalten um emotional zu überleben. Wir mussten die Wut, die Ohnmacht, die Trauer, die Hilflosigkeit, den Ekel, die Scham, abspalten. Alle diese Gefühle haben wir konserviert, sie leben in uns wie Blüten, die sich um unser Wollen ranken. Dem Wollen, dass es doch endlich gut sei. Aber das Konservierte beherrscht uns, egal wie sehr wir es weg haben wollen. Es beherrscht unser Denken, unsere Gefühle und unser Handeln. Es beherrscht unsere Beziehung zu uns selbst und anderen. Es trennt uns von uns selbst und von unserer Sehnsucht ganz zu sein.

Der alte Schmerz ist keine Einbildung. Er ist real. Er ist jetzt.
Solange wir den Schmerz der alten Verletzung nicht zulassen, wird er zu einer unerledigten Sache, die uns Tag für Tag bedrückt wie eine schwere Last, die uns Rückgrat und Seele krümmt. Alter Schmerz muss abfließen, damit wir für das Heute bereit und aufnahmefähig sind - ein Heute, das nicht durch unterdrückte Gefühle beeinflusst und verdunkelt wird.



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