Montag, 6. November 2017

Da ist ein Fremder wo ein Vertrauter war – Leben mit einem Depressiven

 
Foto AW

Die Depression macht alles Leben sinnlos. Wen sie in ihren Fängen hat, der ist in einem scheinbar ewigen Dunkel gefangen. Die Depression liegt auf ihm wie eine schwere Decke. Der Depressive ist für niemanden mehr erreichbar – weder für sich selbst, noch für die Menschen, die ihn lieben. Die Depression nimmt dem Depressiven die Liebe zu denen, die ihn lieben. Er fühlt nichts mehr außer Leere. Da ist kein Raum, für Niemanden. Er spaltet alles ab, kann nicht mehr an seine Gefühle herankommen. Er ist gefühlstaub. 

Er stößt dich weg, wenn du für ihn da sein willst, wenn ihm deine Hilfe anbietest, deine Liebe, deine Zärtlichkeit. Er kann nichts davon mehr nehmen.Was du spürst ist eine Eiseskälte und du glaubst daran zu erfrieren. Nichts was du tun kannst um das Herz des Depressiven erwärmen. Und das deine fürchtet sich, ihn zu verlieren. 


Irgendwo hinter dieser Eiswand, denkst du, ist er doch, der Mensch, der dich liebte, es dir zeigte, es dir sagte, es dir fühlbar machte. Aber du findest ihn nicht mehr. Er, der dir so vertraut war, du erkennst ihn nicht mehr wieder.  Er ist verloren für alles, was du von ihm erhofftst, für alles, was du mit ihm geteilt hast, für alles, was du zu geben hast. Er kann nichts mehr nehmen. Da ist ein Fremder wo ein Vertrauter war. Ein Lebloser wo ein Lebendiger war.


Das schmerzt und du willst nicht einsehen, dass du diesen Schmerz nicht lindern kannst mit deiner Liebe, nicht für ihn und nicht für dich. Deine Hilfe wird als Angriff abgewiesen, deine Apelle als Vorwurf abgewehrt, dein Kümmern ist Belastung, dein Bitten ist Druck. Der Depressive lebt in seiner Welt. Es ist eine Welt hinter Stäben, zu der du keinen Zutritt mehr hast.

Das schwarze Jetzt der Depression kennt kein Gestern und kein Morgen. Es kennt keine Erinnerung und keine Zukunft. Es ist Stillstand im Jetzt - Lähmung, die jede Bewegung unmöglich macht.

Es gibt keine gemeinsamen Tage mehr, keine gemeinsamen Pläne, keine gemeinsamen Träume. Die Depression verschlingt alles, saugt es ab, zieht es  in ihr schwarzes Loch. Dort auf dem Grund haust weidwunde Einsamkeit, tiefe Verlassenheit, stumme Taubheit.
Und du ... bist einsam wie der Depressive. Du bist allein mit deinem Leid wie der Depressive. Dieses Leid ist unteilbar. Jeder ist allein.

Die Depression kostet Kraft,  für den, der an ihr leidet und für den, der unter ihr leidet.
Die Depression ist eine Krankheit, die du nicht heilen kannst. Sie ist eine Krankheit bei der deine Liebe versagt. Sie ist eine Krankheit, die nur dann Heilung findet, wenn der Depressive es will. Ob er das will, ob er es kann, kannst du nicht beeinflussen. Nicht mit deinen Tränen, nicht mit deinen Bitten, nicht mit deiner Wut, nicht mit deiner Liebe, nicht mit deinem Kämpfen.

Du kämpfst gegen eine Macht, die größer ist als du. Vergeblich.

Du kannst beeinflussen wie du damit umgehst. Wenn du alles getan hast um dem Depressiven eine Tür zu öffnen und er sie nicht durchschreitet, wenn du alles getan hast um ihn zu halten und er dich wegstößt, hast du alles getan. Du kannst bleiben, da sein -  ohne zu erwarten. Und gut für dich selbst sorgen. Dir selbst Hilfe suchen.

Mehr ist nicht möglich.












2 Kommentare:

  1. Ich saß gerade mit Tränen vor diesem Text. Nie haben mich Worte so berührt. Nie haben Worte so sehr wieder gegeben, was ich durchmache. Ich habe meine Frau von mir gestoßen, weil ich selbst nicht mehr klar kam. Viel zu lange habe ich nicht einsehen wollen, dass etwas mit MIR nicht stimmt, satt mit ihr. Dachte sie würde mir nicht mehr genügen. Nun ist sie fort. Und ich merke, dass ich nicht erst jetzt ganz weit unten auf dem Boden eines dunklen Tunnels sitze, sondern ich hier schon seit Monaten sitze. Ich dachte sie würde mir nicht mehr genügen. Dabei genügte ich mir selbst nicht mehr und hatte alle Lebenslust verloren.. Ich habe mir nun endlich einen Termin bei einem Psychologen geholt. Leider sind die Wartelisten lang. Ich muss nun noch zwei Monate überbrücken. Gott sei Dank schreibt meine Frau wenigstens wieder mit mir. Nächste Woche treffen wir uns auf einen Kaffee. Ich hoffe so sehr, meine Stimmung und mein Wille etwas zu ändern bleiben erhalten. Sie hat verdient, dass ich mich wieder auf die Reihe kriege. Seit drei Tagen nehme ich Ashwagandha, eine natürliche Pflanze, die belebend und Nerven stärkend wirken soll. Ich denke auch es hilft, zumindest habe ich den Wunsch wieder glücklich zu werden und meine Probleme anzugehen. Danke jedenfalls für diesen Text, der mich so tief berührt hat. Ich denke ich werde ihn meiner Frau zu unserem Date mitbringen.

    Gruß,
    Alex

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  2. Lieber Alex,

    danke für Ihre Worte!
    Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen das Beste.

    Angelika Wende

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