Manche Menschen sind extrem gestresst, ohne sich dessen überhaupt
bewusst zu sein. Sie jagen durch das Leben, als seien sie auf der Flucht, haben einen Termin nach dem anderen und kein Gefühl mehr für das, was ihnen fehlt. Andere wissen sehr wohl um ihren Stress und
würden sich gern einem ruhigeren Fluss des Lebens hingeben, wissen aber nicht,
wie. Äußerer Erfolgsdruck, aber auch innere Rastlosigkeit können uns massiv
daran hindern, ruhig und gelassen zu sein. Das Gefühl, unentwegt etwas
Sinnvolles oder Einträgliches tun zu müssen, an dessen Ende irgendein „Produkt“
wie Geld, Erfolg oder Anerkennung steht, zwingt viele zu ständiger Aktivität.
Meistens ist diese Haltung anerzogen, nicht selten aber ist
sie ein fehlgeleiteter Kampf um den eigenen Selbstwert, der sich nur dadurch
definiert, was wir zu leisten fähig sind.
Der in unserer
Leistungsgesellschaft verbreitete Glaube, dass Nichtstun etwas Negatives ist, füttert die kollektive Jagd nach produktiven Ergebnissen. Im Grunde geht jede
ausgeprägt „aktivistische“ Lebensweise mit der Annahme einher,
dass Nichtstun gleichbedeutend mit Faulheit und Versagen ist. Ein Mensch, der
glaubt immer etwas leisten zu müssen beutet sich selbst aus. Er hetzt durch das Leben, durchdrungen vom Drang etwas erreichen zu müssen und das immer wieder aufs
Neue. Denn nichts ist gut genug, nichts erfolgreich genug, da geht immer noch mehr. Diese Menschen definieren sich über Erfolge, weil sie sonst nichts haben, wodurch sie sich
selbst spüren können und sie empfinden ihren „hausgemachten Stress“ sogar noch als
Leistung an sich.
Ein solches Leben ist im Grunde leer. Nimmt man diesen Menschen,
das wofür sie sich so sehr anstrengen, fallen sie in ein tiefes Loch auf dessen Boden sie die Sinnlosigkeit anstarrt. Alles worüber man sich definiert hat fällt ab wie eine Makulatur, weil es in der Tat nur Makulatur ist. Ein Leben ohne Inseln der Ruhe und bewusst gesetzten Phasen der Kontemplation geht oft einher mit immer neuen körperlichen Beschwerden, Depressionen oder es endet schließlich
im Burn-Out.
Dabei ist Ruhe etwas völlig anderes als Faulheit
oder Trägheit. Ruhe bedeutet nicht unbedingt Nichtstun, sie kann sich auch in großer Aktivität einstellen, dann nämlich wenn unser Tun sich im
Einklang mit unseren inneren Bedürfnissen befindet. Dann kann uns selbst der größte Trubel
nichts anhaben, weil wir in unserem Tun aufgehen. Faul und träge werden wir nur, wenn wir erschöpft vom stressigen
Leben am Abend oder an den Wochenenden völlig platt und erschöpft auf dem Sofa
landen und zu nichts mehr fähig sind ausser zum Konsumieren nichtsagender Fernsehprogramme, Alkohol oder anderen Drogen.
Das Gefühl von Dauerstress überwältigt
den Menschen dann, wenn er fremdbestimmt ist und zwar von Aktivitäten, die mit ihm
selbst im Grunde gar nichts zu tun haben.
Wenn wir unsere Bestimmung finden und leben, fühlen wir eine tiefe Liebe zu unserem Tun und ein tiefes Erfülltsein. Und wir fühlen uns nicht gestresst.
Wenn wir unsere Bestimmung finden und leben, fühlen wir eine tiefe Liebe zu unserem Tun und ein tiefes Erfülltsein. Und wir fühlen uns nicht gestresst.
So paradox es klingt: Für dauergestressten Erfolgsmenschen
ist es bequemer, gestresst zu sein, als sich neu zu orientieren und sich auf
das zu besinnen, wovor sie eigentlich wegrennen – vor sich selbst und dem, was ihre wahren Sehnsüchte und Potentiale sind z.B.
Im Prinzip entspricht dieses Stressleben der Sykose, einer seit Samuel
Hahnemann in der Klassischen Homöopathie bekannten chronischen, sogenannten
miasmatischen Krankheit. Stress und Aktionismus verhindern nämlich am
sichersten die Wahrnehmung unserer Emotionen. Darum sind sie gerade in unserer
Zeit eine beliebte Strategie, Gefühle zu überdecken.
Wer unter stressbedingten Krankheitssymptomen leidet und keine
Ruhe mehr findet, den zwingt das Leben im Grunde zu einer Neuorientierung. Diese
muss jedoch nicht auf beruflicher Ebene stattfinden, wo sie ja tatsächlich
nicht immer leicht zu realisieren ist. Vielmehr geht es um eine innere
Umstrukturierung: das Loslassen alter und das Suchen neuer innerer Muster, das
Aufspüren verdrängter Probleme und das Finden erfüllender Interessen und Talente
– und zwar auf dem Weg nach Innen. Im besten Fall ziehen dann solche inneren
Bewegungen auch äußere Veränderungen nach sich ziehen.
Stress ist ein Symptom und keine Leistung, das zu begreifen ist ein erster Schritt zu Ruhe und Gelassenheit.
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