Freitag, 31. März 2023

Aus der Praxis: Dieses nervige Innere Kind

                                                                     Foto: www


 

„Ich kann dieses blöde Kind in mir nicht leiden. Es nervt!“, sagte gestern ein Klient zu mir.

„Überhaupt das Gequatsche von diesem sogenannten Inneren Kind.

So ein neumodischer Psycho-Bullshit!“

 

Viele von uns können ihr Inneres Kind, bzw. ihre Inneren Kinder (viele von uns kennen mehr als einen Inneren-Kind-Zustand), nicht leiden. 

Und nicht wenigen Menschen macht es Angst. Kein Wunder, denn diese kindlichen Anteile sind meist für unsere emotionalen Probleme und unseren Kummer verantwortlich.

Wahr ist: Nicht das Innere Kind ist verantwortlich, sondern vielmehr der fehlende Innere Erwachsene, der es angemessen reguliert.

 

Neu ist das Konzept des Inneren Kindes nicht.

Das Konzept Inneres Kind ist in vielen Therapieschulen schon gedacht worden.

Wir finden es in den Archetypen von C.G.Jung, im Stufenmodell von Freud, in der Gestaltherapie, im Psychodrama, in der Transaktionsanalyse von Eric Berne. Es ist Teil der Schematherapie und der Ego-State Therapie von von Helen H. und John G. Watkins.

Allein die Worte und Metaphern für diesen inneren Anteil unserer Psyche unterscheiden sich.

 

Das Innere Kind ist ebenso ein Ich-Zustand in dem wir uns befinden, wie wir uns auch in anderen Ich-Zuständen befinden. 

Wir haben z.B. ein Erwachsenen-Ich, ein Mutter-Ich, ein Vater-Ich, ein Partner-Ich, ein Job-Ich, usw. All das sind Zustände, bzw. Rollen, die wir situationsabhängig wechseln und mit denen wir täglich umgehen müssen und die im besten Falle in einem gesunden Miteinander agieren.

 

Wenn ich innerlich frei und psychisch stabil bin, verfüge ich über eine gesunde Rollenflexibilität. Ich kann sie gezielt aufsuchen und dort wo sie notwendig ist angemessen einsetzen. 

Kann ich das nicht, sprich, wenn mich meine inneren Zustände unkontrolliert überwältigen oder ich automatisch hineinrutsche, habe ich ein Problem: Wir sprechen dann von Ego-State-Disorder, zu Deutsch: Selbst-Anteil-Unordnung. Ein Mensch mit einer Ego-State-Disorder hat dysfunktionale innere Rollen, welche den Alltag "stören" oder das Selbst-Gefühl massiv negativ beeinflussen. Je ausgeprägter diese innere Unordnung ist, und damit belastender für eine gelingende Lebensbewältigung, desto dringender benötige ich professionelle Unterstützung, die mir dabei hilft über die Koexistenz meiner Ich-Zustände Klarheit zu erlangen, sprich: sie zu identifizieren, sie unterscheiden zu lernen und sie steuern zu lernen um schließlich eine friedliche Koexistenz meiner Ich- Zustände zu erreichen. Das nennt man nach C.G. Jung: Individuation, was bedeutet ganz zu werden und mir meiner Ganzheit bewusst zu sein. Dann bin ich ein seelisch gereifter Mensch, der über eine angemessen Rollenflexibiliät verfügt.

Ist dies der Fall empfinde ich mich als komplettes Ich. Ich bin in der Lage meine innere vollständige Landkarte abzurufen, wenn es nötig ist. Ich bin fähig Sorge dafür zu tragen, dass meine Inneren Kinder mit ihren Traumata und Verletzungen und der daraus resultierenden Unfähigkeit die Gegenwartssituation zu erkennen, nicht die Macht über mein ganzes Selbst übernehmen und mich beherrschen oder hervorspringen, wo sie nichts zu suchen haben und mich boykottieren.

Dies ist ein Prozess des Erlernens und Trainierens der Zeit braucht.

 

Übrigens: Was den Psycho-Bullshit angeht, konnten mein Klient und ich im Laufe unserer Sitzung herausfinden, welcher Ich-Zustand da am Werk war.

 

 

 

 

 

 

 

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