Donnerstag, 23. März 2023

Aufmerksamkeit verändert vieles

 

                                                                  Foto: A.Wende

 
Gestern hatte ich ein Gespräch mit einer Klientin, die sich über sich selbst ärgert, weil sie immer dann, wenn ihr Partner sich anderen zuwendet, ein bedrohliches Gefühl von Verlassenheit empfindet, das sie dann mit Wut auf ihren Partner ausagiert. Sie weiß genau, dass diese Angst alt ist und es keinen Grund im Jetzt gibt. Ihre Beziehung ist stabil und sie weiß, dass ihr Partner sie liebt. Dieses Wissen nützt ihr aber nichts. Immer wieder wird sie von den alten Gefühlen überflutet. Ich spüre wie die Wut hochkriecht, aber ich kann nichts tun, ich muss sie rauslassen. Das macht mich traurig. Hört denn das nie auf?, sagt sie.
Ob das irgendwann aufhört weiß ich nicht, antworte ich, aber Sie können lernen bewusster mit ihren Emotionen umzugehen.
Ich empfehle meiner Klientin ihre Aufmerksamkeit zu trainieren. Diese ist wesentlich für unsere Fähigkeit zur Selbstberuhigung in emotional aufwühlenden Momenten.
Wenn wir lernen unsere Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment zu richten und diese Aufmerksamkeit täglich trainieren, finden im Gehirn interessante Veränderungen statt. Unser Gehirn besitzt die Fähigkeit, sich neu zu organisieren und neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen herzustellen. Das bedeutet: Es ist dazu fähig sich strukturell und physiologisch zu verändern. Und das gelingt durch das Praktizieren von Aufmerksamkeitstraining.
 
Aufmerksamkeitstraining stärkt die Verbindungen zwischen verschiedenen Gehirnregionen, die an der Aufmerksamkeitssteuerung beteiligt sind, wie z.B. den präfrontalen Cortex und den parietalen Cortex. Dadurch können Informationen schneller und effizienter verarbeitet werden. Die graue Substanz nimmt zu.
Studien haben gezeigt, dass Menschen, die regelmäßig Achtsamkeit praktizieren trainieren, eine höhere Dichte an grauer Substanz in bestimmten Gehirnregionen haben, die für die Aufmerksamkeitskontrolle wichtig sind, wie z.B. der präfrontale Cortex. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit regelmäßig trainieren, erhöht sich die Aktivität in dieser Region, was uns u.a. hilft, uns besser auf eine Aufgabe zu konzentrieren und ablenkende Reize auszublenden. Das Trainieren der Aufmerksamkeit verändert auch die Konzentration und Verfügbarkeit von Neurotransmittern wie Dopamin, Noradrenalin und Serotonin. Diese Neurotransmitter sind wichtig für die Regulierung der Aufmerksamkeit und können ebenfalls helfen, unsere Konzentration zu verbessern.
 
Wenn neue neuronale Pfade angelegt werden, gelingt es uns mit der Zeit uns aus unseren Automatismen zu lösen. Wir reagieren nicht mehr unmittelbar und automatisch auf Reize und Trigger, sondern lernen, den Raum dazwischen achtsam wahrzunehmen und ihn zu nutzen, um nicht von unseren Gefühlen überflutet zu werden. Mit einfachen Worten: Wir reagieren zunehmend bewusster und nicht aus unseren alten Mustern heraus. Wir sind präsent im Jetzt.
Die Praxis der Metta Meditation z.B. bei der es um liebende Güte, also um das Gefühl von Liebe geht, indem wir durch das Sprechen von Sätzen und Mantras üben liebevolle Güte für uns selbst und jedes Lebewesen zu empfinden, stärkt sogar unser Limbisches System, also den Ort im Gehirn wo unsere Emotionen sitzen. 
 
Jede Art von Aufmerksamkeitsstraining führt, wenn wir es zu unserer täglichen Routine machen, zu einem ruhigeren, gelasseneren und bewussteren Umgang mit uns selbst und unseren emotionalen Herausforderungen. Es gibt unserem Nervensystem die Balance zurück. Es hilft uns, uns in der Gegenwart zu verankern. Es verhilft uns dazu nicht mehr aus dem Autopiloten zu reagieren, uns von Denkverzerrungen zu lösen, mehr Gelassenheit zu erlangen und bewusster mit uns selbst und anderen umzugehen. Aufmerksamkeit hilft uns dabei, dass wir unseren Konditionierungen und unseren Emotionen nicht mehr unbewusst ausgeliefert sind. Unsere Aufmerksamkeit steuert, wofür wir unsere mentalen Ressourcen nutzen. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit besser kontrollieren können, können wir leichter Abstand von wenig hilfreichen Gedanken nehmen. Das Gewahrsein der Reaktionen unseres Nervensystems ist ein enormer Schritt in Richtung Genesung. Schon kleine tägliche Übungen verändern vieles.

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