Dienstag, 8. Juni 2021

Mauern

 

                                                                     Foto. A.Wende


Bevor ich eine Mauer baute, fragte ich, was ich da einmauerte
und wer wohl Anstoß nehmen könnte.
Es gibt etwas, das mag Mauern nicht.
Es will sie stürzen sehen.“
Die Implikation, dass Abgrenzungen künstlich und willkürlich sind, zeigt sich sehr schön in diesem Gedicht von Robert Frost.
 
Auch in uns gibt es etwas, das Mauern baut und Mauern einreißen möchte. Etwas, was zugleich Abgrenzung und Öffnung will.
Wir alle bauen Mauern. Wir bauen sie sogar in uns selbst. Wir ziehen sie innerlich hoch und trennen unser Licht von unseren Schatten. Wir tun das, weil wir unsere Ganzheit, so wie sie ist, nicht akzeptieren. Wir mauern Teile ein, mit denen wir nicht einverstanden sind oder die wir auf den Tod nicht leiden können. Wir mauern unsere Schwächen ein, unsere Unsicherheit, unsere Sensibilität, unsere Schmerzen, unsere Traurigkeit, unser Mitgefühl, unsere Angst, unseren Mut, unsere Verletzlichkeit und unsere Sehnsucht nach Nähe und Liebe. Wir mauen unsere Lebensfreude, unsere Lebendigkeit und unsere Leidenschaften ein. 
 
Wir bauen Mauern, innen wie außen.
Und in diesen Mauern leben wir als getrennte Wesen – getrennt von uns selbst und von anderen, die die Scheinsicherheit, die uns das Mauern bauen vorgaukelt, niederreißen könnten. Wir mauern uns in Gewohnheiten ein, in Vorstellungen wie wir selbst, die anderen, oder etwas, oder die Welt um uns herum zu sein hat und das Leben in und hinter unseren Mauern wird immer enger und dunkler. Wir atmen flach, wir sind körperlich verspannt und unsere Herzen sind eng. 
 
Wir bauen Mauern und zugleich ist da dieses Etwas in uns, das keine Mauern liebt. Das Etwas, das der Enge entfliehen möchte und lebendig sein will und offen für alles, was Leben ist.
Dieses Etwas will uns sagen:
Eins in allem
Alles im Einen –
Hast du das erkannt,
bekümmert dich nicht mehr, dass du nicht vollkommen bist. 
 
Was mauerst DU ein?

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