Donnerstag, 11. März 2021

Aus der Praxis – Selbstmitgefühl und liebende Güte

 

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 Möge ich glücklich sein.

Möge ich gesund sein und frei von Leid.

Möge ich frei sein von Hass und Gier.

Möge ich voller Ruhe, Frieden und Gelassenheit sein.

 

Für sich selbst Mitgefühl und eine heilsame Aufmerksamkeit und Fürsorge aufzubringen fällt vielen Menschen schwer. Wir haben es nicht gelernt, mit uns selbst gut zu sein, was nichts anderes heißt, als dass wir, auf eine gesunde und achtsame Art fürsorglich mit uns selbst umgehen.

Hingegen muten wir uns oft mehr zu, als wir schaffen können, wir beuten uns selbst aus, wir überfordern und erschöpfen uns. Wir missachten unsere Grenzen, wir erwarten mehr von uns als von anderen und wir hören auch dann nicht auf uns selbst anzutreiben, wenn wir leiden. Wir geben auch dann noch, wenn unser Lebensgefäß immer leerer wird.

Warum tun wir das?

Wir haben es nicht gelernt, mit uns selbst gut zu sein. Viele von uns, insbesondere Frauen, haben dagegen gelernt: Fürsorge ist für andere da. Das ist auch so. Wir dürfen fürsorglich sein für die, die wir lieben, aber eben auch für uns selbst. Das ist der Beginn der Selbstliebe.

Gestern sagte eine Klientin zu mir: Das mit der Selbstliebe, das kriegt doch keiner wirklich hin.

Ich musste ihr Recht geben.

Es kriegt keiner wirklich hin, also ich kenne keinen.

Selbstliebe ist so ein großes Wort, eine riesige Blase, deren Inhalt, die wenigsten von uns fühlen können und die  nicht selten an der gelebten Realität zerplatzt.

Wie wäre es also zuerst mit Selbstfreundschaft?,  schlug ich meiner Klientin vor.

 

Was bedeutet Selbstfreundschaft?

Wer mit sich selbst befreundet ist behandelt sich selbst so und handelt selbst so, wie es ein guter Freund für uns tun würde. Selbstfreundschaft ist eine freundliche, wohlwollende Haltung gegenüber dem eigenen Ich, die gute Zeiten besser macht und ungute Zeiten erträglicher.

 

Die Vorrausetzung um mit uns selbst befreundet zu sein ist Selbstmitgefühl.

Selbstmitgefühl ist nicht mit Selbstmitleid zu verwechseln. Selbstmitgefühl ist ein sicheres Fundament, das uns trägt, auch wenn wir ins Wanken kommen.

Die meisten von uns schließen sich jedoch selbst aus dem Wohlwollen aus, das wir anderen schenken, weil wir inneren Überzeugungen folgen, die uns sagen: Du bist es nicht wert. Oder wir denken, es sei egoistisch, uns selbst mitfühlend zu behandeln. Die meisten Menschen sind viel geübter in harter Verurteilung sich selbst gegenüber.

 

Wenn wir selbstmitfühlend sind hören wir mit den Verurteilungen auf. Wir erkennen an, dass wir, wie jeder andere Mensch, wertvoll und liebenswert sind, dass wir nicht perfekt und nicht vollkommen sind, genau wie alle, denen wir das leichter zugestehen als uns selbst.

Selbstmitgefühl legt den Fokus auf die bewusste Erlaubnis, uns heilsam um uns selbst zu kümmern. Wir lernen auf uns selbst zu achten, uns uns selbst liebevoll zuzuwenden und uns auf allen Ebenen unseres Lebens gut zu versorgen. Damit hören wir auf uns selbst zu schaden.

 

Je selbstmitfühlender wir mit uns sind, desto mehr kommen wir in Kontakt mit uns selbst.  

Wir kommen in Kontakt mit unseren Gefühlen und damit auch mit unseren Ängsten vor Verletzung und Zurückweisung und erfahren sehr unmittelbar unsere zutiefst menschlichen Themen und Bedürfnisse. Wir lernen all das anzunehmen als Teil des Ganzen, das wir sind. Schließlich lernen wir die Verantwortung für uns selbst zu übernehmen. Wir befreien uns von diesem zuneigungshungrigen inneren Kindanteil, der nie satt zu kriegen ist und stets nach Aufmerksamkeit verlangt. Zuneigungshunger ist das Gegenteil von Selbstmitgefühl – er ist Selbstsucht. 

Selbstsucht führt immer von uns selbst weg zur Anhaftung an andere, die das für uns tun sollen, was uns selbst nicht gelingt. Diese unheilsame Verstrickung lösen wir indem wir Selbstmitgefühl üben und praktizieren. Damit befreien wir uns selbst und andere.

Im Zuge dieses heilsamen Prozesses werden wir nicht nur selbstmitfühlender, sondern wir können unser Mitgefühl auch anderen ohne Anstrengung aus tiefstem Herzen schenken. 

 

Wer sich selbst gegenüber hart und verurteilend ist, ist auch hart und verurteilend gegenüber anderen. Ihm fehlen die emotionalen Ressourcen, weil er ständig im Kampf mit sich selbst ist. 

Selbstmitfühlende Menschen hingegen haben mehr emotionale Ressourcen für ihre Mitmenschen zur Verfügung, ganz einfach, weil sie sich selbst die Aufmerksamkeit und Fürsorge schenken, die sie brauchen. Sie sind erfüllt und nur wer erfüllt ist, kann etwas von seiner Fülle abgegeben. Selbstmitfühlende Menschen besitzen das, was man im Buddhismus Metta - allumfassende Liebe, Herzensgüte, Nächstenliebe, liebende Güte - nennt, für sich selbst und ihren Mitmenschen gegenüber. 

Diese liebende Güte können wir kultivieren, indem wir mit uns selbst beginnen - dort wo Veränderung immer beginnt.

 

Damit man echtes Mitgefühl für andere entwickeln kann, muss man zuerst ein Fundament haben, auf dem man Mitgefühl kultivieren kann. Dieses Fundament ist die Fähigkeit, sich mit den eigenen Gefühlen zu verbinden und sich um sein eigenes Wohlergehen zu kümmern“, sagte der Dalai Lama einmal.  

 

Ja, so ist es.

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