Sonntag, 21. März 2021

Aus der Praxis – Emotionales Essen

 

                                                                 Foto: A.Wende

 

Als ein anderer darüber klagte, dass ihm das Essen nicht schmecke, sagte Sokrates: Akumenos weiß dagegen ein gutes Mittel. Was für eins? fragte jener. Man soll das übermäßige Essen sein lassen, antwortete Sokrates, denn wenn man es aufgebe, werde einem das Essen trefflicher schmecken, billiger sein und besser bekommen.


Haben wir Stress, schüttet das Gehirn das Stresshormon Cortisol aus. Dauerstress führt zu einem dauerhaft erhöhten Cortisolspiegel. Zugleich werden die zur Gruppe der Neurotransmitter gehörenden Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin freigesetzt. Ein Überschuss an Noradrenalin führt unter anderem zu einer Engstellung der Gefäße und damit zu einer Erhöhung des Blutdrucks. Zudem hemmen Adrenalin und Noradrenalin die Insulinausschüttung. Der Blutzucker steigt an. Ein zu viel an Adrenalin löst außerdem innere Unruhe und Angst aus.
Eine weitere Folge von Dauerstress: Unsere Hirnareale, die für das bewusste Handeln verantwortlich sind, werden blockiert. Stattdessen wird das sogenannte Stammhirn aktiviert, das die überlebenswichtigen Funktionen und Triebe steuert.
Stress setzt auch die Wahrnehmung innerer Signale wie Hunger und Sättigung herab.  Manche Menschen verlegen sich auf das sogenannte emotionale Essen.
 
Was bedeutet das?
Wir essen nicht, weil wir hungrig sind, sondern weil das Gehirn uns vorgaukelt, dass wir damit den Stress bewältigen können. Auch Langeweile kann dazu führen, unabhängig vom natürlichen Hungergefühl, zu viel und zu oft zu essen.
Der kurzfristige Effekt: Durch Essen tritt eine emotionale Entlastung ein.
Der langfristige Effekt: Essen wird zur Kompensationsstrategie und damit zu einer ungesunden Gewohnheit.
 
Zu oft, zu viel, zu fett essen, ist für viele Menschen in der Pandemie ein Thema geworden. Auch Kinder- und Jugendpsychiater berichten von zunehmenden Essstörungen seit Beginn der Pandemie und während der Lockdowns.
 
Emotionales Essen ist immer die Folge eines seelischen Konfliktes oder eines Problems, und wie alles, was wir zu viel konsumieren, um etwas zu verdrängen oder abzuspalten, nicht die Lösung für das Problem. Im Gegenteil - wir haben ein weiteres Problem.
 
Wie stoppt man das?
Um mit dem emotionalen Essen aufzuhören ist es hilfreich, sich mit dem eigentlichen Problem auseinanderzusetzen. Dazu gehört, sich zu fragen, wonach man eigentlich hungert, um den Kern des Problems zu erforschen und es dann zu lösen.
 
Eine kleine Anleitung zur Selbsthilfe ist die Selbstbeobachtung.
Jedes Mal, wenn wir etwas essen wollen, halten wir einen Moment inne und erforschen den Auslösereiz. Wir fragen uns: uns: Willst du jetzt essen, weil du hungrig bist oder willst du ein Gefühl kompensieren? Und weiter: Welches Gefühl willst du gerade nicht fühlen?
Dann lassen wir dieses Gefühl da sein und beobachten es, anstatt es „wegessen“ zu wollen. Wenn es sein darf, kann es auch wieder gehen. Kein Gefühl bleibt, wenn wir es nicht festhalten. 
 
Auf diese Weise lernen wir uns selbst nicht nur besser kennen und angemessener mit unseren Gefühlen umzugehen, mit der Zeit tritt wieder eine gesunde Kontrolle über das ungesunde Essverhaltenen ein. Wir gewinnen unser natürliches Essverhalten zurück und essen bewusst - und wir essen, was für unseren Körper heilsam ist.
Wir lassen das Kompensieren und tun uns, anstatt zu viel zu essen, etwas wirklich Gutes.

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