Mittwoch, 3. Februar 2021

Warum Betrug so vernichtend ist

 

                                                                        Foto: www


„Ich glaubte zu wissen, wie ich bin, wie er ist, und auf einmal erkenne ich uns nicht mehr, weder ihn noch mich. Mein früheres Leben ist zusammengestürzt, spurlos verschwunden, wie bei einem jener Erdbeben, wo der Boden sich selbst verschlingt. Hinter dem Flüchtenden bliebt nichts zurück als ein Abgrund. Es gibt keine Rückkehr“, schreibt Simone de Beauvoir in ihrem Buch „Eine gebrochene Frau“.

Die Entdeckung eines Betrugs ist vernichtend.
Wenn man eine Liebe auslöschen will und das Vertrauen eines Menschen zerstören will, ist der Betrug das Mittel der Wahl. Betrug ist Verrat auf vielen Ebenen: Lüge, Täuschung, Zurückweisung, Demütigung, Beschämung, Kränkung, innerliches Verlassen des anderen. All das sind Erfahrungen vor denen uns die Liebe ja bewahren soll. Wenn aber der Mensch, dem man vertraut hat, derjenige ist, der einem all das zugefügt hat, lässt das bei besonders sensiblen Menschen eine Welt zusammenbrechen. Das Leben zerbricht in viele Teile, die sich nicht mehr zusammenfügen lassen.

Werte und Grundannahmen, die einen Menschen ausmachen, machen ihn genau dort auch verwundbar. Es sind vor allem diese Menschen, die noch Jahre nach dem Betrug leiden. Der Betrogene steht, wie es Simone de Beauvoir so eindringlich beschreibt, vor einem Abgrund. Hinter ihm liegt der Trümmerhaufen eines Lebens, das so wie es war nie mehr sein wird. In ihm sind Fassungslosigkeit, Wut, Ohnmacht, Schmerz, Trauer und Orientierungslosigkeit. Der Fassungslosigkeit folgt eine niederschmetternde Gewissheit.

Untreue erschüttert den ganzen Menschen.
Die Wucht an Gefühlen ähnelt den Symptomen eines psychischen Traumas. Es kommt zu exzessivem Grübeln, überhöhter Wachsamkeit, automatisch wiederkehrenden Erinnerungsbilden, Schlafstörungen, Albträumen, unerklärlichen Wutausbrüchen, Ängsten, unangemessenen Reaktionen, Panik, Dissoziation, Überaktivität oder sozialem Rückzug, emotionaler Erstarrung und/oder Depressionen. Eine solche Erfahrung ist für manche Menschen derart zerstörerisch, dass sie die emotionalen Folgen oft nicht mehr loswerden. Noch Jahre nach dem Betrug leiden sie unter den Folgen der erschütterten Seele.

Wird das Ereignis nicht verarbeitet, kann es zu einer Posttraumatischen Belastungsstörung kommen, eine chronisch verlaufende Störung, die nach extrem belastenden Ereignissen auftreten kann. Wird diese nicht behandelt, kann sie die Lebensqualität massiv einschränken. 

Warum ist das so?
Die mit dem Trauma in Verbindung stehenden Sinneseindrücke, körperlichen Empfindungen und Gefühle werden im sogenannten Mandelkern im Gehirn gespeichert. Sie zerfallen bei oder nach einem Trauma wie die Splitter eines zerbrochenen Spiegels in viele Einzelteile und können daher nicht mehr als sinnvolles Ganzes wahrgenommen und zugeordnet werden. Aus diesem Grund können sie nicht als Lernerfahrung in die Gesamtheit der Persönlichkeit integriert werden. Es nützt also nichts, wenn man diesen Menschen sagt: „Jetzt zieh endlich mal einen Schlussstrich unter das Ganze und leb dein Leben!“ Sie wollen es ja, nichts lieber als das, aber sie können es nicht. Diese Fragmente beginnen ein Eigenleben. Sie überlagern  das Jetzt. Das Zusammenspiel von teilweisem Erinnern, Erinnerungslücken und immer wieder auftauchenden Bildern und den damit ausgelösten Gefühlen stellt für Betroffene eine große Belastung dar. Sie sind nicht mehr Herr/Frau im eigenen Haus.
Sie brauchen professionelle Hilfe um die Traumafolgen zu verarbeiten. 



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