Montag, 9. November 2020

Die Dame in Schwarz

 



Die Depression trennt uns von allem. Wir sind abgestimmt auf die Traurigkeit. Die Depression kann leblos machen, sie ist ein bedrohlicher Wald in dem das Dunkel nicht weicht. Wir sehen nicht einmal mehr die Hand vor Augen. Es ist kalt und wir frieren bis auf die Knochen. Wir schließen uns in eine Rüstung ein. Diese hat einen Riss. Dieser Riss hat uns so verwundbar gemacht. Wir werden ihn nicht noch mehr aufreißen lassen. Das schwören wir uns. Nie mehr wird etwas durch diesen Riss zu uns durchdringen. Wir haben genug. Die Rüstung wird zur zweiten Natur. Und so schafft sie eine Barriere zwischen uns und dem Leben. 
 
In der Depression kann auch die Angst ins Unermessliche wachsen. Keiner wird mich mehr lieben, keiner kann mich lieben, wo ich mich doch selbst nicht mehr lieben kann. Wird das jemals aufhören? Werde ich überhaupt noch eine Zukunft haben? Und wie sieht sie aus? 
Wir bezweifeln, voller Furcht, dass es jemals besser wird.
 
Manchmal sind Furcht und Angst angemessen, denn sie zeigen uns, wie es mit uns steht, sie mahnen uns, dass wir Hilfe brauchen um aus der dunklen Nacht der Seele wieder ins Licht zu finden.
Die unangemessene Angst aber ist meist eine Projektion, ein Vorwegnehmen der Zukunft.
In der Depression ist es hilfreich diese Angst mittels bewusstem Atmen, anzuhalten. Wenn sie uns überfällt können wir uns hinsetzen und sie zum Gegenstand ruhiger Aufmerksamkeit machen. Wir betrachten sie uns genau. Wir machen uns bewusst wie sie sich anfühlt. Wir spüren nach wo im Körper sie sitzt. Wir lokalisieren die Stelle an der sie sitzt. Wir schauen uns an, wie sie unsere Gefühle einfärbt. Damit holen wir uns in das Jetzt zurück. Weg von der unbekannten Zukunft und der Angst davor.
In der Depression haben wir die Chance unsere Angst als das zu sehen was sie ist. Wir können uns fragen, was es bedeuten würde angstfrei zu sein. Vielleicht entdecken wir in uns selbst eine Furchtlosigkeit, die wir bisher nicht bemerkt haben.
 
Vielleicht entdecken wir einen Mut, den wir bisher nicht gespürt haben – den Mut mit der Depression und der Angst überhaupt umzugehen. Sie annehmen zu können als Signal unserer Seele, dass es so wie es war, nicht mehr weitergeht. Vielleicht gelingt es uns das zweckvolle Element der Depression zu würdigen. In der Depression liegt die Chance alles in unserem Leben genau zu betrachten. Sie versperrt uns den Ausweg uns von uns selbst und unserem Leben abwenden zu können. 
Schluss mit dem Flüchten, schau bitte hin, sagt sie. Ich wünsche mir für dich, dass du erwachst! Oder wie C.G. Jung einmal sagte: "Die Depression gleicht einer schwarzen Dame. Tritt sie auf, so weise sie nicht weg, sondern bitte sie als Gast zu Tisch und höre, was sie zu sagen hat."
 
 
P.S. Ich spreche hier nicht von schweren Depressionen, die unbedingt therapeutischer Behandlung bedürfen.

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