Samstag, 24. August 2024

Gefühle sind Wegweiser

 

                                                                    Foto: pixybay

 
Immer wieder höre ich von KlientInnen, sie möchten unangenehme Gefühle weghaben. Sie beklagen sich, dass ihre Gefühle zu viel Macht über sie haben. Sie machen sich Vorwürfe sich emotional nicht im Griff zu haben. Sie fühlen sich klein, ohnmächtig und haben das Gefühl zu versagen.
 
Gefühle sind zunächst einmal Gefühle.
Gefühle sind menschlich und dürfen sein.
Das größte Problem im Umgang mit Gefühlen ist, dass wir unsere Gefühle sofort bewerten. Kaum fühlen wir sie, drücken wir ihnen einen Stempel auf. Wir bilden Kategorien, teilen sie auf in gut oder schlecht. Besonders Schmerz, Wut, Traurigkeit , Hilflosigkeit, Schuld, Scham und Angst werden als schlecht empfunden. Und was schlecht ist, muss weg!
Damit beginnt der innere Kampf.
 
Gefühle bewerten heißt, dass sich der Kopf einschaltet und sie sofort bewältigen oder wegmachen will.
Gefühle fühlen führt dazu, dass wir sie einfach wahrnehmen, beobachten und da sein lassen.
Indem wir unangenehme Gefühle als negativ bewerten verstärken wir sie, wir geben ihnen Energie. Das trägt dazu bei, dass wir uns dieser Energie ausgeliefert fühlen. Wir blockieren uns durch die Bewertung selbst und nehmen uns damit die Fähigkeit angemessen mit ihnen umzugehen.
Je mehr wir Gefühle als negativ bewerten, desto mehr identifizieren wir uns mit ihnen, das gilt auch wenn wir über längere Zeit ein bestimmtes Gefühl, wie z.B.Traurigkeit empfinden – wir „sind“ dann unsere Gefühle, wir sind vollkommen damit identifiziert. Damit machen wir uns zum Opfer unserer Gefühle. Und wenn sie dann nicht wegzumachen sind, haben wir noch mehr das Gefühl ohnmächtig zu sein. Wir haben uns nicht im Griff. Wir haben es nicht unter Kontrolle und wir verurteilen uns dafür.
Dieses Denken ist wenig hilfreich und sehr anstrengend.
Es geht weniger anstrengend und hilfreicher.
Ein Beispiel:
Ich bin traurig .
Ich fühle Traurigkeit.
Schauen wir uns beide Aussagen an, merken wir den Unterschied.
Ich bin traurig – ist Identifikation.
Ich fühle Traurigkeit - ist Wahrnehmung.
 
Versuchen wir nicht zu bewerten, dann sind auch unangenehme Gefühle nur Gefühle. Sie gehören zum Leben und zum Menschsein.
Es ist okay zu fühlen.
Was wir fühlen darf sein, auch wenn es weh tut.
Jedes Gefühl ist gleichbedeutend und gleich wichtig.
Unangenehme Gefühle sind besonders wichtig.
Weil sie uns einen Hinweis geben auf das, was an Bedürfnissen verletzt wurde oder nicht erfüllt ist. Weil sie uns etwas darüber erzählen, was in unserem Leben aus dem Gleichgewicht geraten ist, oder was in unserem Inneren gesehen und beachtet werden will. Sie erzählen uns die Wahrheit über uns selbst und das Leben, das wir leben. Sie erzählen uns viel über den Menschen, der wir sind, wenn wir die Maske absetzen.
 
Gefühle sind Wegweiser.
Würden wir Wegweiser negativ bewerten?
Weghaben wollen?
Wohl eher nein.
Wir würden ihnen folgen. 
 
 
Angelika Wende

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