Foto: A. Wende
Da sind so viele Löcher in uns und all diese Löcher sind die Quelle unseres Brauchens. Wir brauchen einander. Wir kennen es nicht anders, seit Kindesbeinen brauchen wir andere um zu überleben.
Wir verlieben uns, weil wir einander brauchen.
Der Zauber der Verliebtheit lässt uns glauben die Einsamkeit zu überwinden. Er lässt uns glauben das Bedürfnis nach Sicherheit, unser Angewiesensein auf Anerkennung und Wertschätzung zu erfüllen.
Und wir spüren irgendwann - das ist eine Illusion.
Der Zauber des Verliebtseins ist wie der Rausch einer Droge, flüchtig. Am Ende der Verliebtheit sehen wir wieder die Löcher, die wir mit dem Verliebtsein gefüllt haben und sie sind schwärzer und tiefer als zuvor. Der Irrtum, den wir dann begehen ist, dass wir die Löcher in uns für die Löcher in der Beziehung halten, dann, wenn wir eine Weile miteinander leben, wenn die Schwierigkeiten kommen, die Probleme, der Streit, die Gleichgültigkeit und am Ende das Verlassen. Dann glauben wir die Beziehung ist das Problem, oder der andere ist das Problem, weil wir unsere eigenen Löcher des Brauchens vergessen haben.
Liebe braucht nicht.
Weil die Liebe nicht braucht ist ihr Blick klar. Ein reifes Ich in dem die Liebe wohnt, ist sehend. Liebe ist kein schicksalsschwangeres Mysterium, das irgendwo in einem anderen Menschen auf uns wartet. Liebe ist das Selbst eines reifen Ichs, das nicht besitzen will, das keine Bindung anstrebt, sondern Verbundenheit mit sich selbst und allem fühlt.
Solange wir diese Verbundenheit nicht spüren, wollen wir einander besitzen, wollen wir dass er, sie, uns glücklich und ganz macht.
Und wir halten das Brauchen für Liebe.
Die Liebe kennt kein Brauchen, keinen Zweck. Sie ist.
Wenn wir in der Liebe sind, können wir nicht ins Leere fallen.
Verzweiflung, Wut, Schmerz, Trauer und Angst sind nicht vermeidbar, wenn eine Verliebtheit zu Ende ist. All dies sind die enttäuschten Gefühle des Brauchens, das Verlust erleidet. Über den Verlust der Verliebtheit hinaus, steht das Ich wieder alleine da.
Diese Begegnung mit dem Ich ist immer wieder die Chance zur Entdeckung der Liebe.
Ich erkenne mich selbst im Alleinsein.
Ich erkenne die Wahrheit, die mir das Brauchen vernebelt hat: Jeder ist allein. Der Glaube zu Zweit dieses Alleinsein überwinden zu können entpuppt sich als Schimäre, weiter nichts. Der Glaube, dass das Du das Ich komplett macht ist eine Illusion.
Je unvollständiger das Ich ist, desto mehr braucht es ein Du.
Es ist unser Unvollständigsein, das braucht und nicht geben kann, ohne zu erwarten zu bekommen, ohne zu erwarten, dass die Löcher gefüllt werden, die Leere ein Ende hat. Ewig sind da diese Erwartungen an den anderen.
Aber was kann man erwarten? Eigentlich nichts.
Solange wir erwarten sind wir eng.
Enge ist Angst.
Angst hat Erwartungen.
Angst will Kontrolle.
Angst will festhalten.
Angst will Erwartungen festhalten, die auf Vorstellungen gründen, wie etwas zu sein hat, wie der andere uns zu begegnen hat, wie er uns zu lieben hat, damit wir glücklich sein können und ganz.
Wenn wir nicht mehr erwarten haben wir keine Angst mehr. Wir können empfangen. Dazu müssen wir offen sein und damit beginnen unsere Erwartungen nicht mehr an andere zu stellen.
Erwartungen an uns selbst und das eigene Leben erfüllen, damit fangen wir an.
Offen sein für uns selbst. Erst wenn wir eine tiefe Verbindung mit uns selbst fühlen, die uns erfüllt, können wir geben, ohne nehmen zu wollen, ohne zu brauchen – ohne Erwartungen.
Dann ist eine echte Verbindung mit einem anderen möglich. Dann ist Liebe.
Wir wissen um die Löcher und wir haben keine Angst mehr hineinzufallen.
Weil wir wissen: Was sie füllt, ist die Überwindung des Brauchens.
Liebe braucht nicht, das wissen wir, aber wir haben es nicht anders gelernt.
Wir dürfen dazu lernen.
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