Freitag, 26. April 2013
Angst ist normal - Aus der Praxis
angst kennt jeder mensch und jedes tier. sie ist eine archetypische emotion, die so alt ist wie die lebewesen auf der erde. als biologisches warnsystem ist angst dazu da, die ressourcen blitzartig auf flucht oder verteidigung umzustellen. somit ist die angst eine lebenswichtige einrichtung der natur, um auf gefahren zu reagieren.
wenn wir angst haben steigt der adrenalinspiegel, der körper setzt stresshormone frei, das herz pumpt mehr blut, die muskulatur spannt sich an. diese reaktionen beschleunigen die reflexe, schärfen die sinne und wir sind bereit zu reagieren. eine gute einrichtung, finde ich.
wir alle kennen das gefühl der angst. wir mögen es nicht. angst zu haben ist nicht gesellschaftsfähig, wer angst hat, dem entgleiten die emotionen, glauben wir, wer angst hat, ist schwach und nicht belastbar und schon gar nicht erfolgreich. wenn wir angst haben, befürchten wir von unseren mitmenschen verurteilt oder abgelehnt zu werden und - wir lehnen uns selbst ab. mit anderen worten - wenn wir angst haben, haben wir ein problem.
doch genau das ist das problem.
wir versuchen, wo und wann immer es geht, unsere ängste zu verdrängen, sie zu bekämpfen und sie zu besiegen, um das leben, und um im leben, zu bestehen. dabei vergessen wir völlig, dass angst etwas zutiefst lebendiges, menschliches ist und wie alles im leben zwei seiten hat.
angst ist eines der elementarsten gefühle menschlicher emotionen. wie alle emotionen hat sie ihre berechtigung. wir können unsere angst nicht einfach abschalten, wir müssen damit leben, ob wir wollen oder nicht.
sicher kann die angst auch pathologisch werden, dann, wenn sie alles andere überschattet, wenn sie zu kontrollverlust führt, wie bei panikattacken oder anderen angsterkrankungen. aber davon spreche ich hier nicht.
ich spreche von der ganz normalen angst ganz normaler menschen.
von all denen, die im laufe ihres lebens immer wieder mit ängsten zu kämpfen haben, von der angst, die uns daran hindert, uns selbst zu entfalten oder neue wege zu gehen.
wir alle haben angst vor misserfolgen, vor ablehnung, vor enttäuschungen, vor verletzungen, vor den werturteilen anderer, davor, unsere träume niemals in die realität umsetzen zu können und vor allem - wir haben große angst vor veränderungen.
viele von uns laufen vor ihren ängsten ständig davon. entweder verdrängen wir sie oder wir suchen uns mittel und wege um uns vor ihnen zu verstecken, indem wir uns ablenken mit den verschiedensten kompensationsmitteln.davon hält die welt da draussen eine menge bereit. aber all diese ausweichmanöver funktionieren auf dauer nicht. die angst lässt sich nämlich nicht verjagen und schon gar nicht besiegen.
der gedanke - ich muss es schaffen meine angst zu besiegen ist daher kontraproduktiv.
angst lässt sich nicht besiegen, denn keine emotion ist stärker als sie. sie ist sogar so stark wie die liebe, auch wenn wir das nicht gerne glauben wollen. gerade wenn wir lieben, haben wir angst. wir haben angst, dass dem geliebten menschen, seien es unsere kinder, der partner, unsere geschwister, unsere eltern oder die besten freunde, etwas zustoßen könnte, dass wir sie verlieren könnten. die liebe und die angst gehören untrennbar zusammen. je gößer die liebe, desto größer die angst, sagt die gefühlte erfahrung. allein das sollte uns zeigen, wie wichtig es ist unsere angst nicht zu verurteilen, sondern sie anzuerkennen, als teil des ganzen, des menschseins.
unser größtes problem mit der angst ist nicht die angst selbst, sondern der widerstand dagegen oder unsere neigung sie zu verleugnen, weil wir sie als etwas schlechtes begreifen.
die frage ist also nicht, wie wir unser ängste bekämpfen, sondern wie wir unsere angst auf ehrliche weise durchleben, damit sie uns nicht am leben hindert und unser denken und handeln nicht lähmt. da sie nun mal unvermeidlich ist, ist es sinnvoll frieden mit ihr zu schließen. das bedeutet - uns nicht mehr gegen sie zu wehren und uns nicht mehr gegen sie aufzulehnen. denn das, was wir bekämpfen, das, wogegen wir uns mit aller macht auflehnen, bleibt bestehen, hat c.g.jung einmal gesagt. das, dem wir aufmerksamkeit schenken wächst, so könnte man es auch sagen. je mehr ich der angst aufmerksamkeit schenke und das tue ich, wenn ich sie bekämpfe und ihr damit widerstand leiste, desto mehr energie gebe ich in die angst hinein und desto mehr kraft verwende ich, im akt des widerstehens.
wir alle wissen wie viel kraft es uns kostet unsere sorgen und unsere angst zu bekämpfen, oder so zu tun, als seien sie nicht existent. das brennt aus.
aber wie kann es gelingen frieden mit der angst zu machen? es ist hilfreich anzuerkennen, dass alle anderen auch angst haben. die gesichter dieser ängste sind sich sehr ähnlich. es ist also nichts besonderes angst zu haben. es ist etwas völlig normales.
angst ist nicht verurteilenswert. sie ist, was sie ist.
erst die verleugnung der angst treibt uns in ungesunde verhaltensweisen. wir belügen uns selbst und andere, wir ertränken sie im alkohol, blasen sie mit zigarettenrauch in die luft, betäuben sie mit essen oder dämpfen sie mit drogen wie haschisch oder chemischen beruhigungsmitteln. damit geben wir der angst die macht unsere gesundheit zu zerstören. das müsste uns doch eigentlich angst machen und nicht die angst an sich. sie ist zwar die ursache, aber die wirkung die sie hat, dadurch, dass wir sie kaschieren oder besiegen wollen, ist weitaus zerstörerischer als die angst selbst.
wie wäre es denn, wenn wir einfach ehrlich wären und zu unserer angst stehen würden?
wie wäre es, wenn wir sie anerkennen würden und die positiven seiten beleuchten, die sie hat? dann könnten wir uns entspannen und unser ängste sogar als sinnvoll akzeptieren, etwas aus ihnen lernen und sogar von ihr profitieren. die angst weißt uns nämlich darauf hin, dass etwas wichtig ist, oder nach veränderung schreit, sie zeigt uns wie verletzlich wir sind, sie führt uns dahin, wo wir mehr mitgefühl mit uns selbst und anderen haben können und sie ist eine chance mut zu entwicklen, denn der steht immer hinter der angst.
es ist mutig zu sagen - ja, ich habe angst. allein das macht sie schon kleiner.
weil der widerstand nachlässt. wenn es uns gelingt, nicht ständig über unsere ängste nachzugrübeln oder uns zwanghaft zu besänftigen, oder uns einzureden, dass wir keine angst haben sollen, oder uns einreden lassen - du musst keine angst haben, sondern uns unsere gefühle ehrlich eingestehen, stellen wir uns der angst. das ist der beginn um sie in unser leben zu integrieren. integrieren ist das gegenteil von abspalten. es ist ein weg in richtung ganzheit - wir sind nämlich die ganze summe all unserer teile. ein schöner runder gedanke, wie ich finde.
wenn wir unsere angst in etwas positives verwandlen können, sie als antrieb verstehen lernen oder als schutz, der uns vor fehlern bewahrt, bekommt sie ein ganz anderes gesicht, eins wovor wir uns nicht mehr fürchten müssen. das erfordert bewusstheit, entschlossenheit, mut und übung.
nicht die angst selbst, unausgesprochene angst macht krank.
unausgesprochene angst führt zu herzrythmusstörungen, zu schlafstörungen und anderen stressbedingten erkrankungen, sogar zu panikattacken und in die depression. das haben wissenschaftler der rutgers-universität in den usa herausgefunden.
wenn wir beginnen unsere ängste zu bejahen, dazu zu stehen, wenn wir uns erlauben sie zu empfinden und sie zum ausdruck zu bringen, beginnen wir sie anzuerkennen, als teil unseres wesens und damit hören wir auf ihr den überwert zu geben, der uns am handeln hindert - wir übernehmen verantwortung für unser ganzes sein und können entscheiden, wie wir mit unserer angst umgehen wollen.
fühle die angst und handle trotzdem - so etwa kann das dann aussehen und sich anfühlen.
wenn wir begreifen, dass das eigentliche problem der angst darin besteht, dass wir uns gegen unsere ängste wehren und sie verleugen, vor uns selbst und anderen, sind wir auf dem weg der lösung. und die heißt: trotz der angst handeln. das ist mut.
mut kann uns viel kraft geben. je öfter wir mutig sind, desto höher ist die chance selbstvertrauen aufzubauen. selbstvertrauen das heißt auch - sich gewiss zu sein: egal, was passiert - ich werde damit fertig. ein guter gedanke um die angst zu umarmen und mit ihr loszugehen, finde ich.
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