Samstag, 25. November 2023

Das Rätsel des Unbewussten und die Idee der Erleuchtung


 

Was ist Bewusstsein?
Das Lexikon für Psychologie beschreibt Bewusstsein als das Erleben mentaler Zustände und Prozesse. Darüber hinaus kann Bewusstsein als ein Zustand verstanden werden, in dem man sich einer Sache bewusst ist und somit über entsprechendes Wissen verfügt.

Sigmund Freud unterteilte das Bewusstsein in drei Ebenen: in bewusste, vorbewusste und unbewusste Anteile der Persönlichkeit, die er als ES – ICH – ÜBER-ICH bezeichnete, und die alle Einfluss auf unser Verhalten haben.
C.G. Jung schuf ein anderes Konzept.
Nach Jung beinhaltet die Seele ein Unbewusstes, das sich in ein persönliches und ein kollektives Unbewusstes aufteilt. Mit anderen Worten: in jedem persönlichen Unbewussten ist auch ein kollektives Unbewusstes enthalten, was bedeutet, alle Erfahrungen des Kollektivs in dem wir leben, sind darin gespeichert, aber uns nicht bewusst.
Folgt man Jung sind Bewusstsein und Unbewusstes durchlässig. Was bedeutet: Inhalte können uns zu einem Zeitpunkt bewusst sein, zu einem anderen Zeitpunkt können sie wieder im Unbewussten versinken. Beides Konzepte zweier großen Geister, die diese aus ihren Praxiserfahrungen mit vielen Menschen erschaffen habe und an denen wir uns in der analytischen Psychologie noch heute orientieren.

Das Unterbewusstsein ist Versunkenes in einem ein tiefen, tiefes Meer und es ist tricky. Weil es eine immense Macht hat. Kaum glauben wir uns über etwas bewusst zu sein, schwappt das Unterbewusste wie ein Welle darüber und boykottiert unser bewusstes Wissen. Und wir sind wieder im Autopiloten. Wir wissen zwar, aber es funktioniert nicht, was wir wissen.
Das zeigt: Die Macht des Unbewussten ist immens und widerstrebt beharrlich dirigistischen Eingriffen.

Ja, hört das denn niemals auf?
Wie oft, wie intensiv muss man sich etwas bewusst machen um das Unterbewusste in die Schranken zu weisen?
Oft, sehr oft, ein Leben lang, ist meine Erfahrung. Klingt nicht sonderlich motivierend und vor allem anstrengend. Das Gewahrsein wer gerade das Ruder in unserer Psyche übernimmt ist Training. Klingt jetzt banal ist aber so. Nur das Gewahrsein unserer Ganzheit und das hinreichende Bewusstsein über die verborgenen Anteile unserer Psyche können letztlich dazu führen, dass wir irgendwann einmal die Oberaufsicht über das eigene Seelenerleben haben und dem Unterbewussten nicht mehr ganzlich hilflos ausgeleifert sind.

Mir meiner Selbst bewusst sein, zu erkennen wann ich bewusst oder unbewusst reagiere, ist schwere Arbeit und wie gesagt lebenslanger Prozess. Nur als kleiner HInweis: Je unmittelbarer ich auf etwas reagiere, desto unbewusster bin ich. Je leichter man mich triggern kann, desto mächtiger ist mein Unbewusstes.

Und dann kommt ja auch noch, glauben wir Jung, das kollektive Unterbewusste dazu, das mitspielt. Und das lässt sich kaum greifen und identifizieren.
Was mir das zeigt? Reines Bewusstsein, im Sinne von - alles in uns selbst begreifen, uns allem gewahr zu sein, ist eine schöne Idee, aber für uns Normalsterbliche wird das wohl eine Idee bleiben.

Manche wollen aus der schönen Idee eine Realität machen und streben nach Erleuchtung mit dem Ziel das eigene, fragmentierte in Teile gespaltene Ich aufzugeben und reines höheres Selbst zu sein – ein Selbst das nur noch IST, reines Bewusstsein, das an nichts anhaftet, sich von nichts beeinflussen lässt, sich in nichts verliert und mit allem Eins ist.

Das trennende Verhältnis im eigenen Mikrokosmos und das trennende Verhältnis im Mikro-/Makrokosmos wird hier abgeschafft. In der Erleuchtung löst sich alles auf um sich miteinander zu verbinden. Es gibt kein kein Ich, kein Du, kein Außen, keine Trennung mehr. Ich, Du, Außen alles ist eins. Ein Zustand ohne jede Dualität. Keine Zweifel, keine Fragen. Alles ergibt Sinn wie es ist. Das Selbst ist alles und beinhaltet alles. Erlösende geistige Unbefangenheit und vollständige Befreiung vom Denken. Ob man diesen Zustand für erstrebenswert hält sei jedem selbst belassen.
Die Frage aber ist: Kann das überhaupt gelingen?
Ganz sein im großen Ganzen, wenn der Mensch nicht einmal in sich selbst ganz ist? Eins sein mit allem, wenn der Mensch nicht einmal mit sich selbst eins ist?
Wenn er voll von Ambivalenzen, persönlichem und kollektiven Unbewussten ist, wenn er nicht einmal das volle Bewusstsein über die fragmentierten inneren Anteile erlangt, wenn er das ins Unbewusste Verdrängte niemals in Gänze begreift und erreicht, trotz jahrelanger Bewusstseinsarbeit?
Ich wage es zu bezweifeln.

Ganz einfach deshalb: Das Gewahrwerden der eigenen Vollständigkeit und das Bewusstmachen der verborgenen Anteile der eigenen Seele ist an sich schon ein lebenslanger Prozess, der unendlich viel Selbstreflexion, Analyse und Selbsterkenntnis bedarf und Übung, was den meisten von uns nicht gelingt. Wie kann ein gespaltenes Ich, welches die eigene Ganzheit nicht erlangt hat, zur reinen Existenz, zum bloßen Sein werden, das losgelöst von allen Identifikationen, ohne Bewertung wahrnimmt, an nichts anhaftet und von nichts beeinflussbar ist ein reines Bewusstsein sein, wo das Unbewusste einen so machtvollen Einfluss hat, dass diesen vollends bewusst zu machen, ein Ding der Unmöglichkeit ist?
Dazu müsste man jede Erinnerung, jede Erfahrung, alles was Identität ausmacht (individuell und kollektiv), alles an Informationen, die in jeder Zelle unseres Körpers seit Anbeginn unserer Existenz gespeichert sind, auslöschen.
Oder habe ich da etwas nicht richtig verstanden? Wie dem auch sei, das Rätsel des Unbewussten bleibt für mich ein Rätsel. Wie gesagt: Das Unbewusste ist tricky, so tricky, dass es uns sogar Erleuchtung vorgaukeln kann.
Die Suche geht weiter ...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen