Freitag, 31. Dezember 2021

Nichts ist umsonst

 



Ja, du bist müde.
Ja, du fühlst dich überfordert.
Ja, du hast das Gefühl, dass das Schwere kein Ende nimmt.
Ja, du befürchtest, dass diese Krise ewig dauert.
Aber - du hast es bis hierhin geschafft.
Du fühlst nicht nur, dass es schwer war. Es war schwer.
Und du hast es geschafft.
Du hast nicht geglaubt, dass es so lange dauern wird, aber es dauerte so lang.
 
Du dachtest nicht, dass du so viel Geduld hast, und du hast sie gelernt und jetzt weißt du, du bist geduldig.
Du dachtest nie, dass du so viel Verzicht üben kannst, und du hast verzichtet und jetzt weißt du, dass du es kannst.
Du dachtest nie, dass du mit der Angst leben kannst, und du kannst es und jetzt weißt du, dass du mit ihr leben kannst.
Du dachtest nie, dass du so viel Schmerz ertragen kannst, und du hast ihn getragen und jetzt weißt du, dass du ihn aushalten kannst.
Du dachtest nie, dass du so viel Mut hast und du warst mutig, und jetzt weißt du, dass du es bist.
Du dachtest nie, dass du so viel loslassen kannst und du hast vieles losgelassen, und jetzt weißt du, dass du es kannst.
Du dachtest nie, dass du so viel Alleinsein aushalten kannst, und du hast es ausgehalten und jetzt weißt du, dass du allein sein kannst.
Du dachtest nie, dass du dich selbst halten kannst, und du hast dich gehalten, und jetzt weißt du, was Halt ist.
Du dachtest nie, dass du so viel hoffen kannst, und du hast gehofft und jetzt weißt du, was Hoffnung ist.
Du dachtest nie, dass du ohne Sicherheit leben kannst, und du hast ohne sie gelebt und jetzt weißt du, dass du es kannst.
Du dachtest nie, dass du dir selbst so treu sein kannst, und du warst dir treu und jetzt weißt du was Treue ist.
Du dachtest nie, dass du so gut für dich sorgen kannst, und du hast für dich gesorgt und jetzt weißt du was Selbstsorge ist.
Du dachtest nie, dass du so viel geben kannst und du hast gegeben und jetzt weißt du was Geben ist.
Du dachtest nie, dass du so lange durchhalten kannst, und du hast durchgehalten und jetzt weißt du, dass du es kannst.
Du dachtest nie, dass du so viel Kraft hast, aber du hattest sie und jetzt weißt du, dass du Kraft hast.
Du dachtest nie, dass du so stark bist, und du warst stark und jetzt weißt du, was Stärke ist.
 
Es ist so viel passiert und alles was passiert ist, steht in Beziehung zu dir. Nichts war umsonst. Du hast viele Lektionen gelernt und es ist gut so, du hast sie gemeistert.
Sei stolz auf dich! Du bist gewachsen.
Geh mit Zuversicht, im Vertrauen und in Frieden weiter ... 
 
Namastè Ihr Lieben

Donnerstag, 30. Dezember 2021

Für die Menschlichkeit

 


Es geht es zu Ende, das Jahr 2021.
Ein Jahr, in das wir Hoffnung gesetzt haben, die Hoffnung es möge besser werden, als das vorangegangene.
Ist es besser geworden?
Nein.
Das Virus ist geblieben, es hat sich durch eine Impfung, auf die viele Menschen große Hoffnung gesetzt haben, nicht vertreiben lassen und es mutiert weiter. Es ist geblieben und es wird bleiben und mit ihm massive Einschränkungen unseres Lebens, die, hätte man uns das vor zwei Jahren erzählt, keiner von uns für möglich gehalten hätte. Wir haben das Kostbarste verloren, das wir Menschen haben: Unsere Freiheit.
 
Aber wir haben noch etwas Kostbares verloren: Menschen, die wir einst unsere Freunde nannten, Familienmitglieder, Geliebte, Bekannte mit denen wir in gutem Kontakt waren und manche von uns haben das Lächeln, die Offenheit, die Lebensfreude, die Liebe und die Güte füreinander verloren. Manche von uns haben ihre Arbeit verloren und Ihr Recht sich frei zu bewegen. 
 
Wir haben Menschen verloren durch Krankheit und Tod.
Das ist eine Tragödie, aber darauf haben wir keinen Einfluss.
Aber es haben sich Tragödien abgespielt auf die wir Einfluss hatten. Manche von uns haben Menschen verloren, durch ihr eigenes Denken und Handeln, indem sie sich gegeneinander aufhetzen und spalten ließen. Manche von uns haben sich eingelassen auf verwirrte Politiker und eine mediale Welt, die Andersdenkende und Andersfühlende zum Sündenbock und als Gefahr für das Kollektiv abgestempelt haben, solange bis man ihnen Glauben schenkten und sie haben genauso gehandelt hat, wie man es uns wieder und wieder eingetrichtert hat. 
 
Manche von uns haben Menschen ausgegrenzt, verachtet und stigmatisiert, die zuvor eine oder einer von ihnen war.
Wir haben uns auf Lügen verlassen und Versprechungen, die nicht gehalten wurden und mache von uns glauben sie noch immer.
Wir haben uns von der Angst beherrschen und leiten lassen und aus unserer Ohnmacht wurde Wut, die auf diejenigen einschlug, die man zu Schuldigen gemacht hat. Und die „Schuldigen“ haben zurückgewütet.
Wir haben Menschlichkeit, Nächstenliebe, Respekt, Achtung und Mitgefühl zerbröseln lassen.
Wir haben, anstatt zusammenzuhalten, Krieg gegeneinander geführt und führen ihn weiter.
Wir haben das Unheilsame in unsere Welt gelassen, ohne auch nur einen Moment innezuhalten und es einfach laufen lassen; und wir lassen es weiter laufen.
Wir haben durch unsere Respektlosigkeit der Natur gegenüber nicht nur das Virus in unsere Welt eingeladen, sondern auch die Kräfte und die Mächte des Unheils, die es sich zunutze machen.
Wir haben aus einem Unheil ein weiteres Unheil gemacht und manche von uns machen weiter.
Das Unheil wird bleiben. 
 
All die Verletzungen, die sich Menschen in diesem Jahr zugefügt haben, werden nicht vergessen und schwer zu vergeben sein. Wir haben die Krise nicht genutzt um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Wir haben die Chance, die in der Krise liegt, nicht ergriffen, wir haben uns für die Gefahr entschieden und stecken tief drin.
 
2021 war das erschütterndste Jahr in meinem Leben und ich habe weiß Gott einige Erschütterungen erlebt und überlebt. Diese aber ist so gewaltig, dass ich die Welt anders sehe, als ich sie zuvor sah. Nie zuvor war ich am Ende eines Jahres so traurig und so müde. Ich, die starke Frau, die es sich zur Aufgabe gemacht hat Menschen zu unterstützen, die Menschen hilft, weil sie es kann, die anderen Kraft und Zuversicht schenkt, bin müde. Ich bin menschenmüde. Müde der Menschen, die gezeigt haben, was ein Mensch nicht sein sollte. 
 
Und dennoch bin ich dankbar, für meine Kraft, meinen Mut, meine Liebe zum Leben, meinen Glauben an das Wahre, das Gute und das Schöne und dafür, dass ich noch gesund bin und meine Liebsten auch. Ich bin dankbar, dass ich meinen Werten, trotz allem, was es mir abverlangt, treu geblieben bin.
Und ich bin dankbar – den Menschen, die in diesem Jahr alles ihnen Mögliche getan haben um andere zu unterstützen und ihnen, trotzdem es ihnen selbst auch nicht gut ging, durch die schwere Zeit geholfen haben, egal welchen Impfstatus sie haben.
Möge dieser Wahnsinn ein Ende haben.
Mögen die Menschlichkeit, die Freiheit, die Nächstenliebe und die Würde des Menschen nicht ganz verrotten.
 
In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein menschlicheres 2022.
Namasté

Montag, 27. Dezember 2021

Zeit und das nie mehr ...und die Hoffnung

 



Am Ende des Jahres lese ich Ernst Bloch.
„Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen“, schreibt der Philosoph im hohen Alter. Hoffen, immer wieder dieses Hoffen und es nicht aufgegeben. Warum?, frage ich mich. Wäre es nicht einfacher ohne Hoffnung zu leben? Sie kostet Kraft, besonders in den Momenten, wo wir wieder einmal enttäuscht sind und traurig, weil sie absolut nichts geholfen hat. Weil sie vergeblich war.
Ich schenke dem Philosphen Glauben und hoffe weiter.
Wer sich aufs Hoffen verlegt, macht den ersten Schritt, wer hoffnungsvoll handelt, denkt und handelt im Bewusstsein des Gelingens. Und es ist völlig egal, ob er dann trotzdem scheitert. Die gelebte Zeit in der Zuversicht, sie gestalten zu wollen und zu können ist Lebensbejahung und jedes Ja zum Leben schenkt uns Kraft, Mut und Sinnhaftigkeit.
 
Der Geist fragt ständig nach dem Sinn des Lebens.
Die Sinnfrage ist eine Grundfrage des Menschen, die wir uns in jedem Altersabschnitt neu stellen. Angesichts des näher rückenden Lebensendes wird sie jedoch drängender.
Was uns bewusster wird, ist die Irreversibilität und das Vergehen der Zeit. Früher, in der Kindheit und in der Jugend schien die Zeit zu langsam zu vergehen. Wir konnten es kaum erwarten älter zu werden. In der Mitte unseres Lebens erscheint es uns, als renne uns die Zeit davon. Im Alter haben wir das Gefühl, sie zerfließt uns in den Händen. Ihre Vergänglichkeit wird zur existentiellen Bedrohung, wenn es uns nicht gelingt, uns mit ihr anzufreunden. 
 
Aber, was ist Zeit?
Das beständige Ticken der Zeiger der Uhr, das Vergehen des Augenblicks und der Übergang in den nächsten. Zeit ist Bewegung und Fließen. Und das Wunder der Zeit ist: Zeit ist immer relativ in unserer Empfindung. Bedrohlich wird Zeit dann, wenn wir glauben, etwas nicht erledigt zu haben, etwas nicht getan zu haben, etwas versäumt zu haben, etwas verloren zu haben, etwas nicht mehr haben zu können, etwas nie mehr erreichen zu können, etwas nicht mehr wieder gut machen zu können, etwas nicht mehr ändern zu können, etwas nicht mehr wieder zu bekommen, etwas nie mehr zu bekommen oder etwas nie mehr tun zu können. 
 
Aus jedem bedauernden „nie mehr“ resultieren Fragen, die Antworten finden wollen. Diese dann zu deuten, sie zu relativieren, Ambivalenzen herauszufinden und sich am Ende zu sagen: Ich habe mein Bestes getan. Ich habe das getan, was ich genau in diesem Moment in der Zeit habe tun können, was in meiner Macht stand in diesem Moment meiner Entwicklungsstufe. Und ja, ich kann das nie mehr anders machen. Und dann muss ich das so akzeptieren um nicht zu verbittern.
 
Ich darf hoffen, dass ich es künftig besser mache, weil ich gelernt habe. Hoffentlich.
Aber ich gebe die Hoffung auf, einen Zustand wieder herzustellen, der sich längst überlebt hat. Das ist nicht im Sinne eines Werdens und nicht im Sinne einer Entwicklung nach Vorne. Was war, ist unwiderruflich vergangen. Was bleibt ist die Frage: Was mache ich mit dem Rest, der mir noch bleibt? Worauf verlege ich meine Hoffnung jetzt?

Mittwoch, 22. Dezember 2021

Welten



In unserer Jetztzeit, wo es nahezu unmöglich geworden ist, eine Meinung über bestimmte Dinge zu äußern oder gar zu vertreten, die nicht dem Mainstram entspricht, sollten wir einmal ganz bewusst innehalten und unseren durch ständige Angst und Dauerstress verstörten Denkapparat, zur Ruhe bringen. Erst dann ist wieder klares Denken möglich. Erst dann ist es möglich dem Anderen sein Anderssein zu lassen.
Dann werden wir vielleicht erkennen: Es ist nicht unser Aufgabe andere zu bekehren oder zu überzeugen oder gar dazu zu drängen, dem zu folgen, was wir denken oder wie wir es gerne hätten. So funktionieren Menschen nicht und sie werden es nie tun. Und das ist gut so. Niemand lässt sich zu etwas zwingen, was er mit sich selbst nicht vereinbaren kann, es sei denn durch Gewalt, aber auch dann gibt es Menschen, die sich innerlich nicht brechen lassen.
 
Bevor wir andere beurteilen oder verurteilen, sollten wir uns bewusst machen: Jeder von uns nähert sich der äußeren Welt durch die Brille seiner inneren Welt. 
Und in dieser inneren Welt, die durch unser Erleben und unsere Erfahrungen geprägt ist, liegen Vorstellungen, Überzeugungen, Erwartungen, Annahmen, Glaubensmuster, Ängste und Traumata, die sich in unserer persönlichen Geschichte herausgebildet haben. Aufgrund dieser Prägungen, sehen und erleben wir uns selbst und die äußere Welt. Jeder Einzelne von uns lebt auf gewisse Weise in seinem psychischen und geistigen Mikrokosmos inmitten der äußeren Welt. Jeder Einzelne von uns ist sein eigener Mensch. Und jeder Einzelne von uns hat ein Recht auf sein Sosein. Wir beanspruchen das für uns selbst und somit ist es ein Anspruch, den wir auch dem anderen zuzugestehen haben. 
 
Auch wenn wir heute viel über Psychologie, über den Zusammenhang von Körper, Geist und Seele wissen, so beschleicht mich das Gefühl, dass wir gerade dabei sind, dieses wertvolle Wissen auszuradieren, auf Kosten einer Gleichmacherei, die von Angst getrieben ist, der Angst um unser rein körperliches Überleben. 
Aber, was nützt uns das, wenn Geist und Seele dabei erkranken und wir psychisch nicht mehr den Herausforderungen des Lebens gewachsen sind? Absolut nichts.
Im Gegenteil es führt zu Unheil. In uns selbst, in unserem Nächsten, in der äußeren Welt. Weil alles miteinander verbunden ist und eins das andere bedingt.
Wenn wir wieder einmal über andere den Stab brechen, sollten wir uns daran erinnern, dass wir unsere innere Funktionsweise und unsere Sicht der äußeren Welt nicht dem anderen überstülpen dürfen, im Glauben wir besäßen die absolute Wahrheit. Die Wahrheit von gestern, relativiert sich indem wir neue Erkenntnisse gewinnen, indem sich die Umstände ändern, auf denen eine alte Wahrheit basierte. Niemand besitzt die absolute Wahrheit - das ist die Wahrheit. Was heute wahr scheint, kann morgen schon anders sein. Das erleben wir gerade. Und auch das kann wiederum Angst machen. Worauf können wir uns noch verlassen? Welcher äußeren Wahrheit können wir zutiefst vertrauen? Was ist wirklich wahr?
Wahr ist aber: Wenn Angst in uns herrscht, entspricht die innere Welt nicht mehr der äußeren. Die Sicht aus der Angst heraus ist niemals eine klare. Angst führt immer zu unverhältnismäßigen Reaktionen, sie lässt unsere Alarmglocken läuten und die klingen bei jedem von uns anders und jeder reagiert anders. Und bei manchen von uns, reagieren sie über.
Es ist nicht so, dass es nichts Angstmachendes oder Besorgniserregendes in unserer äußeren Welt gibt, es gibt leider zur Zeit sehr viel davon, darüber müssen wir nicht diskutieren, aber wir könnten darüber nachdenken, ob unsere Reaktionen angemessen sind. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir alle Menschen sind und jeder Mensch ein Individuum, auch wenn dieser Mensch gänzlich anderer Meinung ist. Und dass er deshalb nicht gleich unser Feind ist. Wir sollten darüber nachdenken, wie wir in unserem Mikrokosmos wieder Frieden schaffen und es tun.

Dienstag, 21. Dezember 2021

Wintersonnenwende: Wende zum Licht


 
Die Nacht vom 21. auf den 22. Dezember ist die längste Nacht des Jahres. Die Sonne hat den niedrigsten Stand am Himmel. Nach diesem kürzesten Tag des Jahres nimmt die Kraft der Sonne zu und die Tage werden länger. Es ist Wintersonnenwende. Diese Nacht, die auch den astronomischen Winteranfang markiert, wird seit Jahrhunderten in verschiedenen Kulturen gefeiert. Man feierte den Tod des alten Jahres und die Geburt des neuen. Vielleicht ein besonderer Zeitpunkt für eine innere Einkehr. Zeit, das vergangene Jahr noch einmal Revue passieren zu lassen und Ordnung zu schaffen. Zeit um um zu reflektieren, uns rückzubesinnen und uns zu fragen:
Wie war mein Jahr?
Was war gut, was war nicht gut?
Was hat sich in meinem Leben verändert?
Was habe ich verwirklicht von dem, was ich mir zu Beginn des Jahres vorgenommen habe?
 
Welche Menschen haben mich begleitet und welche Menschen habe ich zurückgelassen oder sie mich? Wer war der wichtigste Mensch in diesem schweren Jahr, der immer für mich da war?
Wer war der treueste Gefährte?
Für wen war ich da? 
 
Was habe ich über mich selbst hinaus in die Welt gegeben?
Was hat mir Kraft gegeben und was hat mir Kraft geraubt?
Was habe ich gelernt und erfahren, an Neuem, auch über mich selbst?
Welche Herausforderungen habe ich bewältigt und worauf darf ich stolz sein?
Bin ich gewachsen und woran bin ich gewachsen? 
 
Was gab es trotz aller Schwere an Gutem und Schönen in diesem Jahr? Wofür bin ich dankbar? Und wem bin ich dankbar? 
 
Und wir können uns weiter fragen:
Was habe ich noch nicht für mich gelöst?
Die längste Nacht des Jahres, ist auch eine Möglichkeit uns bewusst der Dunkelheit zu stellen, der Dunkelheit im Außen, aber auch unserem eigenen Dunkel – unseren Schattenanteilen.
Bin ich mir ihrer bewusster geworden? Habe ich sie erforscht? Habe ich mit ihnen gekämpft, kämpfe ich noch immer? Und: ist es mir gelungen einen Schatten anzunehmen oder gar zu integrieren?
Was an Altem, das mein Leben überschattet, möchte ich endgültig aus meinem Leben verabschieden? Was möchte ich sein lassen, weil es mir nicht mehr gut tut? Welche Ängste und Sorgen möchte ich loslassen?
Was an Altem möchte ich symbolisch ins Feuer geben, um mehr Licht in mein Leben einzuladen?
Und schließlich:
Was in mir will ans Licht?
Was will ich verwirklichen?

Sonntag, 19. Dezember 2021

Besinnung

 



Wenn wir Geborgenheit in uns selbst erleben wollen, sollten wir lernen unsere Sinne von der Außenwelt abzuziehen. Je mehr unser Focus auf das Außen gerichtet ist, desto weniger sind wir bei Sinnen. Im Sinne von: dazu in der Lage unsere Sinne zu sammeln.
Stattdessen verlieren wir uns im Außen.
Je häufiger wir das tun, desto fremdbestimmter denken und fühlen wir. Wir laden uns mit Meinungen, Sichtweisen, Vorstellungen, Gedanken und Energien auf, die nicht die unseren sind. Die Sinne nach außen lenken, lenkt von uns selbst ab und am Ende wissen wir nicht mehr wonach uns selbst der Sinn steht.
Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes „von Sinnen“.
Es macht viel mehr Sinn uns auf uns selbst zu besinnen, unsere Gedanken und Gefühle zur Ruhe zu bringen und nach Innen zu gehen. Nur so finden wir Klarheit, Ruhe, Frieden und inneren Sinn - im eigenen Bewusstsein.
Schon tägliche Minuten der Sammlung und Rückbesinnung können uns viel Energie schenken, die wir brauchen, um uns in uns selbst geborgen zu fühlen.

Freitag, 10. Dezember 2021

Aus der Praxis - Verzweiflung und Möglichkeiten des Entkommens


                                                                             Malerei: A. Wende

Verzweiflung ist der schlimmste Affekt. Sie ist ein Phänomen von eminent existentieller Bedeutung und existentieller Bedrohung. In diesen dunklen Zeiten gibt es viele verzweifelte Menschen. Manche von uns sind sich dessen bewusst und sprechen es aus. Andere verdrängen ihre Verzweiflung. Aber sie lässt sich nur schwer und nicht ewig verdrängen. Jedes Mal, wenn ich einen Anruf oder eine Mail auf meinem Praxisaccount bekomme, weiß ich, dass da jemand ist, der mich um Hilfe bitten möchte. Darin liegt meine Aufgabe, diese Menschen zu unterstützen, die Angst, die Ohnmacht, die Einsamkeit, die Verzweiflung, mit ihnen gemeinsam aufzulösen. Das ist eine Herausforderung in dieser Zeit, denn vieles an Möglichkeiten und Werkzeugen, die uns als Berater früher zur Verfügung standen um Leiden zu lindern, gibt es nicht mehr. Die soziale Kälte, die Maßnahmen, die zunehmende Isolation, die ganz normalen selbstverständlichen Dinge, die das Leben erleichtern und mit Freude erfüllt haben, fehlen. Die Orte an denen wir Möglichkeiten hatten in Kontakt zu gehen sind für viele Menschen angstbesetzt und für manche sogar verschlossen. 

Wir befinden uns in einer immer engeren und isolierteren Welt, in der wir, in einem bisher nie gekannten Ausmaße, auf uns selbst zurückgeworfen und auf uns selbst reduziert sind. Wer keinen Halt in der Geborgenheit der Familie oder in der Beziehung findet, hat es schwer und ist der Verzweiflung oft am Nächsten.

Wir Menschen sind Bindungswesen. An diesen Bindungsmöglichkeiten fehlt es an allen Ecken und Enden. „Der Mensch wird am Du zum Ich“, erkannte Martin Buber. Dieses Du, fehlt vielen. Und wir merken, je länger die Isolation andauert, auch soziale Netzwerke können das Du nicht ersetzen. Die virtuelle Welt ist eine Illusion, die das Bedürfnis nach Bindung nicht erfüllen kann, denn wir brauchen dazu ein fühlbares, sichtbares direktes Gegenüber.

Die Angst und die Unsicherheit wachsen. Die Hoffnung ist eine fragile Größe geworden. Die Zuversicht ein täglicher Kraftakt. Wann hat das ein Ende? Werde ich da lebend rauskommen? Das fragen sich viele von uns. Daran kann man verzweifeln.

Wir wissen es nicht, man kann es nicht vorhersehen und nicht absehen, im Gegenteil, alles wird immer bedrohlicher. Jeden neuen Tag übergießen uns die Meldungen der nächsten Katastrophe mit einem eiskalten Schauer. Daran gewöhnt man sich nicht. Wo Angst,  Ohnmacht und Leiden kein absehbares Ende haben, kommt Resignation, kommt Lebensmüdigkeit, kommt Verzweiflung. Damit habe ich es zu tun, Tag für Tag in meiner Praxis. 

Wir leben in einer verwirrenden, verwirrten Welt und das seit nahezu zwei Jahren. Um uns nicht in diese Verwirrung hineinziehen zu lassen bleibt uns nur ein: Klarheit und Ruhe bewahren.

Aber das sagt sich so leicht. Das sagt sich einem Menschen, der verzweifelt ist, erst einmal gar nicht, weil er genau das nicht mehr aufrecht erhalten kann: Klarheit und Ruhe. Meine Aufgabe ist es diesen Menschen wieder aufzurichten. Ihm potenzielle Türen zu öffnen, durch die der Zutritt zu einer „anderen Welt“ ermöglicht wird, die jeder Klient ins sich trägt, auch wenn er es in den meisten Fällen nicht einmal ahnt. Diese andere Welt sichtbar zu machen, sie aus ihrem Versteck zu holen, ist die gemeinsame Herausforderung. Dafür stehen mir bloß drei Werkzeuge zur Verfügung: der Mensch, der zu mir kommt, ich selbst und die Worte.

Was ein Verzweifelter braucht ist das Gefühl von Bindung und ein neuer Focus. 

Diese Bindung ist es, die trägt, im Leben, wie in der Beziehung zwischen Klient und Berater. Sie muss gelingen um helfen zu können. Gelingt sie nicht, vermögen Worte nichts. Dann bleiben sie leer und haben keine Wirkung. Haben sie Wirkung, gelingt es den Verzweifelten aus seinem tiefen Tal herauszuholen.

Aber wer ist dieser verzweifelte Mensch überhaupt?

Der verzweifelte Mensch ist einer, der in Situationen oder Lebensumstände hereingezwungen wurde, die jegliche realen Alternativen ausschließen. Das bedeutet nicht nur den Verlust von Handlungsfreiheit, sondern in Folge den Rückzug in die Innerlichkeit, die am Ende zu Selbsthass, Einsamkeit, Isolation, Unproduktivität und Lähmung führt. 

Der dänische Philosoph Soeren Kierkegaard wagte um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts die Behauptung, kein Mensch lebe oder habe gelebt, ohne dass er verzweifelt gewesen sei. Demnach hat man es bei der Verzweiflung mit einem Grundphänomen menschlicher Existenz zu tun, so der Philosoph. Hier können wir beginnen: Die Verzweiflung erkennen, als das, was sie ist – Teil unseres Menschseins und sie, so schwer es fällt, radikal akzeptieren. Erst von diesem Punkt aus können wir weitergehen in die Welt des Klienten, in seine zu erreichende innere Wahrheit, in die Welt jenseits der äußeren Bedingungen, die nicht veränderbar sind, hin zu dem was veränderbar ist, indem wir den Focus nach Innen legen, wo andere Regeln gelten, wo wir trotz allem Leiden etwas finden können, was von Innen hält, beispielsweise die "paradoxe" Gelassenheit, zu der man gelangen kann.

„Ich will beweisen, dass der Mensch auch noch in der Hölle Mensch bleiben kann.“ 

Das war der innere Antrieb des Psychiaters Viktor Frankl das Konzentrationslager zu überleben. In dieser Beweisführung verdichtet sich die Existenzanalyse des großen Humanisten Frankl. An den grauenvollen Orten der Unmenschlichkeit, begründete er seine Philosophie der Menschlichkeit. „Jeder Mensch behält bis zum letzten Augenblick seines Lebens die Freiheit, über seine Haltung zu der tragischen Situation zu entscheiden.“ Dieses Potenzial des Menschen, über sich selbst hinauszuwachsen, nannte er „Die Trotzmacht des Geistes“ In dieser inneren psychischen Widerstandskraft lag für ihn die letzte Freiheit des Menschen im Angesicht eines unabänderlichen Schicksals. 

Es ist die innere Einstellung dem Leiden gegenüber, die darüber entscheidet, ob ein Mensch dieses Leid bewältigt oder daran verzweifelt. Daran glaube ich ganz fest. An dieser inneren Einstellung können wir als Du und Ich arbeiten - der Mensch, der sich mir anvertraut, in der Hoffnung, dass ich aus dem, was er mitbringt, mit ihm gemeinsam, das Bestmögliche mache.

Donnerstag, 9. Dezember 2021

Die Rüstung der Projektion


 

Viele Menschen verbringen ihr Leben in einem Nebel von Selbsttäuschung. Aber der Mut sein Wesen verstehen zu wollen und die Täuschung zu entlarven, gehören zu einem gelingenden Leben. Deshalb ist Selbsterkenntnis so wichtig.
Wer sich selbst einigermaßen kennt, bei dem klaffen Erleben, Selbstbild und Fremdbild nicht auseinander. Selbsterkenntnis ist nicht nur als Quelle innerer Freiheit, sondern auch im Zusammenleben mit Anderen von Bedeutung. Den Anderen zu achten und zu verstehen setzt voraus, dass wir uns selbst verstehen und achten mit allem, was uns ausmacht und nicht nur mit unserer Schokoladenseite.
Je unbewusster ein Mensch sich seiner selbst ist, desto blinder ist er für sich selbst und umso stärker sind die Projektionen, denen er unterliegt. Mit solchen Menschen lebt es sich schwer, sie sind selbstgerecht und ignorant allem gegenüber was ihnen nicht in den Kram passt. Unfähig die eigenen Schattenanteile bei sich zu lassen stülpen sie sie anderen über und attackieren und verurteilen andere genau für das, was sie in sich selbst an Dunklem nicht sehen können.
 
Herman Hesse, der bei Josef Bernhard Lang, einem Schüler C.G. Jungs, wegen seiner Depression eine Analyse machte, fasst es in seinem Buch "Demian", in einem Satz zusammen: „Wenn wir einen Menschen hassen, so hassen wir in seinem Bilde etwas, was in uns selber sitzt. Was nicht in uns selber ist, das regt uns nicht auf.“ 
 
Alles was uns bei anderen aufregt, verrät uns viel über unseren Schatten. Je stärker die eigene emotionale Betroffenheit, je stärker die Abwehr, je massiver de Verurteilung oder Schuldzuweisungen, desto sicherer handelt es sich um ein inneres unbewusstes Thema, das nach Außen projiziert wird, desto sicherer ist: Das hat etwas mit uns zu tun.
Solange wir das nicht begreifen, werden wir alles, wofür wir die Verantwortung nicht übernehmen wollen, auf andere projizieren und dort bekämpfen. Wir erleben das gerade in einem erschreckenden kollektiven Ausmaß. 
 
Jedes Mal wenn wir die Hand erheben und mit dem Finger auf andere zeigen, zeigen wir mit drei Fingern auf uns selbst und auf ein ungelöstes Schattenthema. Die Psyche tritt mit nichts in Resonanz, mit dem sie kein Thema hat, das nicht in ihr selbst liegt. Jedes Mal wenn wir uns über das Verhalten eines anderen Menschen aufregen, könnten wir tief durchatmen und unsere Gefühle ehrlich anschauen um herauszufinden, was wir da im Spiegel des Gegenübers präsentiert bekommen, das uns auf uns selbst zurückwirft und zwar auf das, was wir nicht entwickelt haben oder auf das, was wir beharrlich verdrängen und an uns selbst nicht akzeptieren wollen oder können oder auf das, was uns Angst macht.
Zugegeben, das ist nicht einfach, denn wenn wir uns entscheiden mit dieser Achtsamkeit und Bereitschaft zur Introspektion durchs Leben zu gehen, werden wir auch dem Schmerz begegnen, der in unserem Schatten verborgen sind. Wir werden unsere Angst spüren, unsere Wut, unsere Trauer, unsere Sehnsüchte und unsere Wünsche und Triebe, die verrotten und uns innerlich vergiften, wenn wir sie nicht aus dem dunklen Keller der Seele befreien.
 
Verdrängtes bleibt solange im Schatten, wie wir es dort festhalten, aus Angst nicht der zu sein, der wir gerne wären, in den eigenen Augen und in den Augen der anderen.
Aber das Leben interessiert all diese Abwehr nicht. Es hat seine eigenen Gesetze, die sich dem Hochmut der Menschen verweigern. Es will sich immer vervollständigen.
Deshalb all die Lektionen, bis wir sie annehmen und endlich bereit sind daraus zu lernen. Tun wir das nicht, kommen sie als „History repeating“ von Lebenserfahrungen, Situationen, Zuständen und Begegnungen ähnlicher Stärke und Qualität wieder. Individuell und kollektiv.
Dann stöhnen wir: „Puh, das hatte ich doch schon mal.“ 
Es hört dann auf wiederzukehren, wenn wir uns den Lektionen bewusst stellen und erkennen was da zu lernen ist und dann unser Verhalten und unsere Handlungsweisen verändern - zum Besseren hin. Wenn es uns gelingt uns unseren Schatten zu stellen und auch das Ungute in uns selbst anzuschauen und es vor uns selbst zuzulassen, werden wir dazu fähig, alle in uns aufkommenden dunklen Gefühle anzunehmen. Und dann hören wir auf wir sie anderen vor die Füße zu werfen, die sie uns angeblich machen. Immer trifft ein Schatten auf einen anderen Schatten. Auch in Beziehungen ist das so. Deshalb gilt auch hier: Wenn du ein guter Partner sein willst, dann schau erst in dich selbst hinein, bevor du dem anderen das Ungute vorwirfst und ihm die Verantwortung zuschiebst, dass es nicht gut läuft.
Erst wenn wir uns die eigene Fehlbarkeit, die eigene Hilflosigkeit, unsere Schwäche, unsere Ängste und unsere dunklen Anteile vor uns selbst eingestehen, entkommt das Ich der Verblendung, dem Hochmut, der Verurteilung und der Selbsttäuschung. Wir gelangen zu einer demütigen Haltung, in der wir uns dem öffnen, was wir als Mensch auch sind – nämlich nicht so, wie wir gerne wären, sondern eben auch wie wir nicht gerne sind, nämlich unvollkommen. Und erst dann sind wir fähig dem Anderen sein Anderssein zu erlauben. 
 
C. G. Jung nennt das den Individuationsprozess, die Selbstwerdung. Nach Jung hört dieser Prozess niemals auf. Aber auch wenn es kein endgültiges Ziel gibt, das Einlassen auf diesen Prozess schenkt uns, so unbequem er auch bisweilen sein mag, Selbsterkenntnis und damit Lebenssinn, Lebensfülle und innere Freiheit. Solange wir aber unsere Schatten verdrängen, leben wir in der Rüstung der Projektion, bereit das Schwert zu ziehen, wenn andere scheinbar gegen uns sind. Solange wir in dieser Rüstung stecken, leben wir im Kampf mit uns selbst und der Welt, und die Welt wird sich gegen uns wenden und nichts wird besser. 
 
" Es besteht nicht die geringste Chance, bedingungsloses Wohlwollen anderen gegenüber zu entwickeln, solange wir uns nicht um unsere eigenen Dämonen gekümmert haben", sagt die buddhistische Nonne Pema Chödrön.
Sie hat Recht.

Dienstag, 7. Dezember 2021

Jetzt

 


Unser Leben ist endlich und damit sehr kostbar.

Die eigene Sterblichkeit ist jedem von uns klar, auch wenn wir sie verdrängen, wir wissen darum. Wir leben nicht ewig.

In diesem Bewusstsein ist jeder Augenblick kostbar.

Es geht nicht darum in ferner Zukunft etwas zu erreichen, sondern jetzt.

Wir können uns zwar überlegen was wir in einem, in zwei Jahren erreichen wollen, wo wir dann sein wollen, doch diese Überlegungen sollten dann ein aktives Handeln im Jetzt bewirken.

Wenn jetzt in diesem Moment alles okay ist, dann ist bereits alles erreicht.

Genau darum geht es: um diesen Moment.

Freitag, 3. Dezember 2021

Trotz dem


 
Manchen von uns scheint es, als wären alle Lichter erloschen. Sie sind fassungslos, verzweifelt, haben Angst, kein Ziel mehr, haben den Weg verloren und irren in der Dunkelheit umher.
Wir fragen uns ob noch irgendetwas einen Sinn macht und zweifeln daran, überhaupt noch in der Lage zu sein weiter zu machen. Wir glauben nicht mehr, dass das, was uns widerfährt überhaupt einen Sinn hat und zweifeln daran, dass wir in der Lage sind tiefe Einsichten zu erhalten, die uns Mut geben und Zuversicht.
Das Außen ist weggebrochen, Menschen, Gewohnheiten, Vertrautes, Teilhabe am Leben. Wir sind auf uns selbst reduziert.
Angesichts der Verluste, vom Außen abgespalten, flüchten wir in eine innere Welt, was eine Weile sehr wohltuend sein kann, insbesondere wenn wir dadurch unsere Sorgen und Ängste etwas vergessen können. Wird aus der Flucht Isolation endet sie in der Einsamkeit. Auf uns selbst zurückgeworfen trudeln wir im leeren Raum. Kontaktlos zu uns selbst. Angst und Verzweiflung lassen keinen Raum für Hoffnung, die zuletzt stirbt. In der Hoffnungslosigkeit keimt Verzweiflung, der schlimmste Affekt.
Wir müssen geduldig sein.
Geduld ist jetzt gefragt.
Durchhalten.
Neugier und Forschergeist.
Uns besinnen auf das, was wir sind, auf das, was uns von Innen hält, wenn alles andere wegfällt. Neugier, um herauszufinden, wer wir noch sind, wer wir wirklich sind.
Forschen, suchen und finden was uns trägt, in und durch die Dunkelheit.
Aus dieser Grundhaltung heraus wird sich ein neues Licht entfachen, das uns hilft weiterzugehen.
Trotz dem.