Donnerstag, 5. Juli 2018

Von der Achtung vor der Angst



Malerei: A. Wende

Heute morgen fand ich in einem alten Tagebuch, das mir beim Ausmisten in die Hände fiel, eine Geschichte aus dem Zen, die ich vor langer Zeit einmal aufgeschrieben habe. Ich möchte sie mit Euch teilen.

"Es war einmal eine junge Kriegerin. Ihr Lehrer befahl ihr, in den Kampf gegen die Angst zu ziehen. Sie wollte nicht. Der Kampf machte ihr Angst. Ihr Lehrer aber bestand darauf. Der Tag des Kampfes kam. Die Kriegerin stand auf der einen Seite, die Angst auf der anderen. Sie fühlte sich sehr klein, die Angst wirkte ungeheuer groß und zornig. Beide hatten ihre Waffen. Die junge Kriegerin riss sich zusammen, sie schritt auf die Angst zu, warf sich vor ihr nieder und fragte: Darf ich um Erlaubnis bitten mit dir zu kämpfen? Die Angst erwiderte: Vielen Dank, dass du so viel Respekt vor mir hast, dass du mich um Erlaubnis bittest. Die Kriegerin fragte weiter: Wie kann ich dich schlagen? Die Angst entgegnete: Ich kämpfe indem ich schnell rede und sehr nahe an dich herankomme. Dann verlierst du vollkommen die Kontrolle über dich und tust, was ich dir sage. Tust du nicht, was ich sage, habe ich keine Macht über dich. Auf diese Weise lernte die Kriegerin, sich nicht von der Angst besiegen zu lassen."

Und genauso funktioniert es.
Die Kriegerin hat Achtung vor der Angst. Sie nimmt sie ernst. Sie schaut ihr achtsam ins Gesicht, sie spricht mit ihr, sie stellt sich ihr, trotzdem sie sich um so vieles kleiner fühlt als die Angst. Sie läuft nicht vor ihr weg. Sie nimmt Distanz ein. Sie lässt sich von ihr nicht überfluten. Sie hat Angst, aber sie "ist" nicht ihre Angst. Diese Haltung hilft ihr, zu erkennen auf welche Weise sie mit der Angst umgehen kann, ohne sich selbst Schaden zuzufügen. Sie kämpft nicht gegen sie - sie nimmt sie an und versucht ihr Wesen zu verstehen. Und die Angst wandelt sich, sie verrät ihr sogar, wie sie ihre Macht verliert. So wie mit der Angst, so ist es mit allen Gefühlen - wenn wir sie nicht ins Unermessliche vergrößern, wenn wir uns ihnen achtsam und verständnsivoll nähern und sie annehmen, lassen wir sie klein. Und sie bleiben klein.

Namaste Ihr Lieben

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