Foto: A. W. |
Unsere Gefühle haben große Bedeutung für unser Wohlbefinden.
Daher mögen wir ungute Gefühle nicht gern fühlen. Wir sind so konditioniert,
dass wir Gefühle in Gute und Schlechte einteilen. Wir haben gelernt, dass
manche Gefühle unpassend oder gar schlecht sind, während wir andere als normal,
gut und passend empfinden. Das macht es uns schwer unsere Gefühle zu
akzeptieren so wie sie nun mal in diesem Moment in der Zeit oder schon lange Zeit immer wieder sind. Wir leben in
einer Gesellschaft in der alle gut drauf sein wollen. Viele tun so als seien sie gut
drauf, denn das wirft den goldenen Schein aufs Selbstwertgefühl, das eigentlich nicht ganz so glänzend ist, wie sie es gerne hätten. Hey, ich habe mein Leben im Griff. Ich bin cool,
alles läuft. Alles gut! Hört sich richtig gut an. Aber, wehe dem, der es wagt zuzugeben, dem sei nicht so. Der hat keine sonderlich guten Karten im
ewigen Spiel um Erfolg, Macht und Glück. Er wird vielleicht sogar als schwach
empfunden, als Mensch, der sein Leben, sprich sein Gefühlsleben, nicht im Griff hat. Solche Leute sind uns
suspekt. Sie sind uns suspekt, weil sie uns einen Spiegel vorhalten und wir
darin etwas sehen, was wir so cool verdrängen. Nein, so sind wir nicht. Wir haben es im Griff. Übrigens, ich mag Menschen, die nicht alles im Griff haben, sie sind um vieles spannender.
Wahr ist, unsere
Gefühle haben uns im Griff.
Es sei denn wir sind Meister in der Übung der
Achtsamkeit, dann haben wir sie im Griff, aber auch nur in der Form, dass
sie uns nicht mehr überwältigen und wir eine gesunde Selbstregulationsfähigkeit
erworben haben. Wie schwer das ist, trotz der stetigen Übung der Achtsamkeit,
weiß ich aus eigener Erfahrung. Meine Gefühle sind stark und manchmal denke
ich, wow, wie toll, dass du so tief fühlen kannst. Das spricht für deine
emotionale Intensität, die dir das Leben nicht abgewöhnen kann. Danke dafür!
Gefühle führen ein Eigenleben. Dennoch sind sie eng mit
unseren Gedanken und unserem Körper verbunden.
Eins beeinflusst das Andere. Ich kann zum
Beispiel meine Gefühle durch meine Gedanken beeinflussen oder durch meinen
Körper, sprich den Umgang mit dem Atem. Indem ich durch ruhiges Atmen den Körper beruhige, beruhigen sich meine
Gedanken und damit beruhigen sich meine Gefühle. Das genau ist Selbstregulation. Aber dabei
geht es nicht darum das Gefühl weghaben zu wollen, sondern darum es zuzulassen, in nicht überflutender Weise, es zu beobachten, es anzunehmen und hinzusehen
was es mir sagen will.
Je mehr wir versuchen unsere Gefühle zu verdrängen, zu
unterdrücken, abzuwehren, zu ignorieren, zu kompensieren, zu verschweigen, uns
selbst und anderen gegenüber, desto mächtiger werden sie. Und je mächtiger sie
werden, desto schwerer ist es mit ihnen angemessen umzugehen.
Es ist unfassbar was manche Menschen sich den lieben langen
Tag selbst und somit auch anderen vormachen. Sie sind wahre Meister im
Aufrechterhalten der äußeren Fassade nur um ihre eigenen Gefühle nicht fühlen
zu müssen. Ziemlich unklug, denn Gefühle, die wir verdrängen, haben keine Chance
uns ihre Botschaft zukommen zu lassen. In der Praxis erlebe ich immer wieder, dass Menschen, wenn
ich sie bitte mir zu schildern: "Wie fühlen sie sich gerade?", zwar Worte finden wie
gut oder nicht gut oder schlecht, aber ein Gefühl zu benennen fällt ihnen
schwer. Manche sagen sogar: „Ich weiß nicht, was ich fühle“, oder: „Ich fühle
schon was, aber ich kann es nicht ausdrücken“.
Was sich nicht ausdrückt, drückt sich ein ...
Unsere Gefühle beeinflussen uns auch dann, wenn sie nicht in
Worte gefasst werden können. Gelingt es uns aber sie zu benennen, fühlen wir (uns)
bewusster.
Um z.B. mit Gefühlen wie Angst, Wut, Schuld und Scham effektiv
umgehen zu können, ist es wichtig zwischen dem unterscheiden zu lernen was wir
fühlen, und dem, was wir über unser Fühlen denken. Sobald wir lernen Gefühle und
Gedanken auseinanderzuhalten, werden wir uns selbst klarer erkennen. Und
darüber hinaus gelingt es uns mit uns selbst und anderen in Beziehung zu treten.
Unsere Gefühle, egal ob gut oder ungut, erzählen uns viel
darüber was wir brauchen. Sie führen uns zu unseren Bedürfnissen.
Wenn sich ein
Mensch einsam fühlt braucht er ein Gegenüber oder eine Gemeinschaft. Wenn ein
Mensch ständig das Gefühl hat alles unter Kontrolle haben zu müssen, braucht er
(Selbst)Vertrauen, weil er Angst empfindet. Wenn ein Mensch traurig ist, braucht
er Trost, Verständnis und Mitgefühl, wenn ein Mensch Leere fühlt,
hat er das Bedürfnis nach Sinn. Was weh tut wiegeln wir meistens ab. Ok, sagen wir, ist scheisse, aber ändern geht nicht und schlucken unsere
Gefühle runter.
Ändern geht nicht. Ist das wahr? Wir können das ändern.
Leicht ist es nicht, aber was ist schon leicht? Und warum erwarten viele
Menschen eigentlich immer, es müsste leicht sein?
Das ist wahrlich etwas was ich nicht mehr
hören kann. „Ich schaffe das nicht, das ist nicht so leicht, wie sie sagen.“
Ich weiß das es schwer ist. Aber es wird nicht leichter, wenn ich mir selbst immer wieder
sage, dass es schwer ist und nicht den Versuch mache, das Schwere zu
erleichtern, indem ich genau hinschaue, was ich gerade fühle und was ich brauche. Indem ich
mich selbst ernst nehme im Schweren und nicht davonlaufe, weil es nicht so
leicht ist, bin ich mir selbst nah. Bin ich mir selbst nah, bin ich mir selbst gut und ich achte mich als Mensch. Veränderung dauert, die
geschieht nicht in ein paar Sitzungen. Das geht nicht leicht und das geht nicht
schnell. Sind wir Computer, die man zack, umprogrammiert und alles ist besser? Wir sind emotionale Wesen. Wir fühlen und unsere Gefühle machen
uns aus und sie machen uns wertvoll.
Wenn wir wirklich spüren, was wir fühlen, wenn wir uns
selbst die Erlaubnis geben, dass jedes Gefühl da sein darf, dann
verpassen wir keine lebenswichtigen Signale, die uns helfen können unsere
Bedürfnisse zu erkennen und sie zu erfüllen.
Bedürfnisse sind lebenswichtige Ressourcen. Jeder von uns
hat sie und sie unterscheiden sich gar nicht so sehr voneinander, höchstens in
der Gewichtung. Wir haben alle die gleichen Grundbedürfnisse. Maslow hat das
einmal sehr deutlich in seiner Bedürfnis-Pyramide aufgezeigt. Das sind Grund-
und Existenzbedürfnisse, das Bedürfnis nach Sicherheit, das Sozialbedürfnis, das
Bedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung und das Bedürfnis nach
Selbstverwirklichung und Exploration.
Wenn es uns gelingt eine Verbindung zu unseren Bedürfnissen,
besonders zu jenen, die uns am Wichtigsten sind, herzustellen, verstehen wir
unsere Gefühle besser und vor allem – wir bewerten sie nicht mehr in
selbstschädigender Weise, weil wir wissen, dass sich unerfüllte Bedürfnisse wiederum
in Gefühleverwandeln, die uns ganz klar sagen, was wir brauchen und was wir schmerzlich
vermissen. Es gibt keine falschen Gefühle, wie oft sage ich das meinen
Klienten, wenn sie sich schämen oder schuldig fühlen, weil sie doch scheinbar
alles haben und meinen sie seien undankbare Menschen, weil da doch etwas fehlt.
Wenn es fehlt dann fehlt es. Punkt. Es ist okay! Dann schauen wir wie wir das, was
fehlt, identifizieren und ins Leben rufen können.
Unsere Gefühle in Verbindung mit unseren Bedürfnissen zu
bringen macht es uns leichter Mitgefühl für uns selbst zu empfinden, anstatt uns
zu verurteilen, für etwas was in uns rumort und absolut seine Berechtigung hat
lebendig werden zu dürfen. Das Leben ist kurz.
Namaste
Großartig!
AntwortenLöschenDanke!
AntwortenLöschenSehr geehrte Frau Wende,
AntwortenLöschentausend Dank für die so klaren Aussagen und gute Unterstützung.
:-)
AntwortenLöschenGuten Tag Frau Wende, ich freue mich dass sie die von uns erfahrenen und erlernten Verhaltensweisen /Einstellungen und die wir uns selbst und unseren leben machen so klar beschreiben. Auch ich denke oft ich bin falsch da ich oft wie sie beschreiben fühle aber auch langsam mein Verhalten verändere und spüre wie frei ich werde wenn es klappt.
AntwortenLöschenDanke für Ihren tollen Beitrag !!!
Danke für Ihr Feedback :)
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