Montag, 28. Februar 2011

Herr Guttenberg oder die Achtung vor dem geistigen Gut

Eigentlich interessiert mich Politik recht wenig und Politiker noch weniger. Doch auch an mir geht die Diskussion zum Thema Guttenberg nicht spurlos vorrüber. Seit Wochen lese ich mehr oder weniger unfreiwillig, überall in den Schlagzeilen die Geschichte vom guten Mann Guttenberg, dessen scheinbar weiße Weste ziemlich dreckig geworden ist.


Da steht er nun, mit gegeltem Haupthaar und schickem Outfit, gestylt wie eh und je, vor dem Urteil des Volkes, er, der Adler im Hühnerkäfig, der das Herz der Deutschen im Flug eroberte, weil er so anders ist, so adelig, so fein, so wie alle irgendwie gern sein wollen. Eine schöne Projektionsfläche für alle guten Eigenschaften und Dinge, die Mensch so haben kann, Intelligenz, Macht, Güter, Wohlstand und noch dazu blaues Blut in den Adern. Das hätten wir doch alle gern in dieser "Haben" Gesellschaft, die das "Sein" nicht begriffen hat und niemals begreifen wird. Schade eigentlich.


Der Mensch, besonders der Deutsche, liebt solche Vorbilder und hebt sie in den Himmel. Genauso schnell aber lässt er, was er einst erhöhte, wieder fallen, wenn sich am Objekt der Begierde der Makel zeigt.


Nun, ich persönlich mochte die Attitude des Herrn Guttenberg nie sonderlich. Ich mochte auch das Verhalten seiner Gattin Gräfin von Bismarck - Schönhausen nicht sonderlich, die sich als Jägerin potentieller Sexualstraftäter in Allianz mit dem Sender RTL 2 auf die Hetzjagd begab um die Bösen im Lande in die Falle zu locken. Irgendwie hat das keinen Stil. Seltsam, dass sich nun der eigene Gatte als "Böser" outet, wenn auch nur als einer, der von anderen abschreibt, was er selbst nicht zu denken und zu erarbeiten geneigt ist und das auch noch, erst mit dem Rücken an der Wand stehend, zuzugeben bereit ist.


Dumm gelaufen, Ironie des Schicksals, oder Bumerang Effekt, nach dem Motto: "Tu anderen nichts, was du nicht angetan haben möchtest?"


Die Hetzjagd der Medien, die die Gräfin mitinszenierte und die der Gräfin einiges an, pardon, für meinen Geschmack, nicht ganz sauberem Geld eingebracht hat, ist nun im adeligen Hause präsent und damit das Gefühl, wie es sich anfühlt, wenn man gejagt und an den Pranger gestellt wird.


Mal ehrlich, würde ein solcher Plagiatsvorwurf den Normalbürger treffen, der Fall wäre längst erledigt, der Betroffene der Lüge bezichtigt, aus seinem Wirkungskreis entfernt, im Zweifel gar des Betrugs angeklagt und kein Hahn würde mehr nach ihm krähen. Ja, so wäre das wohl.


Aber, worum geht es denn eigentlich im Tiefsten bei dieser Sache?


Ich meine, es geht um Ehrlichkeit, erst mal. Wenn ich Mist gebaut habe, einen Fehler gemacht habe, so ist das zutiefst menschlich und es ist eine Sache der eigenen Moral, der menschlichen Werte und des Anstands, einen Fehler einzugestehen und ihn gegebenenfalls zu korrigieren. Das nennt man Liebe zur Wahrheit. Das ist Mut. Das hat Stil und Klasse.


Des weiteren gibt es noch einen Aspekt, den ich für nachdenkenswert halte: Achtung.


Achtung ist ein Wort, das der moderne Mensch wenig achtet. Wir haben es nicht so mit der Achtung. Wir sind eine Wegwerfgesellschaft, eine Konsumgesellschaft und der Konsum trägt die Tendenz zum Wegwerfen in sich. Mir scheint, dass auch die Achtung dieser Wegwerftendenz mehr und mehr zum Opfer fällt. Wer die Dinge nicht achtet, achtet auch die Menschen nicht, denn die Dinge sind von Menschen gemacht. Das nennt man Kultur.


Zu diesem von Menschen geschaffenen Kulturgut gehören auch Worte von Menschen, die sie gedacht und aufgeschrieben haben. Geistiges Gut, das Achtung verdient.


Geistiges Gut, das sind nicht nur Bücher, Bilder, Gemälde, Fotografien, Musik, Ideen und Konzepte, das sind Worte und Gedanken, von Menschen geschaffen, die ihren Geist benutzt haben, die gerungen haben mit sich selbst und dem Werk, mit dem Willen es zu perfektionieren bis zu dem Moment, wo es stimmig für sie war und wahr. Das ist ein Prozess, der neben aller Freude Mühe macht, das ist Arbeit, achtenswürdige Arbeit. So sehe ich das.


Manche, zu diesen gehören bedauerlicherweise auch ein deutscher Minister und eine Bundekanzlerin, sehen das anders. Ja, die Wahrheit hat viele Gesichter und die mehr und mehr herabhängenden Mundwinkel der Kanzlerin sprechen ihre eigene Wahrheit, schön kann diese ob dessen nicht sein.


Nun, jeder hat das Recht auf seine Sichtweise, ich weiß das, so wie ich weiß, dass jeder seine eigene Wahrheit hat und jeder in seiner eigenen Realität lebt und ich versuche das zu achten, auch wenn es mir bisweilen schwer fällt.


Besonders schwer fällt es mir, wenn ich sehe, dass Menschen es mit der Achtung vor dem geistigen Gut von anderen nicht so genau nehmen, oder es schlicht ignorieren. Wenn sie, Wissen, Gedanken und Zitate benutzen - was ich schön finde, denn alles Wissen, alle Gedanken und Zitate kluger Menschen sagen viel Wahres und viel über das eigene Innere, was eigene Worte so vielleicht nicht sagen können - und dann dem, dem diese Worte entsprangen, nicht die Achtung erweisen ihn zu nennen, ganz gleich ob der Urheber tot oder lebendig ist.


Zitieren bedeutet etwas übernehmen, bedeutet, dass ich etwas (be)nutze, was nicht meins ist, es "für" mich sprechen lasse und es sage, oder kenntlich mache, dass ich es "für" mich sprechen lasse. Zitate mache ich kenntlich, in dem ich den Urheber nenne, den geistigen Urheber nämlich. Das macht man doch so, oder?


Ich habe viel gelesen, ich lese, weil ich über mein eigenes begrenztes Denken und meinen eigenen Erfahrungshorizont hinaus wissen will. Und daher erkenne ich, auch wenn ein Zitat nicht gekennzeichnet ist, in dem meisten Fällen, ob die Worte des Zitierenden seinen eigenen Gedanken entspringen, oder "geklaut" sind. Denn genau das sind sie, wenn man zitiert ohne den Urheber zu nennen - gestohlen. Ja, das ist Diebstahl geistigen Gutes. Und das hat mit Missachtung zu tun. Und das missfällt mir sehr.

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