Dienstag, 24. September 2024

Aus der Praxis: Anhedonie - wenn wir keine Freude mehr empfinden

 

                                                                 Foto:pixybay


"Die Mutter der Ausschweifung ist nicht die Freude, sondern die Freudlosigkeit", schrieb einst Friedrich Nietzsche, der selbst unter Freudlosigkeit gelitten hat.
Sich an nichts mehr freuen können, führt vielleicht zunächst zur Ausschweifung, wie Nietzsche postulierte, im weiteren Verlauf aber, macht es für das Leben taub.
„Ich kann mich an nichts mehr freuen. Auch Dinge die mir früher Spaß gemacht haben, interessieren mich nicht mehr. Ich habe auf nichts mehr Lust. Irgendwie fühlt sich alles so gedämpft an. Mich interessiert nichts mehr wirklich. Mit ist alles gleichgültig. Nichts gibt mir mehr das Gefühl von Befriedigung, geschweige denn Begeisterung. Ich bin abgestumpft. Ich ziehe mich mehr und mehr in mich selbst zurück. Alles was ich fühle, ist eine müde Langeweile und eine innere Leere.“
So beschreibt mein Klient seinen Gemütszustand.
Er ist gemütskrank, hätte man früher gesagt.
Er leidet unter Anhedonie, sagt man heute.
 
Leidet ein Mensch nicht an einer Depression, aber ihm fehlt die Lebensfreude, spricht man von Anhedonie.
Das Wort kommt aus dem griechischen und bedeutet: ohne Freude. Ohne Freude lebt es sich so dahin. Ohne Freude lebt es sich schwer. Ohne Freude ist das Leben schal, taub und lustlos.
Keine Lebensfreude mehr empfinden, kennen viele von uns. Meist aber klingen diese Anhedonie-Episoden nach ein paar Stunden oder Tagen ab wieder ab. Je länger dieser Zustand jedoch anhält oder sich chronifiziert, desto wahrscheinlicher wird es, dass wir in eine Depression gleiten, zugleich kann die Anhedonie auch ein Begleitsymptom der Depression sein.
 
In der Anhedonie ist die Empfindung von Freude, Lust oder Vergnügen dauerhaft eingeschränkt oder vollkommen aufgehoben. Es stellt sich Freudlosigkeit ein und zwar nicht durch das Auftreten negativer Emotionen, sondern durch die Abwesenheit positiver Emotionen. Diese Freudlosigkeit ist nicht mit Traurigkeit gleichzusetzen. Betroffene beschreiben sich selbst nicht als traurig, vielmehr erleben sie ihre Gefühle als gedämpft oder kaum noch vorhanden. Sie erkennen auch keinen Sinn mehr darin überhaupt noch nach freudigen Erlebnissen zu suchen.
Anhedonie gilt nicht als eigenständige Erkrankung, sie ist ein Symptom für andere psychische oder physische Erkrankungen. Man weiß, dass Betroffene Veränderungen im Gehirn aufweisen, insbesondere im Belohnungssystem, hier kommt es zur Dysregulation von Hormonen kommen, darunter Dopamin und GABA. Die Ursachen sind oft chronischer Stress, Krisen, Traumata, Verlusterfahrungen, Anpassungsstörungen, psychsiche udn mentale Erschöpfung und andere belastende Lebensereignisse, die nicht verarbeitet werden können.
Auch Alkoholismus, Drogenkonsum wie das Kiffen, bestimmte Medikamente, Schizophrenie, Psychosen und ADHS stehen mit einer Anhedonie im Zusammenhang. Auch gibt es Menschen, die von Natur aus anfälliger für Freudlosigkeit sind, dann ist die Anhedonie eine Charaktereigenschaft.
Man unterscheidet bei der Anhedonie zwischen sozialer und physischer Ausprägung. Bei der sozialen Ausprägung kann keine Freude aus sozialen Interaktionen gezogen werden. Bei der physischen Ausprägung wird keine Freude an körperlichen Reizen, wie z.B. Essen, Bewegung, Berührung oder Sex, empfunden.
 
Ein Leben ohne Freude ist schwer auszuhalten und alles andere als erfüllend. Eine länger anhaltende Anhedonie ist ein Alarmzeichen, das wir ernst nehmen müssen. 
Sie verschwindet nicht von allein. Sie muss behandelt werden. Primäres Ziel ist die Wiederherstellung positiver Empfindungen. Dafür müssen zunächst die Ursachen der Freudlosigkeit gefunden und bewältigt werden. Im zweiten Schritt werden Bewältigungsstrategien erlernt um einer weiteren anhedonischen Episode vorzubeugen.
Was können wir selbst tun, wenn uns die Freudlosigkeit packt, um nicht in eine Anhedonie zu gleiten?
Freude empfinden lässt sich üben, u.a indem wir unsere Achtsamkeit kulitvieren und unsere Aufmerksamkeit auf die positiven Momente des Alltags lenken, auch wenn sie noch so klein erscheinen mögen. Und indem wir herausfinden, was uns gut tut und mehr von dem machen, was uns gut tut.
 
 
Angelika Wende 

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