Montag, 2. September 2024

Die Ambivalenz der Hoffnung

 

                                                                    Foto: Pixybay


Einem Menschen, der resigniert hat, zu sagen: "Gib die Hoffnung nicht auf!", ist wirkungslos. Zu tief ist die Verzweiflung. Sie ist ins Innerste gesackt, in den Grund der Seele, die taub ist für das Hoffen, weil sie das Leid nicht mehr erträgt, erfahren hat, dass langgehegte Hoffnung zu nichts geführt hat als zu immer wieder neuer Enttäuschung. Der Hoffnungslose will nicht mehr enttäuscht werden, also will er auch nicht mehr hoffen.
Was ist das eigentlich mit der Hoffnung, von der man sagt: Sie stirbt zuletzt?
Ist Hoffnung immer hilfreich und sinnvoll?
Oder gibt es Situtionen in denen wir sie besser sein lassen oder gar aufgeben sollten?
 
Das mit der Hoffnung ist ambivalent.
"Ihr, die ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren!", steht als Inschrift auf dem Tor zur Hölle in Dante Alighieris „Göttlicher Komödie“. In der Lutherbibel findet man die Worte: „Unweise Leute betrügen sich selbst mit törichten Hoffnungen, und Narren verlassen sich auf Träume.“ Ganz unten in der Büchse der Pandora lag die Hoffnung. Doch Pandora schloss die Büchse , sodass die Hoffnung nicht entfliehen konnte, da sie eine Quelle von Illusionen, Selbsttäuschung und Enttäuschung sei. Hoffnung, ein grundloser, naiver Optimismus, der uns Menschen leiden lässt.
 
"Hope is bleeding."
Worte, die mir einmal die Seele gerettet haben, als ich ins sinnlose Hoffen verstrickt war. Es gibt sie, diese sinnlose Hoffnung, die uns innerlich verbluten lässt, dann wenn wir an etwas oder jemanden festhalten, obwohl wir im Tiefsten wissen, dieses Etwas oder dieser Jemand ist für uns oder für sich selbst hoffnungslos verloren. Dann ist Hoffnung eine Qual, die uns geißelt, auf der Stelle treten lässt und zerstörerisch wirkt. Egal wie sehr wir hoffen, die Enttäuschung liegt hier bereits im Hoffen selbst. "Gib die Hoffnung nicht auf!", ist hier der schlechteste Rat, den wir uns selbst geben können.
Es gibt Menschen, die an ihrer Hoffnung leiden und innerlich verbluten. Sie hoffen lieber als das, woran sie hoffungsvoll anhaften und festhalten als ginge es um ihr Leben, loszulassen. Ihr Verlangen nach dem Objekt oder dem Subjekt ihrer Begierde ist so groß, dass es ihre sinnlose Hoffnung beständig füttert.
Sie betrügen sich selbst mit törichten Hoffnungen.
Sie wollen die Hoffnung nicht aufgeben.
In Wahrheit wollen sie haben, was sie längst aufgegeben hat.
Das ist höchst unheilsam.
 
Was dürfen wir hoffen?
Kant stellt die Frage: Was „dürfen“ wir hoffen? Wohlgemerkt: Dürfen?
Nicht, was sollen wir hoffen, oder was müssen wir hoffen, oder was wollen wir hoffen.
Wir können zu niemandem sagen: „Du sollst oder du musst hoffen.“
Es wird nichts für ihn tun.
Hoffnung kommt nicht von außen, sie kann nicht erzeugt werden, sie kommt von innen. Hoffnung ist eine innere Haltung, die wir nicht erzwingen können, weder in uns selbst noch im anderen. Hoffnung, die von innen kommt, trotzt der Resignation. Hoffnung wirkt angesichts Resignation und Verzweiflung. Wer Resignation und Verzweiflung kennt, weiß um den Wert des Hoffen-Dürfens.
 
Was also dürfen wir hoffen?
Dass wir Klarheit finden, ob dessen, was wir erhoffen.
Denn bloßes, sinnloses Hoffen bewirkt nichts, es ist in der Tat grundloser naiver Optimismus, der sich in Illusionen, Selbsttäuschung und Enttäuschung verstrickt.
Und Hoffen bewirkt nichts, wenn es nicht von innen als motivierende Kraft für das wirkt, was wir erhoffen, indem wir etwas dafür tun, dass es sich einstellt.
Was wir tun können, ist nur das, was in unserem Einflussbereich liegt, anderes zu hoffen ist sinnlos und führt immer zu Leiden. 
 
 
"Sobald wir bereit sind, die Hoffnung aufzugeben, dass Unsicherheit und Schmerz beseitigt werden können, entwickeln wir den Mut uns in der Bodenlosigkeit unserer Situation zu entspannen. Das ist der erste Schritt auf dem Pfad.
Pema Chödrön
 
Angelika Wende


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