Foto: A.Wende
Viele von uns halten sehr lange an etwas fest. Es ist vertraut, ob es gut oder schlecht ist und weil es vertraut ist, glauben wir es gehört zu unserem Leben und muss da bleiben.
Aber das Leben ist Veränderung und alles hat irgendwann ein Ende. Ein Weg ist zu Ende gegangen. Situationen, Gewohnheiten oder Orte passen einfach nicht mehr zu uns. Bestimmte Dinge haben ihr Haltbarkeitsdatum überschritten und sind unbrauchbar geworden. Manche Menschen gehören einfach nicht mehr zu uns.
All das wollen wir nicht wahrhaben, also machen wir weiter, wir lassen es wie es ist, obwohl wir längst spüren – nein, das passt einfach nicht mehr zu dem Weg, den wir gehen wollen oder den wir längst eingeschlagen haben. Irgendwie wollen wir versuchen etwas zu kitten, das Altbekannte soll bleiben. Wir wollen die Komfortzone nicht verlassen, denn was danach kommt, ist ungewiss und davor fürchten wir uns. Also schleppen wir den alten Ballast aus der Vergangenheit weiter mit, trotz des Wissens, ohne ihn wäre es leichter. Wir stecken weiter eine Menge Energie in etwas, was uns nur Energie raubt und unsere Entwicklung behindert und erschwert.
Ich selbst tue mir besonders schwer damit Menschen aus meinem Leben zu verabschieden. Ich bin das, was man eine treue Seele nennt. Was ich mir vertraut gemacht habe, ist mir wichtig. Daran halte ich fest. Das ist auf gewisse Weise ziemlich naiv, denn eine treue Seele will oft nicht wahrhaben, dass das, woran sie festhält, sie längst innerlich verlassen hat.
Manchmal halten wir an einem Menschen fest, der uns bereits losgelassen haben. Wir stecken eine Menge Energie hinein, weil wir immer noch an ihn und die Beziehung glauben. Wir halten fest. Damit versuchen wir künstlich ein Band aufrecht zu erhalten, wo es in Wahrheit keins mehr gibt. Wir ziehen an unserem Ende des Seils und wollen partout nicht wahrhaben, dass der andere längst losgelassen hat. Aber irgendwann kommt unweigerlich der Punkt wo wir spüren, dass das Seil schlaff in unseren Händen liegt. Am anderen Ende ist keiner mehr. Dann ist es Zeit es loszulassen. Endgültig und ohne wenn und aber. Zeit uns von einer Illusion, die wir selbst erschaffen haben, zu lösen.
Wir können nichts künstlich festhalten, was verloren ist. Damit behindern wir uns selbst. Damit hängen wir an einer Vergangenheit, die in unserem Jetzt keinen Sinn mehr erfüllt. Damit beschweren wir unsere Seele und blockieren unseren Lebensweg. Wir verhindern das Neue, das sich in unserem Leben zeigen will und es nicht kann, weil unser Blick im Vergangenen festhängt.
Aber manche Abschiede sind eben lange Abschiede. Besonders dann, wenn ein Mensch uns viel bedeutet hat, wenn er vielleicht sogar der Mittelpunkt unseres Lebens war, wenn es Liebe war. Lange Abschiede sind okay, denn unsere treue Seele braucht diese Zeit um innerlich in ein „Leb wohl“ hineinzuwachsen. Lange Abschiede sind sanfte Abschiede, ein Herausgleiten, weil ein harter Bruch nicht gelingt.
Ob das weniger schmerzhaft ist?
Der Schmerz ist breiter, dosierter. Ob er damit erträglicher ist?
Abschiede tun weh, ganz gleich wie wir sie erleben.
Aber wie schrieb Herman Hesse in seinem wunderbaren Gedicht „Stufen“?
… „Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!“
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