Donnerstag, 6. November 2014

Verzweiflung




Im Zweifel, verzweifelt der Mensch nicht. Verzweifeln kann man erst dann, wenn der letzte Zweifel ausgeräumt ist und sich die Gewissheit des Unabänderlichen zeigt, dann, wenn die Zukunft sich verschließt. Im Zustand der Verzweiflung ist die Zukunft suspendiert. Wenn der Mensch verzweifelt, greift er nach allem und jedem um der Verzweiflung einen Sinn zu geben. Der Sinn, sei er auch konstruiert, wird so zum einzigen Grund die Verzweiflung irgendwie auszuhalten. Darum gehen die, die vorher nicht an einen Gott geglaubt haben in die Kirche wenn sie ein Unglück trifft, oder sie befragen Kartenleger, oder sie werden spirituell. Gegen die Verzweiflung versagt unser Verstand. Er öffnet sich Dingen, die er zuvor für absolut unvorstellbar hielt oder als Schwachsinn verteufelt hat. Verzweiflung ist ein bedrohlicher Affekt. Wenn er lange genug besteht, verliert der Mensch sich selbst. In der Verzweiflung überwältigt uns das Übermächtige. Das nicht mehr Kontrollierbare wird zur abstrakten Totalität. Verzweiflung beraubt uns unserer Möglichkeiten, es gibt keine Alternative mehr, uns wird klar, dass wir keine Wahl mehr haben, dass uns jegliche Freiheit der Entscheidung genommen ist. Verzweiflung macht Todessehnsucht. Wenn nichts mehr geht, der Tod wird es schon richten. Das ist die Verzweiflung, der schlimmste Affekt.

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