Montag, 3. September 2012

Das Geschäft mit der Schönheit, der Oberflächlichkeit und dem Geld





Schönheit kommt von innen. Damit trösten sich die, die sich langsam damit abfinden müssen, sich von äusserer Schönheit verabschieden zu müssen.

Schönheit ist vergänglich und ich finde das gar nicht schön. Oder was ist schön daran, sich von seiner Schönheit verabschieden zu müssen und machtlos dabei zuzusehen, wenn sie allen gesunden Mittelchen und Cremes zum Trotz, der Vergänglichkeit anheim fällt? Nichts, finde ich.

Aber auch wenn das mit dem sich Verlegen auf die innere Schönheit die einzig sinnvolle Lösung ist sich mit dem Verlust äusserer Schönheit abzufinden und für den letzten Rest des Lebens von innen zu leuchten, Fakt ist - wir wollen alt werden, aber alt sein will keiner.

Die Kosmetikindustrie, die Schönheitschirugie, die ganze Anti Aging Maschinerie lebt davon, die Vergänglichkeit aufzuhalten oder gar stoppen zu wollen. Das Geschäft mit der ewigen Jugend boomt und immer neue Jungbrunnenversprechen sprudeln aus der Schönheits - und Jugendwahnquelle.

Was es da nicht alles gibt.

Vergangenen Samstag beim Bummeln hatte ich eine erhellende Begegnung in Sachen Jugendwahn. Der Hund rennt im Speedy-Gonazales-Modus in den Friseurladen an der Ecke. Dort ist neuerdings nämlich einer von seiner Art eingezogen. Auch so ein weißes Wuschelknäuel und noch dazu ein Welpe mit ähnlich ausgeprägtem Spieltrieb wie er. Also er, seinem Trieb folgend, nix wie rein in die Bude und ich hinterher.

Kaum habe ich den Laden betreten, befinde ich mich in den Fängen einer älteren dicken Dame.

Sie sehen gut aus, aber sie könnten noch besser aussehen, spricht sie mich lautstark an. Nun, das ist mir nicht neu, dass ich besser aussehen könnte, Herr gib mir meine Jugend zurück und so sei es. Im selben Moment denke ich, was für eine stillose Anmache ist das denn?

Die dicke Dame will etwas von mir, eindeutig. Mir eine neue Frisur verpassen, damit ich besser aussehe? Weit gefehlt. Schauen sie mich an, fordert sie mich im Befehlston auf, na, wie alt schätzen sie mich? Ich sage, ich schätze das Alter anderer Menschen grundsätzlich nicht, sagen sie mir doch einfach wie alt sie sind.

Nein, schätzen sie mal, ich bin auch nicht beleidigt. Ich schätze nicht und basta.
Sie versucht noch ein paar Mal ihren Willen durchzusetzen und gibt schließlich auf. Ich bin sechzig. Passt, denke ich, hätte ich geschätzt. Und, wie sehe ich aus? Gut sage ich, und denke, na ja ungefähr zwanzig Kilo zuviel Fett, gleichmäßig verteilt, aber manche mögens ja draller und dass mir das eh wurscht ist, und dass ich jetzt hier ganz schnell raus will, aber der Hund spielt so schön mit dem Hundebaby und das gönne ich den Beiden.

Gucken sie mal, ihr Gesicht sieht ja nicht schlecht aus, aber das kann besser aussehen. Ich schaue in den Spiegel, sehe ich schlecht aus? Hm, na ja, so wie ich halt aussehe, nicht die strahlende jugendliche Schönheit, aber auch nicht so übel. 

Ich mache ihnen jetzt mal eine Gesichtshälfte glatt, kündigt die Dame an.

Wie bitte, was macht sie? Ich will gerade antworten, da kommt sie bedrohlich nah an mich ran. Zu nah. Ich weiche zurück. Ihre Hand hält ein kleines Gerät, das einem Raiserapparat sehr ähnelt. Das ist die Wunderwaffe gegen das Alter, die bügelt alles glatt, jubiliert sie, und positioniert sich auf Frontalangriff.

Nein, sie werden mich sicher nicht glattbügeln, sage ich. Das haben schon ganz andere versucht und die hatten auch keine Chance. Schaun sie doch mal mein Gesicht an, das ist doch glatt oder nicht? Ich schaue ihr ins Gesicht. Es ist in der Tat ziemlich glatt, schön dick aufgepolstert. Da haben Falten keine Chance. Und? Ja, sage ich, schön glatt. Und jetzt mein Hals!, fordert sie mich auf. Der ist in der Tat auch glatt, abgesehen von den Speckwulsten, die eine trennscharfe Linie in zwei Teile spaltet.

So und jetzt sie! Wie ich? Na, ich bügle ihnen jetzt eine Gesichtshälfte glatt. Nein, das tun sie nicht, sage ich noch mal, ich bin geschminkt und ich habe noch etwas vor. Na dann schminken wir das ab und ich schminks wieder hin, wenn ich mit ihnen fertig bin. 

Mit mir fertig bin? Mein Fluchtimpuls wird stärker. Das Bügeleisen kommt näher. Nein, sie schminken das jetzt nicht ab, sage ich noch einmal und ich muss dabei wohl sehr streng gucken, denn die Hand mit dem Bügeleisen senkt sich nach unten. Gut, dann eine Hand! Eine Hand, entscheide ich, der Hund will spielen, die Dame auch und wer weiß, vielleicht ist da doch was dran und wenn ich glatter aussehen kann, auch nicht das Schlechteste, eitel bin ich ja.

Ich gebe meinen Widerstand auf und reiche der Dame meine Hände. Das ist die Schlechteste, ruft sie begeistert und krallt sich meine Rechte. Schlecht? Ich muss schlucken. Das ist meine Hand und da gibt es nix Schlechtes dran, die leistet mir gute Dienste und das seit einem halben Jahrhundert. Ich bin jetzt langsam sauer. Nein, so meine ich das nicht, entschuldigt sich die Dame, das ist die, die am strapaziertesten ist. Aha! Ich blicke auf meine Hände und denke,die sehen beide gleich strapaziert aus.

Zack, da hat sie schon meine Rechte in ihren kräftigen Händen und beginnt mit dem Bügeleisen drüber zu bügeln. Hm, nicht unangenehm, wie eine Handmassage fühlt sich das an. Meine strapazierte Seele freut sich und beschließt zu genießen. Das Bügeleisen bügelt hin und her, die Frau cremt meine Hand ein, bügelt noch ein paar Mal hoch und runter, plappert die ganze Zeit etwas von 500 Euro, für die ich das Bügeleisen und die Creme kaufen kann, und wie erfolgreich sie das verkauft und wie glücklich sie alle damit macht und ich denke, wie viel angenehmer wäre die Massage, wenn sie endlich mal still wäre.

Fertig! jubiliert sie und reißt mich aus meiner Sehnsucht nach Stille. Und jetzt gucken sie mal genau hin. Das ist doch ein rießen Unterschied! Hm, ich gucke genau hin, allerdings ohne Brille, die hab ich vergessen. Ich meine zu sehen, dass die Hand gatter wirkt, glatter anfühlen tut sie sich jedenfalls. Einen Moment lang bin ich versucht an das Wundergerät zu glauben, wäre ja auch zu schön, die alte Glätte wieder zu bekommen. Hält das auch an?, frage ich. Die Frau strahlt. Na klar, aber sie müssen das alle zwei Tage machen. Da sind 500 Euro doch nix, oder? Ich fasse es nicht. Ein Wundergerät gegen die Vergänglichkeit für 500 Euro.

Ich frage mich, warum das Wundergerät dann noch nicht zum Weltwunder in Sachen ewige Schönheit und Jugend erhoben wurde und beschließe das mal zu googeln, später. 

P.S. Ich habs gegoogelt ...

http://www.swr.de/marktcheck/finanzen/anti-aging-irrtuemer/-/id=2249106/nid=2249106/did=8644022/19yv3yq/

... und beschlossen weiter von Innen zu leuchten.