Freitag, 18. November 2011

Worte

er hatte es bis ins kleinste detail geplant. wenn er genau überlegte, eigentlich von anfang an. vom anfang seines bewusst denkenden und fühlenden lebens an.

es war ungutes, was er zuerst gefühlt und dann gedacht hatte. es war ungutes unter den menschen und in ihm. das ungut gedachte wuchs mit ihm und es war so hässlich wie er. er war immer hässlich gewesen, schon als kind. er sah es auf den fotos, die sie von ihm gemacht hatten. er hatte sich nie fotografieren lassen wollen, aber sie hatten ihn nicht gefragt, ihm das ungute zugemutet, auch dieses ungute.

sie hatten ihn aufgefordert zu lächeln und seine schiefen zähne zu zeigen. es sah aus, wie das blecken eines ackergaules. er sah es und fragte sich, ob sie es nicht sahen. sie sahen es wohl nicht.


als er ihnen zu nichts mehr verpflichtet war, ließ er sich nicht mehr fotografieren. er verschloss die lippen so gut es ging. wenn er sprechen musste, presste er die worte zwischen ihnen hindurch, was den worten einen verzogenen klang gab. er sprach nur das nötige, lächen tat er nie.

er schrieb. seit er denken konnte schrieb er. sie würden dabei sein, die worte, wenn er es tun würde.

auf die idee, wie sie dabei sein konnten, hatte ihn die fotografin gebracht, als sie das foto von ihm machte, dass er machen lassen musste, weil sie ihn interviewt hatten, wegen des buches, das er geschrieben hatte, das buch, das ein erfolg war. er war sich sicher, dass es das einzige gute war, was er zurücklassen konnte, also hatte er zugesagt und gewusst, es würde das letzte foto von ihm sein.

er hatte die fotografin gebeten keine nahaufnahme zu machen. am liebsten, er von hinten beim schreiben, oder nur die hände auf der tastatur, oder zumindest von der seite im profil, hatte er vorgeschlagen.

sie hatte gesagt, dass sei unmöglich, man wolle ihn sehen, den autor, und dass es gut sei, wenn da ein gesicht war zu dem buch. die leute mochten gesichter. er wusste es.

aber sie hatte verstanden. sie hatte sich etwas einfallen lassen, um sein gesicht nicht nackt dem blitzlicht preiszugeben. er war ihr dankbar.

sie hatte eine seite aus seinem buch kopiert und die schwarzen worte weiß gemacht und sie auf schwarzen grund gelegt. sie hatte das weiß auf schwarze in eine datei gepackt auf ihrem laptop und den laptop an einen beamer angeschlossen. im studio hatte sie ihn an eine weiße wand gestellt, den beamer angeschaltet und auf sein gesicht gerichtet. da waren sie, die worte auf seinem gesicht, wie hineingeschrieben in die blasse haut. das hatte ihm gefallen.

er hatte sich einen beamer besorgt und es so gemacht wie die fotografin es ihm vorgemacht hatte. der beamer lief seit stunden. die buchstaben tanzten schwarz auf der weißen wand seines arbeitszimmers. er saß in dem bequemen lederstuhl an seinem schreibtisch und sah ihnen dabei zu. das bleckendende lächeln legte die schiefen zähne frei.
jetzt war es genug. er erhob sich aus dem lederstuhl, ging zur wand, stellte sich mit dem rücken dagegen und nahm die pistole aus der jackentasche. er öffnete den mund, umschloss den kalten lauf mit seinen lippen und drückte ab, nicht ohne vorher den gedanken gehabt zu haben, dass es gut war mit den worten bedeckt zu sterben, bei all dem unguten was es gab.