Wir leben in einer Gesellschaft die sich vollständig dem Besitz und dem Profitstreben verschrieben hat. Aus diesem Grunde sehen wir selten ein Beispiel der Existenzweise des Seins, weil sich die meisten Menschen auf die Existenzweise des Habens richten.
Diese auf das Haben ausgerichteten Menschen verstehen die Existenzweise des Seins nur sehr schwer. Sie sind nicht fähig zu erkennen, dass das Haben eine reine Orientierung am Dinglichen ist, dem scheinbar „Wert“ vollen, wie Geld, Besitz, beruflicher Erfolg und Macht.
Ein sogenannter „Habentypus“ wird durch neue Ideen oder Gedanken beunruhigt. Für ihn sind solche Gedanken ein Angriff auf sein „Habensystem“ und damit bedrohlich.
Während sich der „Habenmensch“ auf das verlässt, was er hat vertraut der „Seinmensch“ auf das, was er ist.
Im Gegensatz zum „Habentypus“ nimmt ein Seinsmensch die Exstenz nicht passiv auf, er antwortet auf aktive und produktive Art und Weise auf das, was ihm begegnet. Sein Denkprozess wird dadurch angeregt und es tauchen neue Fragen oder Perspektiven auf.
In unserer Gesellschaft gilt ein Schüler der am genausten wiederholen kann was der Lehrer gesagt hat, als guter Schüler. Ein Schüler, der hinterfragt, wird als unbequem, im Zweifel als renitent wahrgenommen.
Individualität ist schon in den Schulen eine Gefahr für das Funktionieren der Masse.
Ein Mensch in der Existenzweise des Seins kann zum Entschluss kommen, dass das schlaueste Buch, mehr oder weniger wertlos ist. Ein Mensch des Seins hinterfragt allgemein anerkanntes Wissen, Normen und Regeln. Er wagt Neues, ohne zunächst den monitären Erfolg zu beachten. Der Haben - Mensch kalkuliert immer nach seinem Nutzen.
Ein weiteres Beispiel für den Unterschied der Existenzweise des Habens und des Seins zeigt sich in der Art und Weise wie Autorität ausgeübt wird.
Der wesentliche Punkt ist, ob man Autorität hat oder eine Autorität ist.
Autorität, die auf der Existenzweise des Seins beruht basiert nicht auf der Fähigkeit bestimmte gesellschaftliche Funktionen zu erfüllen. Sie beruht auf der Persönlichkeit eines Menschen, der ein hohes Maß an Selbstverwirklichung, Individualität und Integration erreicht hat. Ein solcher Mensch strahlt Autorität aus - ohne zu drohen oder Befehle erteilen zu müssen.
Die Inhaber der Haben - Autorität müssen die Menschen von ihrer Wahrheit und ihren Regeln überzeugen, das heißt sie sind bestrebt kritisches Denkvermögen zunichte machen. Die fiktive Wahrheit an die sie glauben, macht sie für die Möglichkeiten anderer Wahrheiten blind.
Der Unterschied der beiden Existenzweisen im Bezug auf Wissen drückt sich in den Formulierungen „ ich habe Wissen" und „ich weiß“ aus.
Wissen zu haben, heißt - verfügbares Wissen zu erwerben. Wissen, im Sinn von „ich weiß“, ist ein Teil des individuellen produktiven Denkprozesses. Wenn ein Mensch in der Weise des Seins lebt, wissen wir, was Buddha, Jesus, Sigmund Freud oder Karl Marx vertreten haben.
Wissen beginnt mit der Erkenntnis der Enttäuschungen und unserem eigenen Menschenverstand. Wissen bedeutet den Ursachen für Enttäuschung auf den Grund zu gehen. Wissen bedeutet nicht Besitz von Wahrheit sondern kritisch und tätig nach größeren Annäherungen an die Wahrheit zu streben. Allen Denkern und Forschern ging und geht es um das Heil der Menschen. Für sie ist das Ziel des Wissens nicht die Gewissheit der absoluten Wahrheit.
Das Ziel der Existenzweise des Seins ist tieferes Wissen, das Ziel der Existenzweise des Habens ist mehr Wissen. Die Schulen sind die Fabriken in denen diese Wissenspakete produziert werden. Auch der Glaube an sich selbst, an den anderen, an das, was der Mensch sein könnte, beeinflusst die Gewissheit, jedoch ist dies eine Gewissheit, die auf die eigene Erfahrung zurückgeht.
Zum Schluss: Kann man Liebe haben?
Wenn man das könnte, wäre Liebe ein Ding, eine Sache, eine Substanz. Die Wahrheit ist, dass es kein Ding wie Liebe gibt. Liebe ist eine Abstraktion. Es gibt nur den Akt des Liebens an sich.
Liebe ist einfach.
Wird Liebe in der Weise des Habens erlebt, bedeutet dies das Objekt das man „liebt“, besitzen zu wollen, es zu verändern zu wollen, es zu kontrollieren
Menschen des Seins und Menschen des Habens sind immer Gegner.
Klug wäre es jedoch sich zu Verbündeten zu machen, damit der Eine vom Anderen in einer konstruktiven Weise lernen kann.
Der Haben Mensch jedoch kann das nicht zulassen. Denn Haben bedeutet immer das, was man hat, festhalten zu müssen. Nichts ist für den Haben Menschen bedrohlicher als die Vorstellung nur das Geringste seiner „Habe“ zu verlieren. Das Sein ist im gänzlich fremd, da er sein „in der Welt sein“ fast ausschließlich über seinen Besitz definiert und sich nur so als Mensch erfährt. Nimmt man ihm was er hat, hat er nichts mehr.
Nimmt man dem Seinsmenschen was er hat, hat er immer noch sich selbst.
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