Don Juan, Mischtechnik 2015 |
Don Juanismus ist weiter verbreitet als man glauben
möchte. In einer dem Narzissmus verfallenen Gesellschaft ist er das Synonym für
eine egoistische, narzisstische Verführungssucht, derer, die sich selbst
bespiegelnd im anderen lieben.
Don Juan ist eine tragische Figur. Seine Tragik liegt
im Steckenbleiben in der Selbstbewunderung. Don Juan sucht die Bestätigung der
eigenen Attraktivität und Bewunderung durch ständig wechselnde Partnerinnen, er
ist zu stabilen Beziehungen zu leben. Dadurch entstehen innere Leere und
Langeweile. In Don Juans Wegwerfbeziehungen wird die Sexualität ihrer
kommunikativen Funktion entkleidet und zur bloßen Befriedigung seiner sexuellen
Triebe. Seine rastlose Suche nach Bestätigung ist eine Kompensation der bodenlosen
Einsamkeit durch immer neue flüchtige Liebesabenteuer. Dieses Verhalten führt
mit der Zeit zum Verlust der Moral und des Gewissens. Die rein sexuellen
Beziehungen bestärken den Mann zwar in seiner Männlichkeit, doch verachtet er
die Frauen dafür, dass es ihm immer wieder aufs Neue gelingt sie zu verführen.
Solche Männer sind oft realitätsfremd, naiv, kindlich und verträumt. Wichtig sind ihnen die Illusion ewiger Jugend und die Vermeidung von Verantwortung. Don Juan hat Angst vor dem Endgültigen.
Don Juan skizziert sich auf drei Ebenen:
- der berechnende Sucher
- der gebeutelte Suchende
- der verbitterte
Zerstörer
Wie weit geht Don Juan um sein Ziel zu erreichen?
Wie ist seine Natur?
Was ist sein Ziel?
Was ist sein Motiv?
Was ist seine Strategie?
Was ist der Mythos?
Was ist der Mythos?
Natur und Ziel
Don Juan ist ein unabhängiger Mensch, den nichts und
niemand binden kann und für den Stillstand mit Tod gleichzusetzen ist. Konstanz
und Dauer sind nicht seine Sache, er sucht die Herausforderung in wechselnden
Abenteuern. Diese Unabhängigkeit ist die eine Seite seiner Natur. Die andere
Seite ist seine Skrupellosigkeit. Er betrachtet Frauen als „Objekte“ und
genauso behandelt er sie auf dem Weg zu seinem Ziel. Dieses Ziel ist von
Besessenheit nach Eroberung gekennzeichnet. Don Juan erobert wahllos, um des
Eroberns willen. Das Ziel ist also nicht die eroberte Person, sondern die Jagd
und das Erzwingen seines Willens. Je größer die Hindernisse, desto größer sein
Sieg.
Don Juan lässt sich immer wieder aufs Neue
faszinieren. Im selben Moment, in dem er ein neues Opfer für seinen triebhaften
Eros gefunden hat, ist das Vergangene vergessen. Sein Denken ist auf Zukunft
ausgerichtet. Die Welt des Don Juan ist allein von seinem Ego beherrscht.
Nichts anderes hat eine Bedeutung. Er ist ein von egozentrierten Motiven
beherrschter Mensch, für den die Gesetze von Moral nicht gelten. Seine Welt
besteht aus dem Augenblick, der bereits die Zukunft in sich birgt und diese ist
nicht vom Wunsch nach Dauerhaftigkeit geprägt, ebenso wenig wie seine
Beziehungen.
Seine Beziehungen sind der Spiegel seines Inneren.
Sobald er eine flüchtige Beziehung eingeht existiert die andere nicht mehr. In
Don Juans Welt gelten nur seine Waffen mit denen er es immer wieder schafft
Eindringlingen, die mit seiner Welt nichts zu tun haben, Paroli zu bieten.
Daher hat er keinen Bezug zu einer Familie oder zu Freunden. Er ist ein
Einzelgänger, ein einsamer Jäger, der sich vor Irritationen, die seine Jagd
stören könnten, wie tiefe Bindungen, hütet und sie vermeidet. Don Juans Waffe ist
die Kommunikation, er lebt von den Worten und vom Beenden derselben. Am Ende
ist Schweigen, Ignoranz und das Verlassen des Schauplatzes, das Entwerten
dessen, was das verletzte Gegenüber sagt. Es besteht eine tiefe innere
Weigerung sich mit einer Sache dauerhaft auseinanderzusetzen.
Don Juans Strategie
Don Juan ist ein Schönredner. Mit Worten verherrlicht er sein
Gegenüber. Er holt es mit Schmeicheleien, Überhöhungen und
Versprechungen aus seiner Welt heraus und malt ihm die große Liebe in den
buntesten Farben aus. Er schlüpft in die Rolle des Retters aus der Monotonie
eines normalen Lebens.
Die Frauen und Don Juan
Nachdem eine Frau einmal diese, seine Welt, betreten
hat gibt es nichts mehr was sicher ist. Die Werte der „normalen“ Welt verlieren
ihre Gültigkeit. Ein Zurück nachdem er sie fallen lässt, lässt ihre normale
Welt leer und unerfüllt erscheinen. Das Gefühl seiner Opfer - das Höchste an
Liebe erlebt zu haben - verhindert das sich wieder Abfinden mit der Normalität.
Die Frau ist aus der normalen Welt herausgefallen, sie ist verwirrt, instabil,
bezugs- und orientierungslos. Dazu kommt die Scham einer Täuschung erlegen zu
sein und das bittere Erkennen einer Lüge anheim gefallen zu sein. Sie begreift
den Verrat der eigenen Gefühle von Liebe, die missachtet und entwertet wurde.
Sie wird sich schmerzhaft bewusst, dass sie nicht die Schönste, die
Begehrenswerteste und nicht die große Liebe des ewigen Verführers ist.
Die Erfahrung mit Don Juan lässt ein Weltbild ins
Wanken kommen. Sie macht die Illusion eines weiblichen Selbstbildes zunichte,
das durch Don Juan künstlich und bewusst erhöht wurde - mit dem Ziel es am Ende
zu zerstören. Was bleibt ist ein Misstrauen gegen das Männliche schlechthin.
Don Juan zerstört den Glauben an das eigene Selbst der Frau, den Glauben an die
Wahrhaftigkeit und an die Liebe.
Don Juan und die Schuld
Don Juan verführt und lockt die Frauen mit
Versprechungen, unterschlägt aber, dass sie keine dauerhafte Gültigkeit haben.
Er handelt mit Vorsatz, ohne Rücksicht und Empathie und nimmt die Zerstörung
weiblicher Seelen billigend in Kauf.
Das ist der Punkt, wo Don Juan sich schuldig
macht.
Der verbitterte Zerstörer
Wie viele Menschen ist Don Juan ein Suchender nach
dem Ideal endlicher Befriedigung. Er sucht, was Leben ausmacht, in den Frauen.
Dabei will nicht hinnehmen, sondern nehmen. Eine Suche, die enttäuscht wird,
mit jeder neuen Erfahrung einmal mehr. Er fordert das Schicksal heraus, aus
Bitterkeit, weil ihm sein Wunsch versagt bleibt, seine Sehnsucht unerfüllt
bleibt. Er muss zerstören aus Verachtung für die Menschen und für Gott, die ihm
seinen Wunsch nicht erfüllen. Doch diese dämonische Besessenheit macht ihn
nicht abstoßend. Vielmehr macht der tiefe Schmerz, die Enttäuschung und seine
Leidenschaft das aus, was die Frauen in ihrer Sehnsucht nach Liebe anzieht. Don
Juan ist der Spiegel für ihre eigene Enttäuschung. Er ist der Resonanzboden auf
dem ihre ungelebten Sehnsüchte schwingen und das macht ihn begehrenswert. Don
Juan zieht genau diese sehnsüchtigen Frauen an und entzündet ihr Feuer mit
seiner Sinnlichkeit.
Er ist ein Dämon in der Gestalt eines Retters.
Don Juan und die Worte
Die Kraft und die Magie Don Juans liegen im Wort. Er
benutzt jedoch Stereotypen und meint sie nicht ernst. „Don Juan gibt nichts, am
allerwenigsten sein Wort.“ (Aus Moliere „ Don Juan ou le festin de Pierre“). Er
benutzt Worte so, dass sein Gegenüber das Imaginäre seiner eigenen Illusionen
wieder erkennt und sich ihnen hingeben kann. Durch seine Worte wird er zum
Mittler und reißt sämtliche Widerstände ein. Er ist ein Gaukler, der der Frau
den Spiegel der eigenen Sehnsucht vorhält. Doch dieser Spiegel wird am Ende zum
Zerrspiegel. „Die Menschlein um in herum sind nur aufgestellt zu seiner
Lust...“ ( Aus E.T.A Hoffmann, Don Juan)
Das Ende des Don Juan
Don Juan bekommt vom Schicksal eine Chance. Er
begegnet Donna Anna. Doch er erkennt das positive Lebensgeheimnis, das ihm in
Gestalt dieser letzten Frau offenbart wird, nicht. „In Ihr begegnet ihm auf den
Flügeln der Kunst das ewig Weibliche, und als Inbegriff des Menschlichen und
somit des Göttlichen erschließt ihm diese Begegnung das Reich des Geistes,
jenes Wunderland, dahin schon immer seine Sehnsucht ging.“ (Aus George Byron,
Don Juan).
Don Juan gelingt es nicht, als Donna Anna zu seiner
Erlösung auftaucht, seine Jagd zu beenden. Er verspielt die letzte Möglichkeit
von Liebe. Don Juan ist verbittert. Er kann nicht gerettet werden und verblasst
als bemitleidenswerter Rächer.
Der Mythos Don Juan
Seinem Mythos zufolge ist Don Juan trotz allem ein
Genie. Und wie bei allen Genies schwingt die Tragödie mit. Er hat keine Angst
vor der Zukunft. Sein Denken ist geradezu auf Zukunft ausgerichtet und nur
wenig kann ihn überraschen. Am Ende jedoch liegt das Scheitern, weil das
Herausfallen des Menschen aus der ihn umgebenden Welt nur in der
Selbstzerstörung enden kann, denn die Welt ist ein Teil des eigenen Ganzen.
Spaltet das Individuum die äußere Welt ab, spaltet es einen Teil von sich
selbst ab. Wie immer führt das Abspalten einzelner Teile unweigerlich zur
Zerstörung des ganzen Menschen.
Don Juan erkennt nicht, dass Lügen einsam machen.
Indem er andere belügt, stößt er sich selbst in die schrecklichste Einsamkeit.
Don Juan glaubt nicht an die Liebe. Er sucht sein Glück in der vergänglichen
Verliebtheit. Er liebt das Leben in seiner Unvollkommenheit. Doch
scheitert er letztlich nicht daran, sondern an der Unfähigkeit seine eigene
Unvollkommenheit zu akzeptieren.
Das wovor wir uns am meisten fürchten ist das, was
uns letztlich zerstört.
Wow. Bin zufällig drüber gestolpert. Das passt so gut und ist so psychologisch fundiert. Das Schlimmste an/für Don Juan ist, dass er keine Wahl hat, weil er ein Getriebener ist, der zwanghaft handelt. Seine Erkenntnis würde ihm nichts nützen. Er kann die Beziehung zur Welt nicht so mir nichts, dir nichts herstellen, weil er sie nie hatte. Das ist seine Tragödie. Er kann selbst in der Erkenntnis die Beziehung nur simulieren/vortäuschen. Der Unterschied wäre nur, dass er sich seiner Getriebenheit bewusst würde. Glücklich würde er auch so nicht.
AntwortenLöschendanke!
AntwortenLöschenund ja, glücklich würde er auch so nicht ...
Eine Darstellungsweise eines Krankheitsbildes, mit der man etwas anfangen kann. Doch würde ich das Wort Dämon weglassen, das ist eine Wertung einer Person, die Wertung hier nichts zu suchen hat. Denn jedes Verhalten oder Charaktereigenschaft ist irgendwo begründet, Leben entsteht immer aus Leben. »Er benutzt jedoch Stereotypen und meint sie nicht ernst«. Wie viele dieser nicht ernst gemeinten Sterotypen muss er von seinen Eltern, vor allem von seiner Mutter gehört haben und dies weiter angewendet und gelebt hat. Es soll das Verhalten ob nun Frau oder Mann nicht entschuldigen. Aber sich dessen Bewusstsein und Änderungen anstreben, das muss man zu erst mal machen, die Verantwortung für diese Arbeit nimmt niemand ab.
AntwortenLöschenGuter Text, m. E. ist es aber nicht Donna Anna, sondern Donna Elvira, die zu seiner Erlösung im Spiel ist.
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