Freitag, 28. Februar 2025

Wer bin ich, wenn ich nicht mehr gebraucht werde?

                                                                Foto: A.Wende
 

Das Leben ist voller Veränderungen und Herausforderungen und immer wieder stehen wir an einem Punkt, an dem wir neu anfangen zu müssen. Ein solcher Punkt ist zum Beispiel eine schwere Krankheit, die uns arbeitsunfähig macht, der Verlust der Arbeit oder auch das Rentenalter.
Kein Zeitdruck, keine Verpflichtungen – unendlich viel Zeit für uns selbst und dann kommt die Erkenntnis, wie bestimmend und wichtig die Arbeit war. Plötzlich fühlen wir uns nutzlos.
Wir fragen uns: Wer bin ich, wenn ich nicht mehr gebraucht werde?
 
Es kann ein sehr herausforderndes Gefühl sein, nicht mehr gebraucht zu werden. 
Wir empfinden Traurigkeit oder sogar Angst, weil das Gefühl, gebraucht zu werden mit einem Sinn für Zweck, Zugehörigkeit und gesellschaftlichem Ansehen verbunden ist. Das Gefühl nicht mehr gebraucht zu werden kann zu tiefen Selbstzweifeln und zu tiefer Unsicherheit führen und unser Selbstwertgefühl schwer beeinträchtigen. Es fehlt die Tagesstruktur, das soziale Umfeld, das auf der Arbeit basierte, geht verloren. Es fehlen Verantwortung, Einfluss und äußere Anerkennung. Da ist plötzlich so viel Zeit, so viel nichts müssen, so viel Freiheit. 
 
Aber was damit anfangen? Wie die Zeit füllen? Wie die Zeit sinnvoll füllen?
Es muss sinnvoll sein, was wir tun, für die meisten Menschen ist das so. Unser Dasein, so haben wir es von Kindesbeinen an gelernt, muss einen Zweck haben und eine Funktion erfüllen. Nicht mehr gebraucht zu werden kann zum Gefühl der Sinn und Zwecklosigkeit der eigenen Existenz führen. Es kann zu Gefühlen der Leere und der Einsamkeit kommen. Halten diese Gefühle an, gleiten wir in eine Depression.
 
Anpassungsprobleme an neue Lebensumstände sind absolut normal. 
Wie etwas leben und gestalten, was wir noch nie gelebt haben? Damit kennen wir uns nicht aus. Wir müssen es erst lernen. Wir müssen lernen unsere Tage zu gestalten, ohne einer, von außen vorgegebenen, Struktur zu folgen. Wir müssen eigenverantwortlich werden, wir müssen gesunde Kompensationen für das Verlorene finden. Wir müssen Wege finden, das neue Leben so zu gestalten, dass sich Sinn und Zweck unserer Existenz wieder einstellen Wir müssen einen neuen Lebensstil kreieren und eine neue Identität entwickeln.
Keine leichte Aufgabe.
Vor allem, und das ist die schwerste Herausforderung: Wir müssen erkennen und verinnerlichen, dass unser Wert nicht nur von der Rolle abhängt, die wir im Leben und in den Augen anderer spielen. Wir sind mehr als Aufgaben oder Funktionen. Wir sind ein einzigartiger Mensch mit unseren eigenen Erfahrungen, Gedanken und Gefühlen.
 
Wer bin ich also, wenn ich nicht mehr gebraucht werde?
Eine Antwort kann lauten: Ich bin der oder die, die sich selbst braucht.
Es gibt viele Faktoren, die unsere persönliche Antwort beeinflussen, wie zum Beispiel unsere Biografie, unser Charakter, unser Wesen, unsere seelische Gesundheit, unsere Resilienz, die persönliche Lebenssituation, die finanzielle Lage, die sozialen Kontakte, die Qualität unserer Beziehungen, die Einstellung zum Leben selbst und wie die Bereitschaft aussieht Veränderungen anzunehmen und zu bewältigen.
Es kann hilfreich sein, sich auf persönliche Interessen, Hobbys, Leidenschaften, ein Ehrenamt oder unsere Beziehungen zu konzentrieren, um ein Gefühl von Sinn und Identität zu finden, unabhängig von äußeren Umständen und Erwartungen.
Es kann hilfreich sein, vollkommen neue Wege zu entdecken, um uns selbst neu zu definieren und weiter zu wachsen – zu unserem wahren Selbst, dass wir vielleicht niemals entwickeln konnten.
Wir müssen neue Strategien finden, weil die alten nicht mehr funktionieren. Das kann zu Unbehagen führen, denn wir Menschen sind Gewohnheitstiere und vor allem – wir wollen Unbehagen und Schmerz vermeiden. Der Versuch dem Unbehagen und dem Schmerz aus dem Weg zu gehen ist verständlich, aber an diesem Punkt ist es wichtig das Unbehagen zuzulassen, denn nichts verhindert Entwicklung so sehr wie Verdrängung und Widerstand. 
 
Neue Lebensumstände bergen die Chance, alte Gewohnheiten abzulegen und neue zu etablieren. In ihnen liegt eine Gelegenheit, aus unseren Erfahrungen zu lernen und uns weiterzuentwickeln. Wieder neu anzufangen bedeutet Neuland betreten, die weggebrochenen tragenden Säulen der Vergangenheit hinter sich zu lassen und neugierig in die Zukunft zu blicken.
Neugier statt Angst und Zweifel.
Loslassen lernen, statt festhalten wollen, was sich überlebt hat.
Abschied nehmen von einer Lebensphase und Begrüßung des Unbekannten.
Dieser Weg verläuft nicht immer geradlinig.
Rückschläge, Mutlosigkeit und Zweifel, Versuch und Scheitern, sind Teil des Prozesses. Der Schlüssel um diesen Prozess zu bewältigen liegt darin, mitfühlend und geduldig mit uns selbst zu sein und uns die Zeit zu nehmen, die wir brauchen, um uns anzupassen und zu wachsen.
Jeder noch so kleine Schritt, den wir machen, zählt.
Nicht zu viel wollen, zählt.
Uns realistische Ziele setzen und Fortschritte feiern, zählt.
Es kommt, wie immer im Leben, auf die Einstellung an, die wir haben und auch die ist veränderbar. 
 
 
„Setzen Sie sich ein paar Minuten lang ruhig hin und achten Sie darauf, wie Ihr Atem ein- und ausströmt. Denken Sie dann darüber nach, was Sie tun, wenn Sie unglücklich oder unzufrieden sind und sich besser fühlen möchten. Erstellen Sie sogar eine Liste, wenn Sie möchten. Dann fragen Sie sich: Funktioniert es? Hat es jemals funktioniert? Lindert es den Schmerz? Verschärft es den Schmerz?
Wenn Sie wirklich ehrlich sind, werden Sie einige ziemlich interessante Beobachtungen machen.“
 
 Pema Chödrön 
 
 
Angelika Wende
Kontakt: aw@wende-praxis.de

Dienstag, 25. Februar 2025

Innere Stabilität

 

                                                                                        Foto: A.Wende

 
Es gibt keine äußere Stabilität, die uns Sicherheit geben kann. Das zu glauben ist eine Illusion, die an der Härte der Realität zerschellt. Alles woran wir im Außen festhalten kann wegfallen oder zerbrechen. Das hat uns die Corona-Krise und die darauffolgenden Stapelkrisen gezeigt. Wir leben seit Jahren in einer Dauerkrise, die kein Ende findet.
In Krisenzeiten neigen wir Menschen zu verschiedenen Verhaltensweisen, Copingmechanismen und emotionalen Reaktionen. Wir verfallen in Angst, Hilflosigkeitsgefühle und Unsicherheit, was zu übermäßigen Sorgen und Grübeleien oder zur Lethargie führt. Oder wir ziehen uns zurück, sowohl sozial als auch emotional. Wieder andere neigen dazu, überzureagieren oder impulsiv zu handeln, was zu unüberlegten Entscheidungen und Konflikten in Beziehungen führt. Um mit der Unsicherheit umzugehen, versuchen die meisten von uns die Kontrolle über unser Leben zurückzugewinnen. Dies kann sich in einem übermäßigen Bedürfnis äußern entsprechende Informationen zu sammeln oder sich übermäßig mit Nachrichten und sozialen Medien zu beschäftigen, was zu einer Informationsüberflutung und zusätzlichem Stress führen kann. Andere neigen dazu, ihre Gefühle zu verdrängen oder zu betäuben, anstatt sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Verdrängung und Betäubung kann kurzfristig Erleichterung bringen, führt jedoch zu langfristigen emotionalen Problemen. Dies sind nur einige Reaktionen von vielen wie Menschen versuchen mit der äußeren Instabilität in Krisenzeiten klarzukommen. Die meisten davon sind nicht hilfreich.
 
Was in diesen Zeiten äußerer Instabilität zählt ist innere Stabilität.
Innere Stabilität ist ein kostbares Potenzial, das uns hilft, dem Chaos mit Gelassenheit und Resilienz zu begegnen. In Zeiten der Unsicherheit ist das Gefühl der inneren Stabilität ein Anker an dem wir uns festhalten können. Sind wir innerlich stabil, sind wir unabhängiger von äußeren Situationen. Wir verlassen uns auf unsere eigene Stärke, wir wissen um unsere Kraft, und können sie für uns nutzen. 
 
Innere Stabilität bedeutet, ein gewisses Maß an emotionaler und mentaler Balance zu bewahren, auch wenn die äußeren Umstände chaotisch sind. Sie ist das Ergebnis tiefer Selbstkenntnis und die Fähigkeit, uns selbst zu regulieren. Menschen, die innere Stabilität besitzen, sind in der Lage, ihre Gedanken und Gefühle zu beobachten, ohne von ihnen überwältigt zu werden. Das bedeutet nicht, dass wir nicht wütend oder traurig sind, wir wissen aber mit diesen Gefühlen umzugehen und verlieren uns nicht in ihnen oder reagieren mit unangemessenen Gefühlsausbrüchen. Es bedeutet auch nicht, dass wir uns immer stark fühlen. Stärke bedeutet auch, dass wir uns erlauben schwach sein zu dürfen, aber wissen, wie wir mit dieser Schwäche umgehen können. Wir wissen: Ich kann das aushalten und bewältigen.
 
Einer der wichtigsten Aspekte der inneren Stabilität ist die Akzeptanz dessen, was ist und dessen, was wir fühlen. Das heißt: Was ich fühle darf sein, ich erlaube mir genauso zu fühlen, wie ich mich fühle, jedes Gefühl, jeder Gedanke darf sein. Auf diese Weise sind wir offen für das, was ist und wie es ist und lernen zu akzeptieren was ist, um schließlich zu erfahren, dass wir stärker sind, als wir dachten.
Innere Stabilität beruht vor allem auf der Fähigkeit, im Moment zu leben. In Krisenzeiten neigen wir dazu, uns im Übermaß über die Zukunft zu sorgen oder nostalgisch in der Vergangenheit zu verweilen. Doch das Leben findet im Hier und Jetzt statt. Achtsamkeit und Meditation sind die tragende Basis um unseren Geist zu beruhigen und die Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment zu lenken. Indem wir uns auf das konzentrieren, was in unserem Einflussbereich liegt und die Dinge akzeptieren, die außerhalb unserer Kontrolle liegen, finden wir einen heilsamen Weg, mit Unsicherheit und äußerer Instabilität besser umzugehen.
Ein starkes Unterstützungssystem ist ebenfalls entscheidend für unsere innere Stabilität. In Krisenzeiten ist es wichtig, sich mit Menschen zu umgeben, die uns verstehen und unterstützen. Der Austausch unserer Gedanken und Gefühle kann entlastend wirken und uns helfen, neue Perspektiven zu gewinnen. Gemeinsame Erfahrungen, gelebte Verbundenheit und das Gefühl, nicht allein zu sein, stärken unser emotionales Wohlbefinden.
Es ist wichtig, in Krisenzeiten Mitgefühl mit uns selbst und anderen zu haben und gesunde Bewältigungsmechanismen zu entwickeln. Dabei spielt Selbstfürsorge eine zentrale Rolle. In chaotischen Zeiten neigen wir dazu, unsere eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen. Doch gerade jetzt ist es immens wichtig, gut auf uns selbst zu achten – durch gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und das Finden von Momenten der Stille, der Ruhe und der Entspannung. Indem wir uns um unser körperliches und emotionales Wohlbefinden kümmern, schaffen wir eine solide Grundlage für innere Stabilität.
 
Schließlich ist es hilfreich, eine Einstellung der Zuversicht zu bewahren. Jede Krise bietet die Chance für Wachstum und Veränderung
Indem wir die Herausforderungen als Lernmöglichkeiten betrachten, können wir unsere Resilienz stärken, neue Fähigkeiten und unsere Kreativität entwickeln. Eine zuversichtliche Perspektive hilft uns, die Kontrolle über unser Leben zurückzugewinnen und uns auf das zu konzentrieren, was wirklich zählt und was im Jetzt machbar ist. Gerade in Krisenzeiten stellen Menschen oft grundlegende Fragen über ihr Leben, ihre Werte und Prioritäten. Auch das kann zu persönlichem Wachstum und einer Neubewertung dessen führen, was wirklich wichtig ist.
Innere Stabilität ist kein Zustand, der von heute auf morgen erreicht wird. Es ist ein fortlaufender Prozess, der Geduld, Selbstreflexion und kontinuierliche Übung erfordert. Indem wir uns auf unsere innere Stärke besinnen und die entsprechenden Strategien anwenden und praktizieren, können wir lernen auch mitten im Chaos Ruhe zu bewahren.
 
 
Wenn Du Unterstützung möchtest, ich bin gerne für Dich da.

Kontakt: aw@wende-praxis.de

Montag, 24. Februar 2025

Fallen ist Teil unserer Reise

 


Leben, ein ständiger Tanz zwischen Höhen und Tiefen, ein Spiel von Licht und Schatten. Manchmal stolpern wir und fallen. Ein kleiner Ausrutscher, ein Missgeschick, ein schwerer Schicksalsschlag wirft uns aus der Bahn. In diesen Momenten fühlt es sich an, als würde die Welt um uns herum in tausend Stücke zerbrechen. Wir machen die Erfahrung der Bodenlosigkeit. Wir stecken im Dilemma. Die Fassungslosigkeit, der Schock, der Schmerz, die Enttäuschung, die Trauer, die Wut, die Angst – all das kann erdrückend sein. Wir liegen am Boden, umgeben von den Trümmern unserer Hoffnungen und Träume, und es scheint, als gäbe es keinen Ausweg. Doch wenn die Zweifel am lautesten schreien, beginnt ein leiser Funke in uns zu glühen. Es ist die Stimme der Erfahrung und des Mutes, die uns daran erinnert, dass jeder Fall auch eine Chance birgt. 

Fallen ist Teil unserer Reise.

Es gibt keine Sicherheit, es gibt keine Kontrollierbarkeit, keine dauerhafte Stabiltitä, keine festgefügte Identität. Es gibt das Dasein, das alles umfasst, vor allem den Wandel, die Brüche und die Vergänglichkeit.  Alles ändert sich, alles geht vorüber, alles vergeht, am Ende auch wir selbst. Besser wir akzeptieren das.

Ich bin oft gefallen und ich bin wieder aufgestanden. Aufstehen kann mühsam sein, es kann dauern. Wir lecken unsere Wunden und wollen nur eins: Endlich Ruhe, endlich Frieden, endlich kein Kämpfen mehr. Ja, es erfordert Mut, sich aufzurichten, die Wunden zu versorgen und den ersten Schritt in Ungewisse zu wagen. Aber genau in diesen Momenten des Wiederaufstehens entdecken wir unsere innere Stärke. Wir lernen, dass Fallen nicht das Ende ist, sondern ein Teil des Wachstums. Jeder Fall lehrt uns etwas – über uns selbst, über unsere Grenzen, das Leben selbst und über die Kraft, die in uns steckt und von der wir vielleicht nicht einmal wussten. Wieder aufstehen ist nicht nur ein physischer Akt. Es ist ein Zeichen des nicht Aufgebens, des Durchhaltens, des Glaubens an uns selbst und an Möglichkeiten.

Gottes Geschenk an uns sind Möglichkeiten.

Wir müssen uns ihrer nur gewahr werden.

Vertrauen auf das, was größer ist als wir.

Und an uns selbst glauben, egal ob es andere tun.

Wir fallen und wir stehen auf. Wir sind gewachsen, wir sind stärker und weiser als zuvor.

Das Leben wird uns weiterhin herausfordern, und es wird immer wieder Momente geben, in denen wir erneut fallen. Doch jetzt wissen wir, dass wir die Fähigkeit haben, wieder aufzustehen. Jeder Fall ist auch eine Lektion in Akzeptanz, dessen was ist. Und jeder Aufstieg ist ein kleiner Sieg. Tanzen wir weiter, mit all unseren Wunden und Siegen, wissend, dass das Leben nicht darin besteht, niemals zu fallen, sondern darin, immer wieder aufzustehen - mit einem Lächeln, das wir uns selbst schenken.

 

“The best way out is always through.”
― Robert Frost

Angelika Wende

www.wende-praxis.de

Kontakt: aw@wende-praxis.de

 

Donnerstag, 20. Februar 2025

Das Drama des begabten Menschen

 

                                                                  ART: Frank Widmann


 

 

Sie haben eine besondere Begabung, verfügen über außergewöhnliche Talente und Fähigkeiten, sie sind kreativ und haben eine hohe Intelligenz, die besten Karten für Erfolg, könnte man meinen. Die Realität sieht leider anders aus. Viele begabte Menschen haben es schwer. Eine besondere Begabung und ein hoher Intelligenzquotient sind kein Garant für ein erfolgreiches Leben und nicht wenige begabte Menschen scheitern.

 

In einer Welt, die Erfolg in messbaren Ergebnissen und Zahlen misst, sind hochbegabte Menschen häufig mit einer schmerzhaften Realität konfrontiert: Sie sind erfolglos, obwohl sie das Potenzial haben, Großes zu erreichen. Dieses Scheitern aber ist nicht das Ergebnis mangelnder Fähigkeiten oder Anstrengungen, sondern vielmehr das Produkt eines komplexen Geflechts aus inneren und äußeren Herausforderungen und Schwellenhütern. 

 

In ihrem Buch „Das Drama des begabten Kindes“ beschreibt Alice Miller die emotionalen und psychologischen Herausforderungen, mit denen hochbegabte Kinder konfrontiert sind.

Hochbegabte Kinder stehen häufig unter dem Druck die hohen Erwartungen der Eltern zu erfüllen. Die emotionalen Bedürfnisse dieser Kinder werden dabei oft übersehen oder nicht ernst genommen. Dies kann zu dem Gefühl führen, dass eigene Bedürfnisse und Wünsche nicht wichtig sind, was wiederum dazu führt, dass diese Kinder ihre eigene Identität nicht entwickeln können, weil sie sich anpassen, um den Erwartungen der Eltern oder der Lehrer gerecht zu werden. Sie lernen, ihre Gefühle und Bedürfnisse zu unterdrücken oder abzuspalten. Die Last unerfüllter Erwartungen liegt wie einen schwerer Rucksack auf dem Rücken – sowohl die ihrer eigenen als auch derjenigen, die von außen an sie herangetragen werden. Diese Erwartungen sind ein ständiger Druck, der sie dazu zwingt, immer besser und erfolgreicher zu sein. 

Doch was, wenn die Seele diesem Druck nicht standhalten kann?

Wenn die Angst vor dem Versagen lähmt und sie sich in einem ständigen Kampf zwischen ihren Gaben und den Anforderungen der äußeren Welt verlieren?
Dann wird innere Zerrissenheit ein ständiger Begleiter. 

 

Die meisten hochbegabten Menschen sind sich ihrer Talente bewusst, doch gleichzeitig plagz sie das zersetzende Gefühl, nicht gut genug zu sein. Sie sind voller Zweifel, ob sie wirklich das Zeug dazu haben, ihre Begabungen und Fähigkeiten zu entfalten und sich selbst und ihre Träume zu verwirklichen. Die innere Stimme, die sie ständig kritisiert und zur Perfektion antreibt, die die Messlatte so hoch hängt, dass sie nicht erreichbar ist, kann so laut werden, dass sie den Mut verlieren, Risiken einzugehen und den Weg zu beschreiten, den ihre Begabung ihnen zeigt. Manche von ihnen ziehen sich zurück, aus Angst, die eigenen Erwartungen nicht zu erfüllen oder die Erwartungen anderer zu enttäuschen. Manche haben das Gefühl, dass ihr Potenzial nicht erkannt, gesehen oder gewürdigt wird und geben jeden Versuch auf weiterzumachen. Sie resignieren und isolieren sich von der Welt. 


Isolation ist ein schmerzhaftes Kapitel in der Biografie hochbegabter Menschen. 

Oft fühlen sie sich von anderen entfremdet, es fällt ihnen schwer eine Verbindung zu denen herzustellen, die ihre Gedanken und Gefühle nicht nachvollziehen können. Bereits als Kind können sie sich nicht mit Gleichaltrigen identifizieren. Ihre besonderen Fähigkeiten und ihr kluger Verstand, können sie von anderen entfremden, was dazu führt, dass sie sich innerlich einsam fühlen. Diese innere Einsamkeit ist schmerzhaft und lähmend. Nicht wenige begabte Menschen ziehen sich aus Mangel an Resonanz in der äußeren Welt in ihre eigene Welt zurück und verlieren sich darin, so dass ihre Talente ungenutzt und ungesehen bleiben. 

Sie sehnen sich nach Verständnis, Austausch und Akzeptanz, doch die Kluft zwischen ihnen und anderen scheint unüberwindbar. 

Ihr Sosein bleibt ohne Antwort. Sie selbst allein. 

Und da sitzen sie, auf einer Kiste voll mit innerem Gold und verhungern, weil es für sie nicht nutzbar ist. 

Unsere gesellschaftlichen Normen zeichnen ein sehr enges Bild von Erfolg.

Zum einen wird Erfolg stark mit der Identität verknüpft. Wenn begabte Menschen keinen Erfolg haben, kann dies zu einer Identitätskrise führen, in der sie sich fragen, wer sie üerhaupt sind und welchen Wert sie haben. Zum anderen leben wir in einer Welt, die materiellen Erfolg, Statussymbole und Haben statt Sein glorifiziert. In dieser Welt fühlen sich hochbegabte Menschen wie Aliens. Ihre Talente und Fähigkeiten werden nicht immer in den Kontext gesetzt, in dem sie sich entfalten können. Oft überfordern sie andere, weil sie anders ist und damit sozial schwer oder nicht kompatibel.

 

Manche Begabte kämpfen lange gegen die Vorstellung an, dass Erfolg nur in bestimmten, messbaren Formen existiert, prallen aber an der Härte der Realität ab und verlieren irgendwann den Glauben an sich selbst. 

Statt Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung kommt es zu Entmutigung und Frustration. 

Zudem kann es zu Gefühlen von Schuld, Scham und Angst kommen. 

Schuld und Scham, weil sie unfähig sind etwas aus ihren Gaben zu machen und sich selbst dafür verurteilen, Angst, weil sie die eigenen Fähigkeiten nicht nutzen oder Angst komplett zu versagen. Diese Gefühle sind destruktiv und lähmend. Letztlich können sie dazu führen, dass diese Menschen Gelegenheiten und Chancen meiden oder sich nichts mehr zutrauen. 

Ihre Begabung liegt brach wie ein toter See auf dessen Grund die Depression wartet.

Ein Drama. 


Das Drama des begabten Kindes ist nicht nur ein ewiger Kampf gegen äußere Umstände und Schwellenhüter, sondern auch ein innerer Kampf um Identität, Selbstwert und Selbstakzeptanz. Es ist eine Reise, die oft von Schmerz, Enttäuschung, Trauer und dem ewigen Streben nach Anerkennung geprägt ist. Doch in diesem Drama liegt auch das Potenzial, die eigenen Talente zu leben und Erfolg neu zu definieren – nicht als das Erfüllen von Erwartungen oder materiellem Gewinn, sondern als das Streben nach persönlichem Wachstum und Erfüllung. Diese Sichtweise kann helfen das Gefühl des Scheiterns zu überwinden und ein erfülltes, sinnvolles Leben zu führen, unabhängig von äußeren Erfolgen und der Anerkennung anderer.

 

Angelika Wende

www.wende-praxis.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Mittwoch, 19. Februar 2025

Vielleicht

 

 
Zeichnung: A.Wende
 
 
Vielleicht werde ich nie eine Lösung für dieses eine Problem finden. 
Vielleicht wird es immer ein Teil von mir sein, eine Narbe, die ich trage. 
Ich habe gelernt, dass es in Ordnung ist, nicht alles zu lösen. 
Es ist in Ordnung, die Unvollkommenheit des Lebens zu akzeptieren und die Schönheit in den kleinen Momenten und Dingen zu finden. 
Und so sitze ich hier, an diesem frühen Morgen, und sage ja zu dem, was ist. 
Nicht aus Resignation, nicht aus Schwäche, sondern aus jener Stärke, die darin liegt, alle Gefühle zuzulassen und dem Wissen, dass eines Tages, vielleicht in einer anderen Form, Frieden einkehrt.

Sonntag, 16. Februar 2025

Romantisierung

 
Foto: A.Wende

 
Romantisierung ist ein faszinierendes Phänomen, es ist die Fähigkeit, das Alltägliche in etwas Besonderes zu verwandeln und das Gewöhnliche mit einem Hauch von Magie zu versehen. Wenn wir romantisieren, sehen wir die Dinge nicht wie sie sind, sondern, wie sie sein könnten – voller Möglichkeiten, voller Träume und Frieden.
 
Romantisierung hilft die Schönheit in den kleinen Dingen zu finden. Ich kann den Spaziergang im Park in ein Abenteuer der Entdeckungen verwandeln, indem ich die Farben der Blätter bewundere und die Geräusche der Natur tief in mich aufnehme. Das Lächeln eines Fremden kann mich an die Möglichkeit von Verbindungen erinnern, die über das Oberflächliche hinausgehen. Romantiserung liegt auch in der Art und Weise wie ich meine Räume dekoriere, einen Blumenstrauß arrangiere. Mit Bedacht, mit Liebe, Wertschätzung und Sinn für das Schöne. Oder ich lese ein Buch und verliere mich in den Geschichten der Charaktere, als wären sie Teil meines eigenen Lebens. Ich hole Erinnerungen an eine alte Liebe hervor und male sie mir schöner als sie eigentlich war um noch einmal das vergangene Glück zu spüren.
 
Kleine Fluchten aus der Realität, alles bis hin zu Sinnestäuschungen ist erlaubt. 
Im Raum der Romantisierung gibt es keine Objektivität, sondern eine reine Produktion von Subjektivität, ein Areal von schönen Träumen, die ich mir erschaffe um mich an der Härte der Realität nicht wund zu reiben. Hier wirkt, um es mit den Worten Goyas zu sagen: „Magische Wirklichkeit, in der alles möglich ist.“ Auch Befreiung, Freiheit und Vision. 
 
In der Romantisierung liegt eine tiefe Sehnsucht nach Verbindung, nach Bedeutung und nach der Fähigkeit, das Leben in seiner Fülle zu umarmen, die Welt mit offenen Augen und einem offenen Herzen zu betrachten, die Magie im Alltäglichen zu entdecken und die ungelebten Geschichten zu erzählen, die in mir schlummern. 
 
Aber das Leben ist keine romantische Erzählung. Ich weiß das. 
Und ich weiß auch Romantisierung hat ihre Schattenseiten. Manchmal neigen wir dazu, die Realität zu idealisieren und die Herausforderungen des Lebens zu ignorieren. Wir vergessen, dass hinter jeder schönen Geschichte auch Schmerz und Verlust stehen können. Es ist wichtig, die Balance zu finden – die Fähigkeit, das Leben in seiner Ganzheit zu akzeptieren, sowohl die Höhen als auch die Tiefen, das Gute und das Ungute, und dennoch die Schönheit zu erkennen, die in den kleinen Momenten liegt. 
 
 
"There is a Crack in Everything that's how the Light gets in ..."
Leonard Cohen

Freitag, 14. Februar 2025

Also sprach Zarathustra

 



Gestern mal wieder am Friedrich Nietzsches „Also sprach Zarathustra“ erinnert worden.
Fetter Schinken gedacht, und verdammt komplexes Werk und mich gefragt, ob ich verstanden habe, worum es Nietzsche damals ging. Der Übermensch, darum ging es.
Hört sich nach narzisstischen Grandiositätsfantasien an, ist aber so nicht gemeint.
Kurz: Nietzsche stellt den Übermenschen nicht als Größenwahnsinnigen dar, sondern als ein Individuum, das seine eigenen Werte schafft, ihnen folgt, sich über herkömmliche moralische Vorstellungen erhebt und seine Existenz aktiv gestaltet. Auch kurz: Der Übermensch symbolisiert das Streben nach Selbstverwirklichung, Individualismus, Selbstüberwindung und persönlichem Wachstum.
Zarathustra ist Nietzsches Aufforderung, das Leben so zu leben, dass wir bereit wären, es immer wieder zu erleben, ein Aufruf zur Affirmation des Lebens, trotz aller Herausforderungen und trotz allen Leidens. Er kritisiert die traditionelle Moral und die religiösen Werte, die seiner Meinung nach, das individuelle Potenzial einschränken. Er plädiert für eine Umwertung aller Werte, bei der der Mensch seine eigenen Lebensprinzipien entwickelt, anstatt vorgegebene Normen zu akzeptieren.
Insgesamt ist „Also sprach Zarathustra“ also ein Manifest für das individuelle Streben nach Wahrheit, Selbstverwirklichung und Lebensbejahung, eine Herausforderungen das kurze Dasein aktiv anzunehmen und sich von traditionellen Werten zu befreien, um ein authentisches, sinnerfülltes und gelingendes Leben zu führen. 
 
Ja, sein Zarathustra ermutigt zur Selbstreflexion und zur Überwindung der eigenen Grenzen. Zur Entwicklung und Erkenntnis des Selbst und der Fähigkeit, persönliche Herausforderungen zu meistern. Heute aktueller denn je oder so aktuell wie schon immer. Wenn ich so in die Dramaturgie der Tragikomödie unserer Zeit blicke – bis heute nichts draus geworden aus Nietzsches Übermenschen - wobei es allerdings jede Menge gibt, die sich als solcher gebärden, allerdings im malignen narzisstischen Sinne. 
 
Schade eigentlich, lieber Friedrich Nietzsche, wo Sie sich so viel Mühe gemacht haben den Menschen aufzurütteln. Machen übrigens auch viele andere große Geister seit ewigen Zeiten und auch im Jetzt, nutzt aber nichts, wie gesagt. Tja, der Weg zu Erkenntnis und Selbstwerdung ist nicht jedermanns Sache. Ist ja auch eine echte Herausforderung. Jedermann läuft vorzugsweise irgendwo mit, im Zweifel auf dem Holzweg, Konformismus statt Individualismus, Massenverblendung statt Erwachen und Erleuchtung, Untermensch statt Übermensch. Nur mal so laut gedachte Wortspielerei, ohne jemanden persönlich meinen oder angreifen zu wollen.
Irgendwie traurig das Ganze und ob das noch mal besser wird?
Im Moment sehe ich nur, es wird noch schlechter, bevor es vielleicht besser wird.
Aber wie heißt es so schön? Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Ob Nietzsche mit ihr gestorben ist oder an fortschreitender Hoffnungslosigkeit zugrunde ging, frage ich mich gerade.

Donnerstag, 13. Februar 2025

Aus der Praxis: Probleme und Lösungen

 


Meine Klientin leidet unter der Last eines Problems, das sie nicht lösen kann. „Es liegt wie ein Schatten über meinem Leben“, sagt sie. „Ständig kämpfe ich damit. Es fühlt sich an, als wäre ich in einem Labyrinth gefangen, ohne Aussicht auf einen Ausweg. „
Als ich sie frage, was das Problem ist, antwortet sie: „Das Problem ist nicht wirklich greifbar, nichts das ich konkret benennen oder in Worte fassen kann. Es ist ein Gefühl, ein tief verwurzelter Schmerz, eine leise Trauer, die ständig da ist. Das Gefühl der tiefen Enttäuschung, der Verlust von Träumen, die nie Wirklichkeit wurden. Ich erinnere mich an die Zeit, an denen ich voller Hoffnung war, an Pläne, die ich gemacht habe, und an die Menschen, die an meiner Seite waren. Doch jetzt steht mir all das nur noch als schmerzhafte Erinnerungen gegenüber, wie Mahnmale für das, was hätte sein können. Ich habe versucht Lösungen zu finden. Ich habe Bücher gelesen, meditiert und unzählige Stunden damit verbracht, eine mögliche Lösung zu finden. Aber nichts verändert sich. Je mehr ich suche, desto verlorener fühle ich mich. Es ist, als würde ich gegen einen unsichtbaren Feind kämpfen, der mir immer einen Schritt voraus ist. Die Frustration frisst an mir, und manchmal frage ich mich, ob ich nicht einfach aufgeben sollte. Aber Aufgeben ist keine Option. Es würde bedeuten, die Hoffnung aufzugeben, und das kann ich nicht. Vielleicht werde ich nie eine Lösung für dieses Problem finden.“ 
 
Ist es möglich?
Gibt es Probleme für die wir keine Lösung finden?
Die Frage, ob wir jedes Problem lösen können, ist komplex und hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Zum Beispiel ...
Von der Art des Problems: Einige Probleme sind logisch und können durch analytische Methoden gelöst werden. Andere Probleme sind emotional, psychisch, sozial oder ethisch und erfordern unterschiedliche Ansätze.
 
Um ein Problem zu lösen brauchen wir innere und äußere Ressourcen auf die wir zugreifen können. Die Verfügbarkeit von Ressourcen wie Zeit, Wissen, Geld und Unterstützung von anderen kann einen großen Einfluss darauf haben, ob ein Problem gelöst werden kann.
 
Einige Probleme sind extrem komplex und erfordern umfangreiche Erforschung, Zusammenarbeit und innovative Gedanken und Herangehensweisen, während andere einfacher zu lösen sind.
 
Manche Probleme sind rein subjektiv und hängen von unseren inneren Überzeugungen, Glaubensmustern, persönlichen Meinungen, Vorstellungen und Werten ab. In diesen Fällen gibt es möglicherweise keine "richtige" Lösung.
 
Manchmal gibt es unvorhersehbare Elemente oder unbewusste Überzeugungen, die so fest in uns verankert sind, dass sie die Lösung eines Problems erschweren oder unmöglich machen.
 
Manchmal sabotieren wir uns selbst: Selbstsabotage entsteht durch Selbstzweifel, mangelndes Selbstvertrauen, geringer Selbstwert, Selbstkritik, Ängste wie z.B. Angst vorm Scheitern und automatisierte unreflektierte Verhaltensmuster. Dazu gehören u.a. Prokrastination, Perfektionismus und geistige Starrheit, z.B. das Festhalten an der Überzeugung: "Das hat in der Vergangenheit auch funktioniert, das muss es auch jetzt." 
In diesen Fällen ist es wichtig, in uns selbst hineinzuhören und zu erforschen, welche Bedürfnisse der Selbstsabotage zugrunde liegen oder welche Bedürfnisse miteinander konkurrieren. 
 
Kognitive Dissonanz: Wir wissen eigentlich, dass wir besser A tun sollten und trotzdem machen wir immer weiter B. Obwohl wir emotionalen Schaden nehmen, wollen wir nicht loslassen. 
 
Erlernte Hilflosigkeit: Ist die Überzeugung nichts an den eigenen Lebensumständen ändern zu können und Opfer der Umstände zu sein. So kann es z.B. aufgrund wiederholter traumatischer Ereignisse zum Glauben kommen unangenehme oder problematische Situationen nicht vermeiden oder ändern zu können, obwohl dies rein objektiv betrachtet möglich wäre. Es ist die feste Überzeuung, nichts ausrichten zu können und das nicht nur in Situationen tatsächlicher Hilflosigkeit, sondern darüber hinaus. 
 
Manchmal arbeitet unser Ego derart gegen uns, dass es eine Lösung zwar versteht und als möglich anerkennt, aber partout nicht umsetzen will.
 
Manchmal liegt dem Problem ein schweres Trauma zugrunde, das verdrängt wird und nicht in unser Bewusstsein dringt. 
 
Insgesamt kann man sagen, dass viele Probleme gelöst werden können, aber nicht unbedingt alle. Es ist immer eine Frage der Perspektive, der Persönlichkeit, der Ressourcen und der individuellen Herangehensweise. Wenn wir ein Problem nicht lösen können, gibt es Strategien, die helfen können, damit umzugehen:
 
Erforschen, Identifizieren, Benennen und Akzeptanz: Um ein Problem zu lösen müssen wir es zunächst erforschen, identifiziere und benennen können. Wenn es identifiziert und benannt ist müssen wir es akzeptieren. Nur was wir akzeptieren können wir ändern. Manchmal ist es auch wichtig, zu akzeptieren, dass nicht alle Probleme sofort gelöst werden können. Akzeptanz kann helfen, Druck und Stress abzubauen und einen klareren Kopf zu bekommen.
 
Das Problem aufteilen: Wenn ein Problem zu groß oder komplex erscheint, können wir es in kleinere Teile aufteilen und uns darauf konzentrieren, die Teilprobleme nacheinander zu lösen.
 
Alternativen finden: Manchmal gibt es mehrere Wege, ein Problem zu betrachten oder anzugehen. Wir können verschiedene Ansätze erkunden und uns für unkonventionelle Lösungen öffnen.
 
Aus der Situation lernen: Selbst wenn wir ein Problem nicht sofort lösen können, können wir überlegen, was wir daraus lernen können. 
 
Selbstfürsorge: Wenn wir, wie meine Klientin, mit einem scheinbar unlösbaren Problem kämpfen, ist es wichtig auf unsere mentale und emotionale Gesundheit zu achten. Wenn ein Problem sehr belastend ist, ist es hilfreich, Pausen einzulegen, Entspannungstechniken anzuwenden oder wenn auch das nicht gelingt, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
 
Perspektivwechsel: Das Bedeutet, das Problem aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Oft kann eine neue Perspektive neue Lösungsansätze eröffnen. Gelingt uns das alleine nicht, können wir uns professionelle Unterstützung suchen, die uns dabei hilft die Perspektive zu wechseln. Oft kann ein unbeteiligter Blick von Fachleuten wertvolle Einsichten oder Lösungen anbieten, die wir nicht in Betracht gezogen haben. 
 
Es in Ordnung ist, nicht alles sofort lösen zu können.
Es ist in Ordnung, die Unvollkommenheit des Lebens zu akzeptieren. Es ist wichtig zu erkennen, dass es normal ist, auf Herausforderungen zu stoßen und dass nicht jede Situation und nicht jedes Problem sofort gelöst werden kann. Geduld mit uns selbst und die Bereitschaft, weiter nach Lösungen zu suchen, sind entscheidend.
 
 
Wenn Du in einem scheinbar unlösbaren Problem feststeckst unterstütze ich Dich gern bei der Lösungsfindung. In der Praxis in Wiesbaden oder Online.
Schreib mir dazu eine Mail unter: aw@wende-praxis.de
 
Angelika Wende

Dienstag, 11. Februar 2025

Es sagen

 

                                                   
                                              ART WORK: Volker Hildebrandt

 
Heute früh lese ich bei einer Influenzerin: „Meine Hauptsorge: Ich könnte ab 40 langsam unsichtbar werden. Ich habe allen, rationalen Beschwichtigungen zum Trotz, Sorge, dass mir bald niemand mehr zuhören könnte, weil ich nicht mehr "jung und knackig" bin.“
Das macht mich nachdenklich. Und es macht mich traurig. So jung und solche Ängste. Welch eine Abhängigkeit von der äußeren Hülle und Form. Zugleich kommt es mir bekannt vor. Lange Zeit habe ich Teile meiner Identität auch auf meinem Äußeren begründet. Ich habe sogar gute Jobs deswegen bekommen. Jetzt macht der Verfall seinen Job.
Macht er bei jedem von uns, beim einen mehr, beim anderen weniger. Beim einen schneller beim anderen langsamer.
 
Alt werden, alt sein, sich selbst dabei zusehen wie sich äußere Hülle und Form zunehmend verändern, sich damit abfinden, es akzeptieren, es mit Würde tragen, es vielleicht sogar auf andere Weise schön finden, hoffen, dass die Vergänglichkeit nicht noch mit schwerer Krankheit einher geht, mit den sich einstellenden Wehwechen umgehen lernen, wissen - das Meiste ist gelebt, der Rest ist Zuschlag und sich fragen, was ist jetzt zu tun, was es vorher nicht gab, was ist noch zu entfalten, was noch zu gestalten, was ist da an Potenzial, das noch in einem schlummert?, bevor es heißt: Abschied nehmen für immer. Oder einfach ausruhen vom langen Leben, die Langsamkeit entdecken, sich selbst SEIN lassen, in den Himmel blicken und danke sagen für all das, was war und nicht noch mehr Wollen. Nach Innen gehen und mit sich selbst in Frieden sein oder ihn anstreben.
Alt sein, eine Herausforderung, nicht für jeden vielleicht.
Für mich schon. 
 
Wenn ich heute in den Spiegel schaue und mich mit der Frau, die ich war, vergleiche, blickt mir ein verändertes Gesicht entgegen. Das stimmt mich melancholisch, ich würde lügen, würde ich sagen, es ist nicht so. Aber es blickt mir auch eine veränderte Identität entgegen. Ich habe mich verändert, innen und außen. As time goes bye wurde ich in Teilen eine andere. Äußere Form und Inneres haben sich verändert.
Werden und vergehen. Vergehen und Werden im Vergehen, anders werden, im besten Falle weise, gelassen und demütig, auch der Vergänglichkeit gegenüber. Im besten Falle das Leben lieben und sich selbst und das, was das Leben mit einem gemacht hat und man selbst mit dem Leben. 
 
Ich liebe das Leben trotz allem, trotz all der elenden Zeiten, die es auch gab. Habs immer geliebt und die Liebe geliebt. Ohne Liebe ist alles nichts.
Auch das kann sein, wenn man alt wird, ohne Liebe kann man sein. Zumindest ohne die Liebe eines oder einer Geliebten. Auch traurig. Altwerden ist auch traurig. Es dann wie Picasso machen, der sagte: „Wenn ich keine Menschen um mich hätte, würde ich einen Türknopf lieben oder einen Nachttopf, irgendwas.“
Gefällt mir der Satz. Mag ich, auch wenn ich Picasso nicht mag. Man muss nicht alles mögen, auch eine Erkenntnis des Alters und es sagen, was man mag und nicht mag, was man will und nicht will, woran man glaubt, wofür man steht.
Es sagen. 
 
Ich möchte der jungen Frau, die übrigens viel zu sagen hat, antworten: Nun bin ich weit über die 40 hinaus und längst nicht mehr jung und knackig. Und mir hören immer noch Menschen zu. Mach Dir keine Sorgen, wenn Du wirklich etwas zu sagen hast, findest Du Zuhörer, egal wie alt du bist.
 
 

Montag, 10. Februar 2025

"Sicherheit ist das Kennzeichen des Tölpels "

 

                                                                    Foto: A.Wende

 
Manche von uns meinen, dass wir immer alles wissen müssen und uns immer sicher sein müssen, was zu tun ist und immer gleich Antworten und Lösungen finden.
Zu wissen heißt auch, wir wissen um unsere Zerrissenheit, unsere Unsicherheit und die Zweifel, die in uns herrschen. Wir wissen um unsere Verhaltensweisen und um die Verhaltensoptionen, die uns zur Verfügung stehen, aber nicht immer wissen wir, was genau jetzt dran und hilfreich ist.
Wir müssen nicht meinen, in allem sicher zu sein.
Wir müssen auch Unsicherheit aushalten können. 
 
„Sicherheit ist das Kennzeichen des Tölpels“, schreibt der Schriftsteller Markus Werner.
 
Wer unsicher ist, wer zweifelt, gibt vor sich selbst zu: Ich weiß gerade nicht, was ich tun soll, was ich über diese Situation oder diesen Menschen denken soll, was ich gerade will und wieviel ich wagen kann, wie ich mein Leben neu gestalten will, was ich gerade mit dem, was das Leben mir vor die Füße wirft, anfangen soll.
Sich selbst zugestehen nicht zu wissen heißt wahrhaftig sein, sich selbst gegenüber.
Es ist Größe. Es ist Reife. Ein reifer Mensch weiß, es gibt nicht auf alles sofort Antworten und auf manches gibt es sie niemals. Er weiß, Unsicherheit und Zweifel gehören zum Leben.
Manches braucht Zeit, auch die Zeit des Zweifelns, der Unsicherheit und des Nichtwissens.
Dann, wenn eine Situation eintritt, die uns fremd ist und mit der wir noch keine Erfahrung haben. Dann sind wir nicht sicher was zu tun ist, was die richtige Handlung ist, was die richtige Haltung und die richtige Bewältigungsstrategie ist.
Wir wissen es „noch“ nicht und das ist okay.
 
Und weil wir das zugeben sind wir keine Tölpel, sondern ehrlich und zeigen Größe.
Wir gehen den Weg um ihn zu erfahren, mit unserer Unsicherheit und unseren Zweifeln, aber wissend – der Weg zeigt sich immer erst dann, wenn wir ihn gehen. 
 
„Ich bin mir in nichts sicher“, sagte C. G. Jung einmal.
Ein großer Mensch.

Samstag, 8. Februar 2025

Trost


 

Trost ist Teilnahme, Beistand, Besänftigung, Begleitung, Berührung, Beruhigung, Verständnis, tatkräftige Unterstützung, mitfühlende Zuwendung, Fürsorge, Mitgefühl, Ermutigung und Zuversicht in der Seelennot.
Trost ist die Erfahrung im Schmerz nicht allein zu sein.
Trost schenken uns Menschen, die die Fähigkeit haben einfach da zu sein, zuzuhören, sich in uns hineinzuversetzen, uns zu verstehen, uns keine Ratschläge um die Ohren hauen, was wir zu tun haben oder was wir nicht getan oder falsch haben, oder uns mit Sprüchen vertrösten wie: „Das wird schon wieder, nimm´s nicht so schwer!“, „Kopf hoch!“. und sich dann schnell wieder vom Acker machen, weil sie wahnsinnig Wichtiges zu tun haben. Auch der Satz: „Alles wird gut“, ist nicht hilfreich. 
Woher wollen wir das wissen? 
Wie können wir anderen Versprechen machen, die wir nicht sicher halten können?
Manchmal können sogar die Menschen, die uns sehr nahe stehen Trost nicht geben. Sie können nicht mitfühlen, was sie selbst nicht erfahren haben oder sie sind schlichtweg überfordert oder sie haben Angst, wenn sie einem leidenden Menschen zu nah kommen, Leid und Kummer könnten ansteckend sein. Manches ist so traurig oder furchtbar, dass Menschen nicht wissen, was sie sagen, geschweige denn tun sollen. Helfen wollen und nicht wissen wie – das sind Momente der Sprachlosigkeit und der Unsicherheit.
Entscheidend aber sind nicht Worte, sondern dass man füreinander da ist. 
 
Um Trauerarbeit zu leisten, braucht es Trost.
Wenn wir einen schweren Verlust erlitten haben, ist es essenziell, Menschen zu haben, die für uns da sind. Einfach da sein, mehr nicht, zuhören, die Hände halten, ohne dirigistisch eingreifen zu wollen. Trösten beinhaltet Verständnis, Empathie und Nähe.
Trost ist wichtig, um Mut zu schenken.
Trost ist kein Allheilmittel, dass alles wieder gut macht aber er ist ein Teil jeder Genesung. Spendet uns ein Mensch Trost fühlen wir uns gesehen und angenommen. Wir sind nicht allein. Das bedeutet viel. Trost kann Hoffnung spenden, wenn wir am Boden zerstört sind, aber nirgendwo lernen wir wie man sich selbst und andere tröstet. 
 
In Folge der zunehmenden Vereinzelung in unserer Gesellschaft, sind immer mehr Menschen auch in schmerzhaften Lebenssituationen auf sich selbst zurückgeworfen. 
Ich kenne viele dieser Menschen. Sie begegnen mir in der Praxis. Sie begegnen mir im Flur des kleinen Hinterhauses in dem ich lebe. Da ist der Nachbar, der jeden Morgen seine traurigen arabischen Lieder singt, da ist die alte Frau im Vorderhaus, die auf ihre Kinder wartet, die nicht kommen und ihre Sehnsucht mit What´s App Nachrichten beantworten. Sie begegnen mir auf der Bank in der Fußgängerzone wie die alte Dame, die mir unter Tränen erzählt, dass sie jeden Tag um die Mittagszeit auf dieser Bank sitzt, nur um Menschen zu sehen, weil sie die Einsamkeit in ihrer Wohnung nicht erträgt. 
 
Viele Menschen haben es nicht leicht, sogar schwer haben sie es, und ist da kein naher Mensch, dem sie sich anvertrauen können, wenn sie Trost brauchen, bleiben sie untröstlich. 
Sie versinken in ihrer traurigen Welt und niemand kümmert es. Sie verkümmern. Seltsamerweise taucht sogar in der Therapeutischen Literatur der Trost nicht auf und dabei ist er so wesentlich, denn Menschen brauchen Trost um zu genesen.
 
Was, wenn wir Trost suchen und da niemand ist, bei dem wir ihn finden?
Was können wir für uns selbst tun?
Was hilft, um uns zu besänftigen und uns selbst zu beruhigen? Welche Mittel haben wir zur Selbsttröstung?
Was sind unsere Trostquellen?
Für jeden von uns sind es andere. Gut sie zu kennen.
Es gibt Mittel und Wege die hilfreich sein können, wenn wir Trost brauchen. Das Wichtigste: Den Gefühlen Raum geben. Sie da sein lassen. Uns mit Selbstmitgefühl umfangen. Wenn wir traurig und untröstlich sind, hat es eine Berechtigung. Uns nicht drängen. Traurigkeit hat keine Regelzeit. Nichts wird besser, wenn wir uns zusammenreißen, aber es wird besser, wenn wir unsere Empathie auf uns selbst anwenden, durch tröstende, heilsame Selbstgespräche und indem wir, so gut es geht, auf uns selbst achten und für uns sorgen. Wenn da niemand ist, können wir lernen für uns selbst da zu sein – unser eigener bester Freund. 
 
Oftmals sind es die kleinen Dinge, die uns in dunklen Phasen trösten: Eine schöne Blume, ein Sonnenaufgang, die Wolken am Himmel, unser Lieblingslied, eine warme Suppe. Hilfreich ist es auch wenn wir immer wieder Ausnahmen zu dem finden, was uns emotional belastet. Spaziergänge in der Natur, Bewegung jeder Art, Gartenarbeit, Sauna, Schwimmen, ein warmes Bad, Tagebuch schreiben, Biografien von Menschen lesen, die Leid überwunden haben, Zeichnen, Malen, Fotografieren, Qi Gong, Yoga, Handarbeiten, Musik, Beten, Meditation, ein Besuch in der Kirche, ein Besuch im Museum, ein Haustier und nicht zuletzt alle Sinnesfreuden und das Schöne, das es trotz allem Kummer auch gibt und das wir bewusst wahrnehmen. All das sind Trostquellen, die unser Herz und unseren Blick auf etwas richten, was heilsam ist, uns emotional entlastet, uns erleichtert, den Kummer lindert, uns aus der seelischen Verhärtung löst, wärmt und befriedet, was uns quält. 
 
Trostquellen schenken uns Fülle, wenn wir im Zustand des Mangels sind.
Wir beschenken uns selbst mit dem, was unser Leben bereichert, wir wenden uns im aktiven Tun uns selbst zu, wir lassen uns berühren von dem, was unserer Seele und unserem Körper berührt. Wir trösten und beruhigen uns selbst. Wir finden langsam neue Zuversicht. Und wenn es nur ein Moment in der Zeit ist, in dem es uns gelingt uns selbst zu trösten, ist es immerhin dieser eine Moment, in dem wir gewahr werden, dass wir selbst viel mehr für uns tun können, als wir glaubten. Das verändert vieles. 
 
 
"Luft und Licht heilen, und Ruhe heilt, aber den besten Balsam spendet doch ein gütiges Herz."
Theodor Fontane
 
 
Angelika Wende