Mittwoch, 28. Juni 2023

Aus der Praxis: Drama ist Intensität und Abwehr


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Drama ist ein Schauspiel. Es hat seine Protagonisten. Es braucht dazu mindestens einen von uns, besser zwei. Monologe sind okay. Dialoge sind lebendiger, intensiver.

Drama ist Intensität. All die Dramen, die wir aufführen, sind Schauspiele, von denen wir glauben, sie sind Wirklichkeit. Sinn und Zweck dieser Dramen ist es uns selbst und anderen zu beweisen, dass wir im Recht sind. In jedem Drama, das wir inszenieren, haben wir die Opferrolle. Wir sind die Leidenden, die, denen schweres Unrecht getan wurde oder wird, die, die das Recht haben zu klagen und anzuklagen. Die, die niemals verstanden wurden oder verstanden werden, die, die nie geliebt wurden und niemals geliebt werden, die, die kein Glück haben und denen ein gelingendes Leben verwehrt wird. Wir sind die, die nicht bekommen, was sie wollen, die Traumatisierten, die Zurückgewiesenen, die Übriggebliebenen. Wir sind die Opfer, die den oder die Täter attackieren, ihnen die Schuld geben, Abbitte fordern oder zumindest absolutes Verständnis.  

Wir sind die Opfer. Und wir sind es auch. 

Das bedeutet aber nicht, dass wir es bleiben müssen.

 

Opfer zu sein hat Vorteile. Es rechtfertigt alles auszuspielen, egal wie destruktiv, wie unheilsam und zerstörerisch es ist. Wir wollen uns selbst und den Zuschauern der Inszenierung beweisen, dass man uns Unrecht getan hat.

 Die meisten Drama Queens und Kings benutzen Drama auf eine Weise, die das Erleben des Leben massiv zerstört. Drama zerstört unsere klare Sicht, es zerstört unsere Beziehungen, die zu uns selbst und die zu anderen. Die aristotelische Dramentheorie besagt, dass das Drama Schaudern und Jammern beim Publikum auslösen soll. Am Ende soll es zu einer Reinigung, der Katharsis kommen. Funktioniert, auf der Theaterbühne.

Bei den Dramen, die wir auf unserer Lebensbühne aufführen bleibt die Katharsis aber aus.

Und darum geht es hier auch nicht. Es geht vor allem um den Kick.

 

Drama hat Suchtpotenzial. Es sorgt dafür, dass wir förmlich mit Adrenalin und Endorphinen überflutet sind und das Gehirn wird, je öfter wir dramatisieren, nach diesem Kick süchtig. 

Wir kreieren Dramen weil unser Gehirn süchtig nach diesem Endorphin-Kick strebt. Zumindest können wir, auch wenn wir uns dessen bewusst sind, dass unsere Dramen und nur schaden, deshalb nicht einfach damit aufhören.

Die Dramen die wir inszenieren sind meist unfreiwillig.

Den Wenigsten von uns ist es nicht bewusst, was wir da wieder und wieder inszenieren. 

Wir agieren aus, was wir nicht anders ausagieren können, weil uns die Mittel fehlen um das, was wir beweisen, rechtfertigen, haben wollen, auf gesunde Weise angemessen auszudrücken und zu äußern. Weil wir nicht gelernt haben gesund damit umzugehen, weil wir uns nicht die Mühe machen, all den dunklen Kram, der  uns leiden macht anzuschauen und uns an die Arbeit machen, um zur Katharsis zu gelangen.

Gefangen im Drama fehlt das Bewusstsein über das, was wir da tun, weil uns das Programm nicht bewusst ist, was da automatisch abläuft. Es reißt uns mit sich, wir können uns selbst nicht stoppen, wir haben keine Handhabe um uns zu regulieren. Unser Bewusstsein wird überflutet von all den unbewussten Emotionen und Erfahrungen, die sich anders keinen Ausdruck verschaffen können. Und es besteht nicht die geringste Chance das Drama zu beenden bis es ausagiert ist. Danach fühlen wir uns erschöpft. Erst mal. Der Druck ist raus. Aber es dauert nicht allzu lange und wir fühlen uns so richtig mies. Wir sind aus der Endorphine Trance aufgewacht und dürfen uns den Scherbenhaufen auf der jeweiligen Bühne anschauen.

Vielleicht tut es uns leid, nutzt nichts, das nächste Drama kommt sicher.

Es gibt Menschen, die ihre Dramen ein Leben lang aufführen, manche sogar täglich in kleinen szenischen Sequenzen und meinen so sei ihr Leben.

Das geht soweit, dass sie ihr Leben als langweilig oder gar sinnlos empfinden, ohne Drama. Da fehlt die Intensität, wie gesagt, der Kick.

Nur dieser Kick kickt sie in Wahrheit raus aus dem, was ein heilsames Leben sein kann, nämlich unter anderem: Gestaltung im besten Sinne und nicht Destruktion. 

Aufgang und nicht wieder und wieder inszenierter Untergang.

Drama ist Abwehr. Abwehr von all dem, was wir nicht anschauen wollen, von all dem Kram, den wir verdrängt haben und all dem, was wir vermeiden aufzuarbeiten. Drama ist das, was wir inszenieren, wenn wir in Trance sind, während wir wach sind.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2 Kommentare:

  1. Fantastisch geschrieben liebe Angelika!!! Ihr bester Beitrag ever..Ich bin hin und weg. Sie sind eine Legende! Vor allem musste ich zwischen durch schmunzeln, weil ich mich in verschiedenen Situationen mich bilderhaft erkenne...Dramaquuen,.dass ist wirklich ein geborener Name für mich..Dann nichts wie ran an die Arbeit um den Namen endlich abzulegen..DANKE, S.U🦋

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  2. Der beste Text ever!!!! Danke Angelika🦋

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