Mittwoch, 15. Januar 2014

vertraut gewohnt


ich bin ein gewohnheitsmensch. als ich das jetzt so hinschreibe, denke ich – wirklich, bin ich das? ich bin doch ein sucher, immer auf dem weg, achtsam neues aufzunehmen, um entfaltung geht es mir, um wachstum, um ausschauen nach dem, was mich inspiriert und weiter bringt, mich und meine seele, dem plan, dem sie folgt. das ist doch etwas ganz anderes als gewohnheit. aber das eine schließt das andere nicht aus, sogar das suchen selbst, die bewegung, ist eine gewohnheit. ich habe mir das irgendwann angewöhnt, also ist es eine gewohnheit, die meinem charakter entspricht.

eine gewohnheit ist etwas vertrautes, etwas, das uns das gefühl innerer stabilität gibt. sie ist etwas vertrautes, dem wir vertrauen, eine säule unseres daseins, die uns sinn gibt, etwas, das zu uns gehört, unabdingbar. oft merken wir erst woran wir gewöhnt sind, wenn das gewohnte aus unserem leben verschwindet. das ist in höchstem maße irritierend. es fehlt etwas und wir spüren das, wir fühlen uns nicht wohl.

das leben ist veränderung, das weiß ich, wir alle wissen das. wer sich der veränderung nicht hingeben kann hat es schwer, festhalten kostet kraft und trotzdem halten wir fest, eben auch an gewohnheiten. es sind oft ganz kleine dinge, dinge wie der morgenkaffee, den wir trinken, während wir tagebuch schreiben oder die zeitung lesen, es ist der blick aus dem fenster in den morgenhimmel um zu sehen wie der neue tag anbricht. aber es sind genau diese kleinen dinge, die uns heimisch machen in unserem leben. wenn diese kleinen dinge fehlen, fehlt uns mehr als ein ding, dann fehlt uns innen etwas, und dieses fehlen fühlt sich an wie ein schwerer verlust.

jahrelang habe ich mein leben in einer wohnung verbracht, die mich am morgen mit ihrem hellem licht begrüßte. die fenster nahmen eine seite des raumes ein und waren fast deckenhoch. jeden morgen fiel mein blick fiel durch alte platanen in den himmel, der auch wenn er grau war, licht in meinen morgen brachte. er fehlt, dieser mein herz erhellende blick ins licht. was ich jetzt sehe, am morgen wenn ich aus dem fenster schaue, ist eine graue wand vor der ein hortensienbusch auf die zeit seines wiedererblühens wartet. genauso fühle ich mich, wie dieser hortensienbusch. wir haben uns angefreundet der vertrocknete busch und ich. das ist nur ein schwacher trost für das, was mir fehlt, aber immerhin ein trost.

mein leben hat sich verändert, der ort, den ich bewohnt habe, hat sich verändert und der neue heißt veränderung. am alten war kein bleiben mehr möglich und am neuen suche ich nach möglichkeiten um zu bleiben, denn am liebsten will ich zurück in mein heim. es drängt mich zurück in meine gewohnheiten, in meinen raum, den ich liebte und der meine gewohnheiten mit mir gelebt hat. ich habe heimweh, nach dem, was nicht mehr ist und sehnsucht nach dem, was noch nicht ist – ein ankommen dort wo ich längst bin, aber eben nicht angekommen. es ist schön hier, ich habe es mir schön gemacht, aber der blick, er fehlt und der raum, der mir vertraut war und mir schutz gab, weil er mir vertraut war, fehlt. ich fühle mich schutzlos im neuen, fremd im fremden, nicht geborgen und antastbar in einer weise, die ich mit worten nicht beschreiben kann. es fühlt sich an, als habe man mich ausgesetzt in einem niemandsland ohne kompaß und dem wissen – es gibt kein zurück.

ich muss mich neu orientieren, das ist das schwere bei veränderungen. die alten gewohnheiten greifen nicht mehr, wenn sich das außen drastisch verändert. meine seele hinkt auf dem kalten holzboden eines hundert jahre alten hauses dem gewohnten raum hinterher, sie ist verwirrt und vom kopf nicht zu beruhigen. ich werde immer unruhiger und will sie anhalten diese unruhe, die meine kreativität blockiert. es geht nicht, noch nicht und wann es geht, weiß ich nicht.

ich lausche den neuen geräuschen in der neuen umgebung, dem fremden klang der räume. ich versuche mich daran zu gewöhnen, dass der raum, den ich bespiele, mein lebensraum, um einiges kleiner geworden ist. ich zähle die schritte vom bett zum bad und bin erstaunt wie wenig es sind. meine gewohnheit den raum beim nachdenken abzugehen ist mit begrenzung konfrontiert. ich fühle mich eingeengt, das außen bedrängt das innere. ich möchte die wände auseinanderrücken um platz zu schaffen und belächle diesen unsinnigen gedanken. ich habe keine wahl, ich muss mich eingewöhnen. das ist es, was ich tun muss um den widerstand in mir zu brechen, der nur energie kostet.

aber das braucht zeit. zeit um das alte zu verabschieden mit der einsicht, dass es ein stück gewohnheit ist, die ich jetzt nicht mehr brauchen kann, wenn ich die veränderung zulassen will. das ist die herauforderung jeder veränderung – sie zulassen, sie bejahen und fest daran glauben, dass nur durch sie etwas neues in das leben eintritt. ich zünde kerzen an an diesem morgen. ich mache mir selbst das licht, das fehlt. ich blicke in den hellen schein der kerzen und sage ja, es geht vorbei dieses gefühl. es wird ein morgen kommen an dem der hortensienbusch blüht. ich werde ihm zunicken mit einem stummen:“du weißt, es ist immer das vergehen und das werden, denn das ist leben.“ 

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