Freitag, 25. August 2023

Aus der Praxis: Langeweile

 

                                                                 Foto: www

 
„Ich habe es mir doch anders vorgestellt. Es sollte anders sein als es ist. So wie es ist, ist es nicht gut, nicht richtig, nicht das Leben, das ich wollte. Ich sitze mutterseelallein hier. Niemand, der diese Langeweile vertreibt, die mich anfällt an diesen langen Abenden, an diesen langen Wochenenden mit mir allein. Ich hab keinen Bock mehr."
Diese Worte höre ich öfter in der Praxis. 
 
Langeweile, es geschieht nichts.
Zäh fließt die Zeit dahin. Die Uhr tickt und nicht geschieht. Der Blick auf das ereignislose Vergehen der Zeit macht müde, passiv. Noch mehr Langeweile. Zu nichts kannst du dich aufraffen, willst Dinge tun und kannst nicht, nichts, was dich inspiriert, nichts, was dich erfüllt, alles öde. Freude?, schon lange nicht mehr gespürt, geschweige denn das Gefühl von Lebendigkeit. Müde Langeweile, die in Überdruss mündet. Des Lebens überdrüssig, deiner selbst überdrüssig. 
 
Langeweile ist gnadenlos.
Sie zeigt, dass wir nichts mit uns selbst anfangen können. Dass es nichts gibt, was uns genug Sinn verleiht, um aktiv zu werden. Wir sind nicht in der Lage, uns um die Teile unseres Selbst zu kümmern, die genährt werden möchten. Eine tiefe Verbindung mit uns selbst fehlt.
Manchmal setzt diese Langeweile ein wenn wir um einen Verlust trauern ein. Leiser schon, breiter schon ist der Schmerz, wenn wir in die erdrückende Leere des Raumes blicken, wo zuvor ein anderes Leben war, mit uns, in diesem Raum. Und der Raum war weit. In der Langeweile wird der Raum eng, wir werden eng, Innen, und still. Stille. Stille ist gut. Zu viel Stille ist nicht gut.
Zu viel Stille – die Abwesenheit von Lebendigkeit, die wir allein mit uns selbst nicht spüren.
 
Langeweile ist nicht Müßiggang, der uns Ruhe, Entspannung und inneren Frieden schenkt. Langeweile gleicht vielmehr dem Untergang in unheilsames Nichtstun.
Wir werden gleichgültig. Nicht im Sinn von: alles ist gleich gültig, im Sinne von: Nicht mehr betroffen, nicht mehr bewegt, nicht mehr berührt sein, von nichts mehr, nicht einmal mehr von uns selbst.
Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit, Trägheit, Schläfrigkeit, Starre, Unzufriedenheit, Nörgeln, emotionaler Stress, sind die Begleiter der Langeweile. Kein Wozu, kein Wofür ist attraktiv genug uns aufzuwecken aus der müden Langeweile.
Was soll´s, eh alles egal. Nichts mehr von Relevanz.
Was ich will, bekomme ich nicht, also will ich nichts mehr, meldet sich der Trotz unseres inneren Kindes, das geliebt, gesehen, umsorgt werden will.
Spielen? Mit wem? Keiner da.
Spielen allein? Langweilig.
Kein Bock mehr, kein Bock auf Nichts.
 
Langeweile schreit: Verändere etwas!
Tun wir das nicht, kann sie im Bore-out, in Süchten und in der Depression enden.

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