Montag, 28. August 2023

Aus der Praxis: Du wirst da rauskommen

 

                                                              Foto: A.Wende


Der Weg aus der Co-abhängigkeit ist alles andere als einfach. Wenn die Trennung vollzogen ist, kommt eine weitere Herausforderung. Der Mittelpunkt um den sich das eigene Dasein gedreht hat existiert nicht mehr. Es ist so, als hättest du den Entschluss gefasst nicht mehr zu trinken und jetzt weißt du nicht, was du mit der Leerstelle in deinem Leben anfangen sollst, weil dein Suchtmittel fehlt.
Du bist auf Entzug.
Der Gedanke, endlich hat das Drama ein Ende, mag dich Erleichterung erfassen und Stolz, dass du diese Entscheidung endlich getroffen hast. Dein Kopf hat erkannt, dass du deine Energie in Vergeblichkeit gesteckt hast, dass du deine Träume in ein totes Meer geworfen hast. Dein Kopf hat erkannt, dass der andere dir nicht gibt, was du dir wünscht, dass der andere nicht bereit ist an sich selbst und an der Beziehung zu arbeiten, sondern seine Muster immer weiter lebt mit einem: Du musst dich ändern!
Du hast an dir selbst gearbeitet in der Hoffnung, wenn du dich änderst, ändert sich auch der andere. Du hast deine Baustellen bearbeitet und der andere hat nichts erkannt und nichts bearbeitet. Du hast schließlich begriffen, dass die Beziehung dir schadet, emotional, seelisch, geistig und körperlich.
Du hast begriffen, dass euer Drama keine Katharsis hat, sondern unaufhaltsam in die Zerstörung driftet. Du hast entschieden, dass du jetzt alleine weitergehen musst um nicht zu zerbrechen und das Drama für dich beendet.
Und jetzt wird alles besser, denkst du. Du bist frei, denkst du.
Du bist es nicht. 
 
Wenn die Trennung vollzogen ist, kommt eine weitere Herausforderung.
Da wo es intensiv, aufregend, anstrengend, erfüllend, lustvoll, leidenschaftlich und schmerzhaft war, ist jetzt nichts.
Nichts, nur das große schwarze Loch voll mit Trauer, Verzweiflung, Wut, Angst und Schmerz.
Voll mit Fassungslosigkeit, wie du dich so hast selbst aufgeben können. Voller Enttäuschung, dass der andere deine Liebe und alles, was du ihm geschenkt hast, nicht nehmen konnte und schon gar nicht zurückgeben. Voller Entsetzen, dass deine anfangs so schöne Liebe, dieser wunderbare Mensch nicht dein Mensch war, dass du die Täuschung nicht durchschaut hast und als du sie durchschaut hast, nichts in deiner Macht lag, um den wunderbaren Menschen eures Anfangs aus der Vergangenheit in dein Jetzt zu holen.
Das hast du lange nicht begriffen und dir selbst immer wieder Sand in die Augen gestreut, um blind vor Liebe, gefangen in Abhängigkeit, dein Scheitern nicht ertragen zu müssen, den Menschen, der einst so wunderbar war, nicht loslassen zu müssen.
Es ist doch mein Seelenpartner!, gefühlt und Nächte durchgeheult und gelitten wie ein Hund, weil er es doch nicht ist und du es doch geglaubt hast. Bis zum bitteren Ende hast du es geglaubt und auf das Wunder gehofft, dass niemals kam.
Fassungslos bleibst du zurück und diese Fassungslosigkeit fühlt sich an wie etwas, das du kennst, etwas das genauso alt ist wie du.
Das kann nicht sein!
Es kann nicht sein, dass du Liebe gibst, der Liebe Willen alles von dir gibst, dich selbst gibst, bis nichts mehr von dir übrig ist. Es kann nicht sein, dass du um Liebe bettelst, sie auf dem Silbertablett hinhälst: „Schau her was ich für dich tue, du musst mich doch lieben!“ und man gegen das Tablett tritt, dass es dir krachend um die Ohren fliegt.
Es kann nicht sein, dass du dich verbiegst, alles erträgst, alles verzeihst. Es kann nicht sein, dass deine Liebe genommen wird und dann in die Abstellkammer verbannt, bis man sie wiederhaben will.
Wieder einmal. Du kennst es schon.
Du hast weder Silent Treatment, noch Schuldumkehr, noch Abwertung, noch Bestrafung, noch Lüge und Betrug, als das erkannt, was sie waren, sondern dir alles irgendwie schöngeredet und ausgeblendet um deinen Seelenpartner nicht zu verlieren und das, was er und euer Leben hätte sein können.
War aber nicht. Weil es nicht sein konnte.
Und jetzt?
 
Alles was dich angetrieben hat, was dich beschäftigt, was dein Sinn war, dein Universum, dein Leben war und ausmachte, ist fort. Du allein bist übrig und du hast erst mal nur dich selbst.
Du, dieses Häufchen Elend, das nicht einmal mehr weiß, wer oder was es ist, das sich sucht und nicht mehr findet, das sich verloren hat auf der zermürbenden Reise ins vermeintliche Glück.
Du bist rotzunglücklich. Es fühlt sich an als müssest du sterben und es gibt Momente da wärst du lieber tot, als das was jetzt ist, aushalten zu müssen.
Weil der Schmerz unbeschreiblich ist, weißt du gar nicht wie ihn fassen. Du suchst nach Worten und findest sie nicht und Trost findest du schon gar nicht, denn das, was du bist, ist untröstlich.
Willst nicht mehr leben, weil es so weh tut. Willst SO nicht mehr leben.
Du hast dein Liebstes verloren, dein Leben!, schreit dein Herz, denn das fühlt überhaupt nicht, was dein Verstand sagt: Hör auf damit, es war keine Liebe es war Abhängigkeit. 
Wenn es weh tut ist es keine Liebe!
 
Für dich war es Liebe und du hast alles dafür getan sie nicht zu verlieren, zu viel von Allem.
Wenn schon du so viel Lebenskraft hineingegeben hast, willst du sicher sein, dass das Objekt deiner Investition für immer dir gehört. Dabei hast du vergessen, dass dir nichts und niemand gehört und nichts für immer ist.
Aber man hat dir doch gesagt: „Für immer und immer."
Du hast es doch gehört. Und du hast es geglaubt. Weil du es glauben wolltest.
Tief drinnen hast du gespürt, dass es so nicht sein wird. Es weiter geglaubt, gegen dein Spüren und fällst jetzt aus allen Wolken, wenn das Geglaubte sich als Illusion erweist.
Selbstbetrug!
Du hast dich selbst betrogen und das ist das Schlimmste.
Davon erholst du dich noch schwerer als vom Verlust deiner Liebe. Selbstbetrug!
Davon erholst du dich noch schwerer als vom Verlust deiner Liebe, weil du doch weißt, dass du dir nur selbst vertrauen kannst und dann die Wahrheit: Ich mir also auch nicht.
Du sinkst tief in Scham, in Selbstvorwurf, in Selbstvernichtung. Sinkst tief und tiefer in den Schmerz des Betrogenen, dessen Betrüger du selbst bist. Du sitzt in der Hölle und es brennt im ganzen Körper und der Schmerz ist unerträglich.
Du weißt es geht jetzt ums Aushalten, nur ums Aushalten. Es kostet dich all deine Kraft. Für nichts anderes ist da mehr Kraft.
Aushalten, bis du die Hölle wieder verlassen kannst, durch welche Tür auch immer.
Du wirst da rauskommen.
Vertrau dir jetzt!
Es gibt diese Tür.
Wenn Du sie alleine nicht findest, such dir Hilfe.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen