Donnerstag, 9. Januar 2020

Solve et coagula - Die Chance in der Krise

Foto: Angelika Wende

„Solve et coagula“ ist ein Leitsatz aus der Alchemie. Er bedeutet: Löse, lass los, binde wieder, forme Neues. Dieser alchimistische Prozess der Transformation geht nicht ohne krisenhafte Phasen vor sich, in denen sich der Schüler neben zahlreichen Herausforderungen auch seinen Schattenseiten stellen muss. Am Ende aber wird er das „Gold“ finden, das Aurum, welches symbolisch für Erkenntnis und Selbstwerdung steht. Insofern gilt ganz im Sinne Hölderlins:„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“

Im Chinesischen werden abstrakte Begriffe oft aus zwei Wörtern und damit zwei Schriftzeichen zusammengesetzt. So wird Krise wird mit weiji = Gefahr übersetzt, Chance mit jihui = Gelegenheit . So ist in weiji die Bedrohung, aber auch das Element der Wende zum Besseren hin enthalten.
Auch das griechische Wort "krisis" bezeichnet nicht allein eine hoffnungslose Situation, sondern den Höhe- oder Wendepunkt einer gefährlichen Situation, von wo aus es besser werden kann.

Wir fürchten Krisen. Krisen machen uns Angst, sie erschüttern unsere Bodenhaftung, wir haben Angst ins Bodenlose zu fallen. Die Krise unterbricht unseren gewohnten Lebensfluss – sie erschüttert uns, sie fordert uns heraus, überfordert uns, sie stellt uns vor das Unbekannte und wir meinen keine Lösung zu haben.  

Es fällt uns schwer Krisen als Chance zu begreifen. Krisen machen Angst. Das ist ganz natürlich. Aber Angst ist ein schlechter Berater. In der Krise neigen wir aus Angst zu den typischen Angstreflexen: Kampf, Flucht oder Totstellen. Keiner davon ist hilfreich.
Sicher dürfen wir kämpfen um aus der Krise herauszufinden, jedoch wie ein weiser Krieger: ruhig, überlegt, bewusst und gezielt. Flüchten bringt uns nicht weiter, denn die Krise verfolgt uns so lange, bis wir uns ihr stellen. Auch Totstellen, den Kopf in den Sand stecken, bringt keine Lösung.
Die Krise schert das nicht, sie weiß wo wir stecken. Sie breitet sich aus, sie überrollt uns und wir haben nicht mehr die geringste Kontrolle über das Außen – wir agieren nicht mehr, wir reagieren nur noch. Wir sind ohnmächtig und damit hilfloser Spielball der Ereignisse.

Wer sich freiwillig der Krise stellt, trotz und mit der Angst, hat gute Aussichten, Kräfte freizusetzen, die ihm langfristig wirkmächtige Energien zur Verfügung stellen werden um die Krise zu überstehen und ihre Chance zu nutzen, ihr Gold zu entdecken und es ans Licht zu bringen.
Aber was bitte soll das Gold denn sein?

Es ist Wachstum. Inneres Wachstum.
Und wo inneres Wachstum ist, kann auch Äußeres wachsen.


Was können wir also tun, um die Krise willkommen zu heißen?
Wir können Ja sagen, ihr Einlass gewähren.
Wir können Ja sagen zu ihren reinigenden Kräften.
Wir können Ja sagen zu den kreative Potenzialen, die die Krise freisetzen kann.
Wir können Ja sagen zur Chance, die die Krise birgt.
Wir können akzeptieren was ist.
Akzeptanz ist die Haltung, die uns rettet, wenn wir in der Krise stecken, denn nur wenn wir den Kampf gegen das, was ist aufgeben werden Energien frei um das was ist, zu lösen.

Wenn wir das tun, erkennen wir an: Die Krise ist da um uns zum Wachsen zu bringen, über uns selbst hinaus, über den hinaus, für den wir uns halten und der wir glauben zu sein.
Unsere Lebensumstände, unsere Beziehungen, unsere Finanzen, unsere inneren und äußeren Ressourcen, unsere Träume und Lebensvisionen, unser aufgeblähtes Ego, unser Starrsinn, unser unreifes pubertäres Verhalten, unser Selbstbild werden in der Krise gründlich überprüft und in Frage gestellt. Destruktive Gewohnheiten, die sich über Jahrzehnte gebildet haben, werden hinterfragt.

Wir sind aufgerufen, das zu verändern was schon lange im Argen liegt, was nicht mehr trägt und wir dürfen auszusortieren, was nicht mehr passend ist für unser Jetzt. „Solve et coagula“ – wir sind aufgerufen zu lösen, loszulassen, wieder zu binden und Neues zu formen, wie der Alchimist, um ein neues tragfähiges Lebenskonzept zu entwickeln.






„The world is going to give you beauty, but it will also give you pain.The greatest lesson you will ever learn, is that this too is a gift. It is all I have lost that has set me free.“

Bianca Sparacino


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