Sonntag, 17. Februar 2019

Die selbstzerstörerische Trauer des Narziss



Foto: A.W.

Trauer, das Tor in den Bereich des Schmerzes, der Angst, der Wut, der Ohnmacht.
Untröstliche Traurigkeit als Prädisposition zur Verzweiflung.

Traurigkeit, die psychische Repräsentation eines erlittenen Verlustes.
Traurigkeit, die Antwort auf einen Auslöser.
Der Rhythmus des Lebens bricht zusammen.

Der an seinem Schmerz Leidende verlangsamt im Handeln, im Denken. Das Schweigen ist lang. Stillstand ob des Bruches, der das Gestern vom Heute mit einem radikalen Schnitt trennt.
Apathie.
Leere.
Ist der Sinn durch den Verlust gebrochen ist das Leben in Gefahr.

Das notwendige Objekt ist verloren.
Das Ich hat überlebt. Zerfällt in Stücke. Fragmeniert.
Verlassen, aber nicht getrennt von dem, der es noch immer nährt.
Das Ich nimmt es, um es nicht zu verlieren, in sich auf.
Macht sich zu Eigen, was nicht Eigenes ist.
Dementiert so den Verlust.
Untröstbar verschmolzen in Zweisamkeit mit dem, was nicht mehr ist, gleitet es in Schwermut.

Es gelingt nicht Trennung zu erzeugen.
Ohnmacht.
Zusammenbruch.
Depressive Verleugung.
Lebensverneinende Depression.
Das Ich löst sich auf.
Beleidigt vom Tod des Objektes, muss es sich in seiner Wut auf das Verlassenwordensein selbst zerstören.




3 Kommentare:

  1. Wie wunderbar Du es beschreiben und ausdrücken kannst. Ist es nur der Narziss, dem so geschieht? Oder gehört dieses Erleben in jegliche Trauer und ihre Phasen, individuell von unterschiedlicher Dauer und Intensität aber eben doch in jeden Abschied, wenn man loslassen und hergeben muss, was von besonderer Bedeutung war, ob nun ein geliebter Mensch oder z.B. eine berufliche Aufgabe. Alles braucht seine Zeit auch die Verarbeitung eines Verlustes.
    Selbstzerstörung findet nicht zwangläufig statt aber (teilweise) Sinnentleerung, Schwermut, Verzweiflung können sehr wohl auch längerfristig einschneidend sein und an Grenzen des Aushaltbaren führen, ein Preis, der mit eigener Gesundheit zu begleichen ist, kann fällig werden, wenn in jeder kleinsten Zelle die Information ankommt: nicht zu genügen, nix ändern zu können, nicht der/die Richtige zu sein.
    Wird Narziss dieser Gefahr nicht mit Sicherung/Wahl eines neuen Objektes zu entgehen wissen bzw. wird Narziss nicht überhaupt möglichst mehrere Eisen gleichzeitig im Feuer halten, damit Sein ICH nicht ertrinkt oder zu zerfallen droht. Wie nah geht ihm wirklich ein Verlust?

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  2. Danke für den Text.
    Ich habe den Tod von Angehörigen jedesmal anders erlebt. Die Trauer war auch jedesmal unterschiedlich stark. Mal fühlte ich mich durch das Lebensende eines anderen mehr verbunden, ein andermal durch den Tod völlig getrennt, so wie abgeschnitten. Jedesmal jedoch empfand ich den Tod als ungerecht und etwas, was ich emotional nie in seiner Gänze zu verstehen in der Lage war. Intellektuell ist mir klar, dass der Tod zum Leben gehören muss und seine Existens begründet ist.
    Meinen Bruder verlor ich, noch ungeboren, im Mutterleib und daran habe ich keine bewusste Erinnerung. Allerdings konnte ich, nachdem ich dies erfuhr, vieles besser an mir verstehen, was zuvor einfach nicht zu therapieren möglich war und viel zu lange eine unerklärliche Abweichung von "normalen" Konditionierung sowie erdrückend und stark wirkend als sehr subtil spürbare Hintergrundstimmung auf mir lastete. Nach dem Wissen über diesen sehr frühen "Verlust" war es wesentlich leichter damit umzugehen und manche trennende und unangenehme Gefühle verschwanden.

    Mich würde interessieren, wo die Grenzen liegen, wie man sie für sich definieren kann, zwischen einer krankmachenden Trauer und einer, die im Leben einfach unvermeidbar ist. Nicht jeder Mensch ist im Kontakt ersetzbar. Es gibt schon Menschen, die einem näher sind und mit denen man auf eine tiefe, verständnisvolle Weise verbunden ist, und diese Bindungen sind nicht einfach austauschbar.

    Auch trauert nicht jeder mustergültig nach lehrbuchartigen Vorgaben, sowohl im krankhaften Sinne als auch nach Beschreibung der phasenweisen Trauer. Wann sollte man also hellhörig werden? Anfänglicher sozialer Rückzug halte ich persönlich noch nicht für pathologisch. Vielen Dank für das Teilen Ihrer Ansichten und die Aspekte zu diesem interessanten Thema.

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  3. Eine Trauer, die krankhaft ist, bleibt in einer Trauerphase stecken. Daran erkenn wir sie. Schauen Sie sich die Trauerphasen von Vera Kast an, wenn Sie mögen.

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