Samstag, 1. August 2015

Vom Leid des Anhaftens


nichts, aber auch nichts, ist es wert sich selbst zu verleugnen, nichts, von dem, was wir glauben zu brauchen. nichts, aber auch nichts, rechtfertigt den selbstverrat an unserer seele.
dieser satz kam mir heute früh, als ich meine morgenseiten schrieb.
ein satz, der uns allen nicht neues ist, auch mir nicht. aber ein nutzloser satz für viele menschen, denn, obwohl sie das ganz tief drinnen wissen, danach handeln ist schwer.

ich erlebe jeden tag leid. meine arbeit hat mit leid zu tun, mal mehr mal weniger schwer, wobei ich mich hüte zu beurteilen, was mehr und was weniger ist schwer ist. manche menschen leiden unter dingen, die für andere kein problem sind und manche menschen haben schwerwiegende probleme und leiden weniger darunter. leid ist nicht messbar, und auch nicht verhinderbar, aber in all den jahren meiner arbeit mit menschen (dazu gehört auch auch die arbeit an mir selbst), kann ich sagen - viel leid schaffen wir uns selbst.

es ist unvorstellbar was menschen sich alles selbst antun, und das, wider besseres wissen.
unsere seele weiß genau, was wir brauchen und was uns schadet, aber kaum ein mensch lebt danach. die facebookseiten sind voll von hilfreichen lebensweisheiten für die seele, die täglich gepostet werden. mittlerweile braucht man die auch nicht mehr selbst in den status einzutippen, es gibt sie auf bunten bildchen, auf schwarzem oder auf weißem grund. sie lassen sich per copy and paste ganz einfach in knapp einer sekunde in den status kopieren. schwups steht die weisheit da und die nächste folgt auf dem fuße. schwups, und die vorher gepostete ist schon vergessen. zack, zack, zack, so geht das, schnell, mühelos und ohne selbst etwas tun zu müssen, denn zeit ist kostbar und weiter gehts mit dem, was man eigentlich zu tun hat, arbeiten zum beispiel. die lebensweisheit fällt in sekundenschnelle der vergänglichkeit der achtsamen wahrnehmung anheim. na ja, hauptsache ich habs mal gepostet auf meiner timeline und damit ausgedrückt, was ich wirklich fühle, was ich wirklich will oder wonach ich mich sehne oder was mein tiefstes bedürfnis ist und gut ists.

hm, ich frage mich, wozu ist das gut? wozu ist das gut, wenn da täglich die immer gleichen dinge stehen und wozu ist das gut, das immer gleiche in minimalen varaitionen wieder zu posten?

weil das posten die handlung simuliert und weil es so leicht ist, etwas zu posten, viel leichter als die eigenen gedanken und gefühle dahin zu tippen. und wozu ist es noch gut? wenns von anderen, meistens bekannten und gescheiten leuten kommt, denen man einfach glauben muss, weil sie sicher gescheiter sind als man selbst, kann sich der poster sicher fühlen mit dem, was er postet. wozu ist es noch gut? wenn man das mal so hin postet, muss man ja nicht gleich machen, was da steht. oh ja, lebensweisheiten und kluge sprüche gescheiter menschen gibt es wie sand am meer und die beliebtesten sind die, die uns aus der seele sprechen. wie schön, dann müssen wir nicht selbst für unsere seele sprechen. das fatale dabei ist - wir werden immer abhängiger vom vorgekauten und immer mehr zum wiederkäuer, der den ganzen infowust unverdaut in sich aufnimmt. dabei bleibt es dann auch bis wir vielleicht eines tages platzen vor lauter unverdautem, das explosive gase im innersten bildet. nichts gegen lebensweisheiten, ich stehe drauf und poste sie hin und wieder auch gerne, aber nur dann, wenn mir selbst in der sache nichts einfällt, was wahrer oder eindringlicher formuliert sein könnte.

aber, allen fremden, uns zu eigen gemachten lebensweisheiten zum trotz: unsere seele spricht aus uns zu uns. und damit bin ich wieder beim anfang, sorry für den den kleinen ausflug, es kam gerade so über mich.

was ich sagen will - meine erfahrung ist: das meiste leid ensteht durch anhaftung. anhaften an etwas,  an einen glaubenssatz, an überzeugungen und an menschen. letzteres hat viel damit zu tun, welchen glaubenssätzen wir anhaften, zum beispiel dieserm ich brauche jemanden, der mich hält, sonst schaffe ich das alles nicht. so halten sich menschen an menschen um sich nicht alleine halten zu müssen und viele halten in beziehungen aus, die sie letztlich allen inneren halt verlieren lassen. sie halten sogar manchmal so lange aus, bis sie körperlch krank werden und dann halten sie noch immer am anderen fest, weil krank und allein sein, das, glauben sie, halte ich schon gar nicht aus.

das größte leid ensteht wenn wir in beziehungen aushalten, die unsere tiefsten sehnsüchte und unsere wahren bedürfnisse nicht erfüllen. die seele spürt das und sendet immer wieder kleine hilferufe, die geflissentlich überhört werden, damit da auch nichts von dem, was man sich alles so schön redet, und meist scheint alles schöner als das alleine sein, kratzer bekommt. ich kenne menschen, die wie ein hund unter ihrem herrchen partner leiden und dann vor mir sitzen und sagen: aber ich liebe ihn doch und er gibt mir halt. so wie der facebookpost, an den ich mich halten kann, wenn ich ins wanken gerade? pardon, das war zynisch.

liebe? tut die weh, schafft die leid, macht die krank?
darüber kann jetzt jeder mal selbst nachdenken ...

manchmal bin ich versucht zu sagen: wissen sie, es mag zwar jetzt bitter klingen, aber die tatsache, dass sie die vorstellung ohne den anderen zu leben nicht ertragen, heißt nicht, dass sie ihn lieben, es bedeutet nur, dass sie ein süchtiger auf entzug sind.

nun, ich sage das nicht, denn seine antworten muss jeder in sich selbst finden, mein job ist es ihn auf diesem weg in seinem tempo zu begleiten. aber ich schreibe das hier mal, als lebensweisheit, die sich der, der sie brauchen kann kopieren kann, am besten mitten ins herz, damit es von dort in die seele gelangen kann.



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