Dienstag, 13. Januar 2015

Aus der Praxis – It takes two for Tango: Von der Passung in Beziehungen

 


Der Mensch will glücklich sein und weil ihm das allein nicht gelingt, den meisten jedenfalls nicht, sucht er einen anderen, der ihn glücklich machen soll. Nun ist es hinreichend bekannt, dass keiner den anderen glücklich machen kann, wenn er das für sich selbst nicht kann. Und es ist auch bekannt - je weniger ein Mensch sich selbst glücklich machen kann, desto mehr sucht er nach einer erfüllenden Beziehung. 
Auch aus psychologischer Sicht hat eine Beziehung eine enorme Funktion für das subjektive Wohlbefinden wie auch für die Lebensstabilität zweier Menschen. Das Streben des Menschen ist darauf gerichtet, Angenehmes, Erfreuliches und Lustvolles zu erleben und andererseits Angst, Schmerz und Gefühle von Hilflosigkeit zu vermeiden. Nicht zuletzt deshalb ist eine erfüllende Partnerschaft für viele eine äußerst wirkungsvolle Strategie, um dieses Ziel zu erreichen und die eigene Lebenszufriedenheit verbessern oder zu verstärken.

Psychologisch ausgedrückt ist das Gegenüber in einer Liebesbeziehung ein sogenannter generalisierter Verstärker – sowohl positiv als negativ. Ein positiver Verstärker ist alles, was als angenehm erlebt wird und dadurch Anziehung und Wohlgefühl auslöst. Ein negativer Verstärker hingegen ist alles, was als unangenehm und abstoßend erlebt wird. In den meisten Beziehungen fungiert der Partner oder die Partnerin ebenso als positiver Verstärker wie auch als negativer Verstärker. Je höher die positiven Verstärker desto stabiler und glücklicher ist die Beziehung. So weit, so gut.

Grundsätzlich ist also jeder für den Anderen ein generalisierter Verstärker und damit verstärkt er auch das, was im anderen an frühen Beziehungs- und Bindungserfahrungen angelegt ist. Menschen neigen dazu besonders in Paarbeziehungen, genau das zu wiederholen was sie als Kind im Elternhaus an Erfahrungen, Überzeugungen, Programmierungen und Bindungsmustern verinnerlicht haben – an guten und an weniger Guten. Im Grunde wird in jeder Liebesbeziehung die ganze Klaviatur negativer und positiver Erfahrungen durchgespielt und reinszeniert. Der Partner wirkt wie ein generalisierter Verstärker, weil sein Verhalten oder sein Wesen unbewusst mit den verschiedensten positiven Erlebnissen und Gefühlen verbunden wird, ebenso wie er oder sie durch sein Verhalten und sein Wesen verschiedenste negative erlebte Gefühle und innere Überzeugungen aus der Kindheit verstärkt. Man könnte sagen, der Partner fungiert wie ein Trigger, ein Reizauslöser, für all das, was in uns lebt an Überzeugungen, Konditionierungen, Mängeln, Erfahrungen und Verletzungen aus der Kindheit.
Eine gelingende Beziehung erfüllt im besten Falle die Befriedigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse nach Liebe, Wertschätzung, Anerkennung, Verbundenheit, Autonomie und emotionaler Sicherheit. Letztere ist der Kern subjektiven Wohlbefindens und ob dies gelingt hängt eng mit der Passung zwischen den individuellen subjektiven Bedürfnissen und dem tatsächlichen Beziehungserleben zusammen. 

Je mehr individuelle Bedürfnisse erfüllt werden, desto positiver wirkt sich das auf die jeweiligen Partner, auf die Beziehungsqualität und auf ihre Stabilität aus. Werden diese Bedürfnisse hinreichend erfüllt spricht man von einer positiven Passung. Zu Problemen wie Zerwürfnisse und Trennungen kommt es aus psychologischer Sicht immer dann ein, wenn eine Partnerschaft keine hinreichende positive Verstärkungswirksamkeit hat und es zu viel Negativpassung gibt.

Nach dem Prinzip „It takes two to tango“ führt jeder den anderen an seine problematischen Themen, die er bis dato nicht gelöst hat. Bleiben sie auch in der Beziehung weiterhin ungelöst führt das zu verstärkt negativen Gefühlen aufgrund von gegenseitigen Übertragungen, Projektionen oder Überidentifikationen. Anders formuliert: Löst ein Partner zu viel an alten Verletzungen und kindlichen Progammierungen im anderen aus oder spiegelt er ihm negative Eigenschaften eines oder beider Elternteile, ist die Beziehung auf Dauer unbefriedigend und seelisch belastend, besonders dann, wenn in der Beziehung nicht genug Angenehmes erlebt wird, um dies auszugleichen.
Ein Beispiel: Ein Mensch hat als Kind erfahren: „Ich genüge nicht.“ Ist dieses Programm im Erwachsenenalter nicht bearbeitet und durch ein heilsames: „Ich genüge mir selbst“, ersetzt, wird dieser Mensch mit ziemlicher Sicherheit immer wieder auf einen Menschen treffen, der genau dieses Gefühl in ihm auslöst und damit seine negative Programmierung bedient. Weil Unbewusstes, Unbewusstes instinktiv erkennt, trifft dieser Mensch mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einen Partner, der das Programm hat: „Ich werde nicht satt“, weil dieser als Kind nicht genug Liebe, Wertschätzung und Anerkennung bekommen hat. 

Was passiert?
Das Programm: „Ich genüge nicht“, wird vom Programm: „Ich werde nicht satt“, getriggert und tritt in Kraft. Der Partner mit der Überzeugung, nicht zu genügen, versucht nun genau das, was er als Kind schon versucht hat, er versucht zu genügen und das bedeutet in diesem Fall – er versucht den anderen satt zu machen, im unbewussten Glauben dann endlich zu genügen. Was ihm aber, trotz aller Versuche, nicht gelingt, denn wer immerzu hungrig ist, verbringt sein Leben in einem inneren Vakuum, das er ständig zu füllen versucht. Mit Dingen, mit Kaffee, mit Zucker, mit Arbeit, mit Drogen, mit Konsum jeder Art und mit eben auch mit Menschen. Dieser Mensch wird auch in einer Beziehung niemals satt, denn der andere wird ihm das, wonach er wirklich hungert, nämlich die Liebe und Anerkennung der Eltern, niemals geben können. Die Zufriedenheit, die ihm fehlt ist einzig und allein in ihm selbst zu finden. Sucht er sie dort nicht wird er den anderen permanent seine Unzufriedenheit spüren lassen.

So macht der Partner mit dem Programm: „Ich genüge nicht in der Beziehung immer wieder die gleiche negative alte Erfahrung neu. Er strengt sich immer mehr an, erfährt wieder, dass er, egal was er tut oder nicht tut, dem anderen nicht genügt und so leidet er letztlich wieder an der kindlichen Überzeugung als Mensch anderen nicht zu genügen – was er auch nicht kann, denn seine Lernaufgabe ist, zu erkennen, dass er sich selbst genügen darf, so wie er ist.
Erkennen beide Partner diese gegenseitig sich bedingende Dynamik nicht, bleibt jeder in seinem Programm hängen. Mehr noch, die Dynamik wirkt als negativer Verstärker. Hier spricht man von Negativpassung in einer Beziehung.

Was ist die Lösung?
Die Lösung ist nicht, wie so mancher jetzt denken könnte, wenn sich einer ändert, ändert sich die Beziehung. Es genügt nicht, wenn sich einer ändert, denn das löscht das Programm des anderen nicht.  Beide müssen ihre Programme erkennen und zum Positiven verändern, damit sich die Spirale der Negativanpassung nicht nach unten dreht und letztlich zum Scheitern verurteilt ist. Oft ist es dann der Partner, der sich ändert, der die Beziehung verlässt. Der andere bliebt zurück, verständnislos und enttäuscht, weil er wieder nicht bekommen hat, was er sich so sehnlich wünscht – nämlich das, was er als Kind schon nicht bekommen hat. Ohne zu begreifen, dass es nicht die Aufgabe des Partners war, ihm das zu geben. Erkennt er die Lernaufgabe auch dann nicht, wird sein Programm weiter abspulen und sich sein vermeintliches Glück wieder bei einem Partner suchen, der sein neurotisches Programm bedient.

Immer wenn sich Beziehungen nicht schützend gegenüber Negativem auswirken und ihr negativer Verstärkerwert sowie die Negativanpassung hoch ist, treten Konflikte, Streit, Langeweile und Unzufriedenheit auf. 

Eine dauerhaft glückliche und stabile Beziehung lässt sich nur dann aufbauen und aufrechterhalten, wenn ähnliche positive Programme gegenseitig verstärkend wirken. Wenn eine solche Ähnlichkeit gegeben ist, können Menschen in einer Partnerschaft viel Angenehmes erleben, wodurch die Beziehung gefestigt und die Lebenszufriedenheit gesteigert wird. Erleben Menschen jedoch zu viel negative oder unterschiedliche Dinge als verstärkend, gibt es wenig Raum für gemeinsame positive Erlebnisse und die Beziehungszufriedenheit, wie auch die Beziehungsstabilität sinken. Wobei Stabilität direkt abhängig von der Beziehungsqualität ist. Zudem liefert die Bindungstheorie noch eine interessante Erklärung für der Stabilität von unbefriedigenden Partnerschaften: Studien haben gezeigt, dass Menschen mit großer Bindungsangst auch unbefriedigende Beziehungen in Kauf nehmen. Demgegenüber reagieren Menschen mit geringer Bindungsangst sensibler darauf, wenn ihre Bedürfnisse nach Verbundenheit und Autonomie in der Beziehung nicht erfüllt werden. Sie trennen sich leichter.

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