Die schwarze Dame, AW |
Carl Gustav
Jung sagte einmal: „Die Depression gleicht einer Dame in Schwarz. Tritt sie
auf, so weise sie nicht weg, sondern bitte sie als Gast zu Tisch und höre, was
sie zu sagen hat." Ein schönes Bild, finde ich, wenn auch für einen
unschönen Seelenzustand. Was Jung damit vorgibt ist ein wertvoller
Impuls um mit der Depression Kontakt aufzunehmen, in Dialog zu treten mit
einem Teil des eigenen Inneren. Er hat das selbst getan, denn auch der große
Analytiker hatte in seinem Leben eine schwere Depression.
Wie der Name
schon sagt, besteht bei der Depression (von lat. deprimere
„niederdrücken“) ein Druck nach unten, besser ausgedrückt - nach innen, sie ist
ein zutiefst introvertierter Zustand.
Es gibt unzählige Arten von Depressionen.
Depressionen sind so verschieden wie die Menschen, die sie erleiden.
Von einer
endogenen Depression spricht man, wenn es weder eine körperliche, noch eine
psychische Ursache für die Depression zu geben scheint. Deswegen nimmt man an,
dass die Ursachen von innen heraus entstanden sind. So können hier zum Beispiel
auch genetische Faktoren zum Ausbruch der Krankheit beitragen. Die endogene
Depression verläuft in in Phasen, die Abstände variieren zwischen wenigen Tagen
und einem Jahr oder mehr. Man hat herausgefunden, dass besonders Männer hierbei
häufiger auf berufliche Probleme oder Besitzverlust, Frauen hingegen eher auf
partnerschaftliche oder familiäre Probleme, reagieren, die dann einen neuen
Schub auslösen. Innerhalb der endogenen Depression unterscheidet man zudem
zwischen der unipolaren und der bipolaren Depression. Die endogene Depressionen
kennzeichnet sich durch den phasenhaften Verlauf. Sie beginnt sehr langsam, der
Betroffene spürt kaum Anzeichen. Bei manchen Menschen kommen nach einigen
Tagen, Wochen oder Monaten Symptome auf, die nach einiger Zeit wieder von
selbst verschwinden. Sie kann im Laufe des Lebens nur einmal auftreten oder
immer wieder in schweren Schüben.
Die unipolare
Depression kann sich in der Melancholie zeigen. Sie ist die am häufigsten
auftretende Erkrankung bei den Depressionen. Sie wird als einpolig bezeichnet,
was bedeutet, dass die Betroffenen zwar depressive, aber keine manischen Phasen
haben. Man nennt diese Art der Depression auch Major Depression. Sie tritt in
einer schwierigen Lebenssituation auf in der eine Reaktion nach außen notwendig
wäre, die Betroffenen aber sind in ihre Handlungsfähigkeit gelähmt. Die
Energie, die sie nicht nach Außen geben können richtet sich nach innen. Die so
dringend benötigt konstruktive Kraft, die sie brauchen um ihre Aufgaben zu
lösen, wandelt sich in eine destruktive Kraft gegen sich selbst. Anstelle eines
Ausdrucks kommt es zur Niederdrückung.
Die Dysthymia, auch die neurotische
Depression genannt, ist eine krankhafte Neigung zu melancholisch-traurigen
Stimmungen. Als Unterform einer chronischen Depression ist sie nicht so schwer,
dafür hält sie länger an. Die Betroffenen sind im Schnitt zwei Jahre
depressiv, sie empfinden aber immer wieder auch gute Tage und Wochen. Meist
versinken sie jedoch in einer dumpfen niedergeschlagenen Stimmung, sind müde
und antriebslos, haben kein Selbstwertgefühl, fühlen sich als Versager und sind
nicht fähig ihr Leben zu meistern. Sie haben eine ausgeprägte Angst, die sie
handlungsunfähig macht und lähmt.
Egal um welche
Form der Depression es sich handelt, man muss sie von mehreren Seiten
beleuchten, um sie zu verstehen. Zu Beginn hat sie im allgemeinen immer eine
innerpsychische Ursache, aber sie kann bei jahrelangem extremen sozialen oder
seelischen Stress oder auch im Zuge einer posttraumatischen Belastungstörung
auftreten. Auch durch eine tiefe Veränderung der Nervenzellen im Gehirn kommt
es zur Depression. Für die Entstehung und Aufrechterhaltung einer Depression
sind zwei Botenstoffe besonders wichtig: das Serotonin und das Noradrenalin.
Serotonin und Noradrenalin sind deswegen von besonderem Interesse für die
Depression, weil alle Antidepressiva auf diese beiden Botenstoffe Einfluss
nehmen und ihre Symptome lindern. Daher ist man in der Depressionsforschung der
Überzeugung, dass bei der Depression die Funktionsfähigkeit der Nervenzellen,
die Serotonin und Noradrenalin produzieren, gestört oder massiv beeinträchtigt
ist.
Aber welchen
Sinn hat die Depression?
Für einen
Menschen, der in der Depression gefangen ist, ist das eine schwere Frage. Sein
Leid ist nahezu unerträglich, das Gefühl der Sinnlosigkeit hat ihn fest im
Griff, also wie könnte er in seinem Leid etwas Positives sehen oder gar einen
Sinn? Wenn es ihm aber dennoch gelingt, die Dame in Schwarz an den Tisch zu
bitten und ihr zuzuhören, könnte sie Folgendes zu sagen haben: „Wenn du
erstarrst, wenn du zu nichts mehr fähig bist, kann das durchaus einen Sinn
haben: Die Depression sorgt dafür, dass du keine unnötige Energie mehr
verschwendest. Sie zwingt dich endlich innezuhalten, sie sorgt dafür, dass du
zunächst keine Handlungsmöglichkeiten mehr sehen kannst.“
So gesehen ist
die Depression, so paradox das klingt, eine gesunde Anpassungsleistung an
schwere Bedingungen oder Lebenssituationen. Nicht zuletzt ist auch das Gefühl
der Schwere, des Niedergedrücktseins, welches Menschen in der Depression
empfinden, Ausdruck einer realen Schwere im Leben, sprich - etwas
lastet so schwer auf uns, dass es uns erdrückt. Symptome haben immer eine
Bedeutung, sie verweisen auf Ursachen.
Schwierige Lebensumstände allein lösen noch keine Depression aus.
Depressiv
wird ein Mensch erst wenn er keine Möglichkeit mehr sieht, in einem
konstruktiven Sinn Einfluss auf seine Lebenssituation zu nehmen. Dabei kommt es
nicht auf die objektiven Möglichkeiten an, die dieser Mensch hat, sondern auch
auf die Möglichkeiten, die er für sich selbst sieht. Sieht er keine
Möglichkeiten mehr, so bleibt letztlich nur noch die Depression, als leidvoller
Versuch, einen seelischen Konflikt oder eine traumatische Erfahrung zu
bewältigen. Die Depression hat immer eine Signalfunktion. Sie erzählt uns
Wesentliches über unser Verhältnis zu unserem Umfeld, unsere Lebensumstände,
unsere Lebensqualität und den Zustand unserer Seele. Sie erzählt uns etwas über
den Zustand in dem wir uns im Jetzt befinden. Sie zeigt uns unsere Grenzen auf
und sie bewahrt uns davor, diese Grenzen weiter zu verletzen, indem wir über
unsere Kräfte leben. Sie bremst auf radikale und schmervolle Weise das
Weitergehen. So hat Depression, auch wenn wir das im tiefen Leid, das sie
schafft, zuerst nicht begreifen können, eine Schutzfunktion: Sie zwingt uns
innezuhalten und im Prozess der Depression neue Lösungen zu finden, um uns
künftig besser zu behandeln.
Die Depression
ist ein psychischer Zustand der, wenn er intensiv beleuchtet wird, dem
Betroffenen auf seinem Weg zur Individuation helfen kann.
Deshalb ist es von
enstcheidender Bedeutung um die Depression zu verstehen, den depressiven
Zustand zu beobachten, der bei aller anderen Symptomatik eine Regression
erzeugt: Oft kommt es nämlich zu einer Reminiszenz an die Vergangenheit. C. G.
Jung schreibt dazu in „Symbole der Transformation“ sinngemäß: "Es
vollzieht sich eine Übertragung der Vergangenheit, hervorgerufen durch eine
Depression in der Gegenwart. Dies ist ein unbewusstes kompensatorisches
Phänomen, welches bewusst gemacht werden muss, um Heilung zu finden." Mit
anderen Worten - eine Wahrheit über das eigene Leben oder das eigene Ich, die
man bis zu diesem Moment verdrängt hat, der man sich durch Kompensation und
Selbstlügen entzogen hat, kann gerade in Krise der Lebensmitte eine Depression
auslösen.
Um hören zu
können, was die Dame in Schwarz zu sagen hat, brauchen depressive Menschen Mut
und Kraft, die sie eigentlich nicht mehr haben. Das erscheint unmöglich, denn
wenn ein Mensch in der Starre verharrt, hat er das Gefühl, dass nichts mehr
geht. Die Depression aber drückt genau deshalb nach unten, damit wir genau
dahin spüren – ins eigene Tiefgeschoss, dahin wo die Antworten liegen und zwar
darauf, was in unserem Leben ungut ist, was zu verändern ist, was verändert
werden muss, um wieder neuen Lebensmut zu finden. Wenn der Depressive bereit
ist, sich der eigenen Wahrheit zu stellen und die Fassade, die längst
gebröckelt ist, endgültig herunterzureißen, erkennt er, dass er mit seinen
bisherigen Lösungsversuchen und Handlungsweisen keinen Erfolg hatte. Im
Gegenteil, genau diese Handlungsweisen haben gegen ihn gearbeitet. Er braucht
also neue konstruktivere und heilsamere um sein Leben positiver und sinnvoller
zu gestalten.
Mit der Dame
in Schwarz in einen Dialog zu treten, bedeutet zunächst einmal Mitgefühl mit
sich selbst zu entwickeln, sich nicht zu verurteilen und Verständnis für
die depressive Reaktion zu haben und dann Antworten zu finden auf folgende
Fragen: „Wie kann ich mich künftig besser schützen? Wie kann ich mein Leben in
Zukunft so zu gestalten, dass meine Seele nicht überfordert ist? Wie kann ich
besser für mich sorgen? Wovon muss ich mich verabschieden und welche
Bedürfnisse habe ich, die ich verdränge oder mir nicht erlaube zu erfüllen? Wo
gebe ich vor etwas zu sein, was ich nicht bin?
Wer allerdings
in einer schweren depressiven Phase steckt, hat kaum eine Möglichkeit, sich
selbst ohne professionelle Hilfe zu befreien.
Auch leichtere depressive
Verstimmungen können, solange sie akut sind, einen Menschen vollkommen lähmen.
Selbsthilfe kann immer nur in einigermaßen depressionsfreien Phasen gelingen.
Eine schwere Depression braucht unbedingt therapeutische Intervention. In
einer Studie wurden Depressive gefragt, was ihnen hilft, wenn sie in einer
depressiven Phase stecken. Als hilfreich empfanden sie Folgendes: Gespräche mit
verständnisvollen Menschen, sich Zeit geben sich über ihre Gefühle klar werden,
nach den Ursachen der Depression zu forschen und genau das zu tun, was die
Depression verlangt: Sich zurückziehen, weinen, alle Gefühle wertfrei zulassen,
keinen Widerstand gegen die Depression zu leisten, aufschreiben was sie fühlen,
viel schlafen und, in den weniger depressiven Phasen, Bewegung in der frischen
Luft und sportliche Betätigung.
Es ist bei
allem Leid sinnvoll sich immer wieder bewusst zu machen: „Ich bin nicht meine
Depression, ich habe eine Depression: So beginnen wir uns von ihr zu
disidentifizieren. Wir schaffen bewusst eine Distanz zu dieser Krankheit und
helfen uns damit sie anzunehmen, als das, was sie wirklich ist: Ein Hilferuf
der erschöpften Seele und eine Chance sie gesunden zu lassen.
Auch der
Glaube: „Ich werde diese Krankheit überwinden“, ist von großer Bedeutung für
die Heilung. Wer an sich selbst glaubt, fühlt sich der Depression nicht hilflos
ausgeliefert. Er weiß, dass sie vorbeigeht.
Danke, ganz wunderbar auf den Punkt gebracht!
AntwortenLöschenich danke dir für deine wertschätzung. liebe elisabeth.
AntwortenLöschenIch weiß ganz genau was du meinst , gehe diesen Weg schon sehr lange ein sehr langsamer Prozess .lg Galina
AntwortenLöschen....ich konnte mich zu 99,9% wiederfinden.....Dankeschön....
AntwortenLöschendanke!
AntwortenLöschenDer Text bringt es auf den Punkt; 6 Jahre liegt meine Depression nun hinter mir, aber ich bin nicht mehr der Mensch, der ich vorher war und ich gehe wesentlich behutsamer mit mir selber um und vor allen Dingen: ich ziehe GRENZEN!
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