Donnerstag, 1. November 2012

Die Konzentration der Nachfrage auf wenige Künstler und warum das so ist






Wir haben die Wahl, auch als Kunstschaffende. Wir haben die Wahl zwischen Erfolg und Misserfolg, behaupten zumindest jene, die meinen, jeder sei seines Glückes Schmied.

Das würde bedeuten, wer sein Glück klug zu schmieden weiß, wird ein zweiter Picasso, im Sinne seines immensen künstlerischen und millionenschweren Erfolges. Wer sein Glück nicht zu schmieden weiß, bleibt ein Hungerleider wie der hochbegabte, depressive und am Ende völlig verzweifelte van Gogh. So einfach ist es nicht! Weder das Künstlerdasein, noch die Sache mit dem Glückschmieden. Aber sicher ist trotzdem:  Erfolg oder Misserfolg - genau das ist die Wahl, vor die das Schicksal noch heute den Künstler stellt. 

Wer in der tiefsten Seele Künstler ist, muss Kunst machen. Der kann gar nicht anders. Sie nicht zu machen geht nicht. In der Tat, hier ist das Schicksal am Werk und das meint es, wie wir aus Erfahrung alle wissen, nicht mit jedem von uns gleich gut. Manche Begabung kann auch zugleich ein Fluch sein. Ich erinnere an Das Drama des begabten Kindes, dem Alice Miller ein sehr kluges Buch gewidmet hat.

Kunst machen und von der Kunst leben können, zwei völlig verschiedene und in den meisten Fällen unvereinbare Dinge. Wenn das Schicksal nicht mitspielt, ist Letzteres unmöglich, egal wie begabt der Künstler ist, egal wie schön und beeindruckend seine Werke sein mögen. Wenn das Schicksal nicht mitspielt, bleibt er arm und - im Sinne dieser Gesellschaft, die Erfolg in erster Linie monitär definiert -  ein Hungerleider unter vielen.

Kennzeichen des Arbeitsmarkts für Künstler ist ein extremes Gefälle zwischen den hohen Einnahmen einer kleinen Gruppe und dem niedrigen Einkommen der übrigen Gruppe von Künstlern. So leben in Deutschland ca 60.000 Künstler. Die Mehrheit von ihnen ist als selbstständig gemeldet und lebt am Rande der Armutsgrenze mit einem Bruttoeinkommen von ca 1.000 Euro. Das heißt im Klartext: Von der Kunst lebt nur eine winzig kleine Gruppe von Spitzenverdienern in einem Meer von Geringverdienern.

Stellt sich die Frage: Warum ist das so? Sind die Spitzenverdiener die besseren Künstler und Glückschmieder und spiegeln Künstlerspitzenverdienst und Künstlerarmut gar den Unterschied was die Qualität der Kunst angeht? Das kann irgendwie nicht sein, denn, um auf Picasso zurückzukommen, der war mit Sicherheit nicht besser als der Hungerleider van Gogh oder Modigliani beipielsweise. Aber er hatte beiden Entscheidendes voraus: Er war ein Marketinggenie. Glück gehabt! Diese Begabung hatten und haben die wenigsten Künstler, waren und sind sie ihrem Wesen nach doch eher sensible, zurückgezogene Persönlichkeiten und absolut keine Verkaufsgenies ihrer eigenen Produkte.

Aber da sind noch andere Faktoren, die mitspielen, was die die Erfolgs- und damit die Einkommensschere, angeht. In der Kunst geht es nicht um eine absolute Leistung wie auf dem normalen Markt, sondern immer um eine relative Leistung. Was relativ ist, lässt sich nicht messen. Alle Versuche, Qualität und Begabung in der zeitgenössischen Kunst zu messen und zu quantifizieren, sind gescheitert. Es gibt keine eindeutigen und verbindlichen Parameter um Kunst zu beurteilen. Darüber ist sich die Kunstwelt einig.

Also, was ist wirklich entscheidend dafür, welcher Künstler sich einen teuren Namen macht und welcher ein armer no name bleibt? Wenn es nicht die Qualität ist, was ist es dann? Ich behaupte, es kann nur das Marketing sein. 

Ich habe mich schlau gemacht und das hier gefunden: "Die Konzentration der Nachfrage auf wenige Künstler, so der Ökonom Holger Bonus und der Kunsthistoriker Dieter Ronte, ist das Ergebnis eines sozialen Prozesses. An diesem sind vier einander verstärkende Mechanismen beteiligt: Hohe Startkosten, der Koordinationseffekt, der Lerneffekt und die Erwartungsanpassung.

  1. Startkosten:
Ein Galerist, der in einen Künstlers investiert hat und beginnt, Geld mit ihm zu verdienen, gibt ihm den Vorzug vor neuen unbekannten Künstlern. Diese würden ein erneutes Finanzrisiko bedeuten.

  1. Koordinationseffekt:
Um seine Startkosten zu reduzieren, wird er mit anderen Galerien kooperieren, die denselben Künstler präsentieren.

  1. Lerneffekt:
Kritiker, Kuratoren und Sammler, die seine visuelle Sprache erlernt haben, werden sich ihm weiterhin zuwenden, statt den Zeichencode eines anderen Künstlers zu erlernen, dessen künftige Bedeutung ungewiss ist.

    4.  Erwartungsanpassung: schließlich bestärkt der Erfolg eines Künstlers den Glauben der       Sammler an seinen weiteren Aufstieg, der für sie mit der Aussicht auf weiteren Wertzuwachs und Statusgewinn verbunden ist.
 
Da es zudem keine Gewissheit über die Qualität von zeitgenössischen Künstlern gibt und die Transaktionskosten hoch sind, tendieren die Marktteilnehmer dazu, bei einer einmal getroffenen Wahl zu bleiben. Der Starkünstler erspart dem Konsumenten Suchkosten, reduziert Qualitätsunsicherheit und schafft Zugehörigkeit zur Mehrheit. Seine Produkte sind die Markenartikel des Kunstmarkts."
Quelle: Artnet

Ich sags doch – alles eine Frage des Marketings. 
Nein, nicht ganz, denn – wenn das Schicksal mit Hilfe des Zufalls und des Glücks nicht mitspielt, nutzt das beste Marketinggeschmiede gar nichts.


1 Kommentar:

  1. Aller Anfang ist schwer! Und manchmal oder oft auch das Ende der Künstler...

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